1. Anfänge
2. Eigentümer, Pächter, Verhandlungen
3. Verwaltungssachen- Von der Gutsgemeinde Grossmoor bis zur Eingemeindung.
4. Die Bewohner in GroßMoor -Lebensumstände und Schicksale im Moor
5. Über Arbeitsbedingungen – Torfarbeiter, Tarife und Baracken
6. Kriegsgefangene im 1. Weltkrieg -Arbeit im Moor
7. Zwischen den Kriegen – Baracken weichen Gebäuden mitten im Moor
8. Die Holländer -Gastarbeiter zum Torf stechen
9. 1939 bis 1945 – Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene
10. Nach dem Krieg – Grossmoor ist bis mindestens 1966 noch bewohnt
11. Das Moor brennt -Das Großfeuer vom 15. Okt. 1959- mehr als 1 Mio DM Schaden
12. Totes Moor 1960 bis heute -Ausflügler im Moor, Eintrittsgelder und Danksagungen

Die „Hüttengesellschaft“ Nehse und Lüdeke beschäftigte 1857 bereits 1.100 Arbeiter, von denen eine erhebliche Anzahl im Moor mit Torfstechen beschäftigt war. Ein solcher, in Neustadt nie dagewesener Zuzug fremder Personen, (Neustadt hatte sebst nur ca 1.500 Einwohner), stellte die Behörden vor vermutlich nie gekannten Aufgaben. Die Obrigkeit dürfte das aufmüpfige Verhalten von Arbeitern und Studenten im Revolutionsjahr 1848 noch im Sinn gehabt haben und erliess speziell für die Neustädter Hüttenwerke das „Reglement“ vom 9. Januar 1858 zur Überwachung der fremden Arbeitskräfte. In 11 Paragrafen wurden die neuen Arbeiter mit polizeilichen Anmeldeverfahren, Aufenthaltserlaubnissen und Arbeitsvorschriften genauesten reglementiert. Entsprechend wird der Druck auf die Arbeit gewesen sein. Wo die zugezogenen Arbeiter, vielleicht sogar mit Familien, untergekommen sind, ist nicht bekannt, in der Stadt und in den umliegenden Dörfern dürfte Wohnraum knapp geworden sein. (Sind hier die ersten Anfänge der Siedlung Großmoor zu suchen?) Die Arbeiter wurden jedenfalls mit folgendem Gesetz vor Unbotmässigkeiten, sogar Streik, gewarnt:

§§ 59 und 60 des Polizei Straf Gesetzes vom 25.Mai 1847

Fabrikanten, Schiffer, Handwerker, Handwerksgesellen und sonstige Arbeiter, welche, um Forderungen durchzusetzen, die Einstellung ihres Gewerbes oder ihrer Arbeit verabreden, dazu auffordern oder damit bedrohen, sind, wenn sie nicht auf Befehl der Obrigkeit zur Ordnung zurückkehren, mit Gefängnis bis zu 4 Wochen oder mit Geldstrafen bis zu 50 Rth zu belegen, vorbehaltlich etwa sonst erforderlicher polizeilicher Maßnahmen.

Damit nicht genug, es wurde ergänzend mittels eines „Regulativ für die durch die Neustädter Hüttengesellschaft beschäftigten Arbeiter“ rigoros in die Arbeit und den Alltag der Arbeiter eingegriffen. (Reg Arch NRÜ II 1342) Darin heisst es u.a:

§6 (….) Die Direktion kann, sofern contractlich nichts Anderes festgestellt ist , jeden Arbeiter allstündlich beliebig entlassen, und ist nur zur Zahlung des bis zur Entlassung verdienten Lohnse verpflichtet,

§ 8 Die Arbeitszeit in den Werkstätten ist folgende: von Morgens 6 Uhr bis Mittags 12 Uhr; von Mittags 1 Uhr bis Abends 7 Uhr; mit einer halbstündigen Pause von 8 bis 8 ½ Uhr Morgens und von 4 bis 4 ½ Uhr Nachmittags. Die tägliche 11stündige Arbeitszeit zerfällt demnach in 4 Vierteltage, nach welchen die Lohnberechnung aufgestellt wird.

§ 10(….)Das unerlaubte und ungerechtfertigte Ausbleiben von mehr als 2 Tagen zieht ausser der Ordnungsstrafe von 10 Ggr. Entlassung ohne Kündigung nach sich.

§22Vergehen, wie z, B. fortgesetzte Trägheit, Trunkenheit, Unbescheidenheit, Schlägerei und Ungehorsam sowie leichtsinniges Schuldenmachen entziehen dem Arbeiter die Begünstigung der Kündigungsfrist, und kann er in solchen Fällen jederzeit entlassen werden.

§ 24 Das vorstehende Regulativ kann nach Bedürfnis von der Direktion der Gesellschaft jederzeit abgeändert oder mit Zusätzen versehen werden

Neustadt a. Rbge, im Juli 1858
Die Direktion der Neustädter- Hütten-Gesellschaft
Gr. v. KielmannseggeNehse

Die Arbeitsbedingungen der Arbeiter auch unter den Herren Cohn und von Bandel / Ubbelohde in den darauffolgenden Jahren waren, wenn sie den oben geschilderten Wohnverhältnissen entsprachen, offensichtlich immer noch erbärmlich.

Die Behandlung der Arbeiter in der Firma Sittig und Joch wird durch einen Schriftverkehr beleuchtet, der wohl eher die Arbeit in der Hütte bei der Rohpappenherstellung betrifft. Die Verhältnisse im Moor werden der Zeit entsprechend nicht besser gewesen sein.

10.Gendarmerie Brigade
Neustadt a. Rbge den 19. Juli 1899

An den Herrn Landrath, hierselbst Unterzeichneter zeigt an , daß der Aborth auf der Fabrik von Sittig und Joch hierselbst, welcher für die dort befindlichen Arbeiter dient, in einem derart baufälligen Zustande ist ,so derselbe dem Einsturz droht. Auch ist der um den Abort gezogenen Bretterzaun vollständig verfallen. Auch ist einer der hohen Fabrikschornsteine oben am Kopf derart verwittert ,so daß bei starken Winde öfter Steine in den Garten des dicht an dem Schornstein wohnenden Heizers gefallen sind.

Wie hier Abhilfe geschaffen wurde, ist unbekannt,dennoch folgte bald die nächste Beschwerde, diesmal „auf dem Moore“ betreffend:

Königliche Gewerbeinspektion Nienburg
Nienburg den 21. Mai 1901

Bei Besichtigung der Torfstecherei Sittig und Joch auf dem Moore bei Neustadt am 18.d.M. habe ich folgendes gefunden

In 4 Räumen schlafen je 3 Ehepaare ohne jede Trennung auf einer gemeinsamen Pritsche, und zwar liegt ein Ehepaar dicht neben dem anderen, sodaß auf der einen Seite einer Frau . derEhemann, auf der anf anderen ein fremder Mann zu liegen kommt.

Es ist nur ein für Männer und Frauen bestimmter offener Abort vorhanden, an welchem jede Trennungswand und Thür fehlt.

für die Arbeiter in der Tordstecherei ist eine Arbeitsordnung nicht erlassen, entweder ist die Torfstreufabrik auf diese Personen […] [text unleserlich]

Eine bestimmte Arbeitszeit ist für die Arbeiter nicht vorgesehen, diese ist ihrem Ermessen anheimgegeben. Höchst wahrscheinlich werden daher auch die gesetzlichen Bestimmungen über die Arbeitszeit der Arbeiterinnen nicht eingehalten. (§ 137 […] [text unleserlich])

Der vorgeschriebene Aushang über die Beschäftigung der Arbeiterinnen fehlt.

Danach streiten sich die Gewerbeaufsicht und der Magistrat über Zuständigkeiten, z.B. ob dieses oder jene Behörde oder Gesetze gelten. Die Firma Sittig und Joch gehorcht den dann erteilten Auflagen mit der Errichtung einer Abortanlage auf dem fiscalischen Moor, d.i. vermutlich inGroßMoor. (Dyckerhoff ist im Moor noch nicht vertreten!)

Die Arbeitsbedingungen wurden geregelter, als die Fa Dyckerhoff z.B. 1921 über ihren Moormeister Noske einen Arbeitsvertrag mit den Torfarbeitern abschloss. Darin wird die Art der verlangten vielseitigen Arbeit mit dem Torf beschrieben. Werkzeuge wurden unter Auflagen frei gestellt, Her- und Rückreisen wurden geregelt, Schlafstellen in dem auf dem Moore befindlichen Baracken einschliesslich Bettstelle, Strohsack, Strohkissen und zwei wollenen Decken zur Verfügung gestellt.

Ausheben eines Entwässerungsgrabens im Torf Moor

Ausheben eines Entwässerungsgrabens im Torf Moor

Rast im Toten Moor bei Neustadt am Rübenberge / Steinhuder Meer

Rast im Toten Moor bei Neustadt am Rübenberge / Steinhuder Meer

Torfballen trocknen im Toten Moor

Torfballen trocknen im Toten Moor

Die Vereinbarungen von 1928 sehen unter anderem vor: Tariflohn für „Vollarbeiter“ 0,58 Mk, später 0.60 Mk pr Std bzw 1,65 Mk, später 1,75 Mk für 1.000 Stück Torf im Akkord.

Tarifvertrag besteht nicht, Arbeitervertretung hat diesen am 27. Januar als unnötig abgelehnt

Arbeitsverhältnisse: sind durch Betriebsvertretung geregelt, Ausser der festgesetzten Lohnhöhe werden den auswärtigen Saisonarbeitern gewährt: frei Wohnung, ferner Betten mit Decken usw. (Brenntorfverbrauch ca 1 Million Soden)“ [5o Mark Wohnen 50 Mark Heizung) wobei unklar ist, ob das Teil des Lohnes ist ober abgezogen wird – Anmerkung der Redaktion]

Firma Dyckerhoff hat die im Moor arbeitenden und größtenteils in GroßMoor wohnenden Saisonarbeiter des Jahres 1928 aufgelistet.

Für 1928 liegen auch die Zahlungslisten über den 14- tägig ausbezahlten Verdienst vor. Danach wurde die Arbeit in Zweiergruppen (möglicher Weise im Accord?) durchgeführt, je Mann wurde an 10 bis 11 Tagen etwa 100 bis 110 Stunden, im Mittel 10 Stunden am Tag gearbeitet, 2 Tage die Woche waren demnach frei. Pro Mann wurden in diesen 2 Wochen etwa 45 bis 50.000 „Törfe“ gestochen, bei 1,85 bzw 1,65 Mark pro 1.000 Törfe ergab sich ein Lohn von um 40 Mark.

Wir können heute kaum darüber befinden, ob es sich um eine angemessene Vegütung handelt. In Stundenlohn statt in Akkordarbeit ausgerechnet wäre das Ergebnis schlechter ausgefallen.

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