Stadt und Landkreis Neustadt hatten zweimal die Ehre des Besuchs von Kaiser Wilhelm II. Und zwar 1913 und 1914. Grund für seine Besuche im Landkreis Neustadt war – jedenfalls 1914- die offizielle Einweihung der Funkenstation in Eilvese. Die Funkenstation war in zweierlei Hinsicht interessant: Hier war die erste Großfunkanlage entstanden,  mit der Telegramme in die USA, nach Tuckerton im Staate New Jersey gesendet werden konnten. Der dafür errichtete Sendemast, im Volksmund  Funkenturm genannt, wies die beachtliche Höhe von 258 m auf, war somit das höchste Bauwerk in Deutschland.

 

Postkarte des Telefunkenturms in Eilvese

Postkarte des Telefunkenturms in Eilvese

Mit dem zweiten Besuch des Kaisers 1914 war die Absicht verbunden, die Anlage einzuweihen und  ein persönliches Telegramm an Präsident Woodrow Wilson abzusetzen. Über die Technik der Großfunkanlage ist in mehreren Publikationen berichtet worden, insbesondere in Frau Roswita Kattmanns Bericht „Riesen im Moor“.

Hier soll nur über die Umstände der Kaiserbesuche berichtet werden. Die

Fahrten des Kaisers, der sowieso gern reiste, waren immer mit großem Pomp und hohen Aufwand begleitet und wurden aufwendig organisiert.

Abbildung von Kaiser Wilhelm 2 (aus "die Harke", Nienburg 1913)

Abbildung von Kaiser Wilhelm 2 (aus „die Harke“, Nienburg 1913)

Der Wetterbericht kündigte für den 20.Juni 1913 an: Kühler, meist wolkig, etwas lebhaftere westliche Winde, verbreitete Regenfälle. Tatsächlich fiel im Juni 1913 115mm Regen, ein im Durchschnitt ungewöhnlich hoher Wert. Es ist denkbar, dass die geplante Fahrt nach Loccum  und durch den Landkreis Neustadt im offenen Wagen nicht sehr angenehm war.

Einweihung des Neune Rathauses in Hannover

Der 20. Juni 1913 war für Kaiser Wilhelm mit mehreren Ereignissen ausgefüllt. Der Tag begann mit der Einweihung des Neuen Rathauses in Hannover.

In Hannover wird die Einweihung des Neuen Rathauses gefeiert

In Hannover wird die Einweihung des Neuen Rathauses gefeiert (aus „Die Harke“ Nienburg 20.Juni 1913)

Am Freitagmorgen war der Kaiser im Sonderzug  in Hannover eingetroffen. „Kurz vor 10 Uhr traf mit Automobil der Kaiser in der Uniform seines Hannoverschen Ulanenregiments vor dem Rathause ein“. Die Stadt hatte anlässlich des Kaiserbesuchs und der Rathauseinweihung reichen Flaggenschmuck angelegt. Auf dem Weg zum Neuen Rathause bildeten etwa 11.000 Schulkinder Spalier, die Knaben mit Schärpen in den deutschen Farben, die Mädchen mit Blumen und Kränzen im Haar. Die große Halle des neuen Rathauses schmückten im riesigen Treppenhaus die Standbilder der Kaiser Wilhelms I. (auch „des Großen“ genannt)  und Wilhelm II. Verschiedene Darbietungen, das Abschreiten einer Ehrenkompanie, die Ansprache des Stadtdirektors Tramm und die Antwort Seiner Majestät des Kaisers wurden von zahlreichen Ehrengästen begleitet. (Bei der Gelegenheit erklärt Stadtdirektor Tramm die Rathauskosten: „Zehn Millionen Mark, Majestät, und alles bar bezahlt“)

Um 11 Uhr kehrte der Kaiser im Automobil nach dem Königlichen Schloss (dem heutigen Landtagsgebäude) zurück, um 12 Uhr nahm er bei General von Emmich mit verschiedenen hohen Herren ein Frühstück ein. Um 1 ¾ Uhr ist der Kaiser vom Generalkommando aus mit Gefolge im Automobil zum  Kloster Loccum abgefahren, um an der Jubiläumsfeier zum 750jährigen Bestehen des Klosters teilzunehmen. Aus diesem Anlass ließ der damalige Landkreis Stolzenau (heute Landkreis Nienburg) mehrere Ortsdurchfahrten  instand setzen.

Loccum zur 750- Jahr- Feier

Das Kloster Loccum feierte am 20. Juni 1913 das 750- jährige Jubiläum. Wohl auch als oberster Bischof der preußischen Provinzialkirchen beehrte der Kaiser die umfangreichen Festlichkeiten. Eingeleitet wurde das Fest an diesem Freitagmorgen mit einer um 6 Uhr gehaltenen Hora, der Matutin (Mette). Der Kaiser selbst traf kurz nach 3Uhr (15 Uhr) in Loccum ein

„Die Fahrt nach dem Kloster Loccum ging über Nenndorf, Sachsenhagen und Rehburg. Überall auf dem Wege, auch in Loccum selbst, sah man reichen Flaggenschmuck. Schulen und Vereine begrüßten zusammen mit der Bevölkerung den Kaiser“

So beschreibt die Tageszeitung „Die Harke“ aus Nienburg am 21. Juni den Reiseweg des Kaisers zum Kloster. (Loccum gehört heute zum Landkreis Nienburg). Nach der Begrüßung durch höchste Kreise der evangelischen Kirche schritt Seine Majestät mit Prinz Waldemar von Preußen und seinem Gefolge zum Altar.  Nach dem Festgottesdienst besichtigte der Kaiser, geführt vom Abt, die Kirche und verschiedene Sehenswürdigkeiten. Die Weiterfahrt erfolgte gegen 5 Uhr (17 Uhr).

Kaiser Wilhelm mit dem Abt vor der Bibliothek des Klosters Loccum (Postkarte)

Kaiser Wilhelm mit dem Abt vor der Bibliothek des Klosters Loccum (Postkarte)

 

Im Landkreis Neustadt

Bereits am 7. Januar 1913  ahnte die Leinezeitung: „…und wenn im Toten Moor ein Deutscher Eiffelturm sich erhebt und in wenigen Sekunden die Alte Welt mit der Neuen verbunden ist, dann wird des Wachsens und Blühens in unserem Kreise kein Ende finden.“ Das Ereignis, mit der weiten Welt drahtlos in Kontakt zu kommen, sollte gefeiert werden und war Sinn  des aufwändigen Besuchs des Kaisers in Eilvese.

Bereits  für das 25jährige Regierungsjubiläum Sr. Majestät des Kaisers und Königs wurden die Bewohner hiesiger Stadt von Bürgermeister Stockhausen aufgefordert, am 15. Und 16. Juni die Häuser mit Fahnen und Flaggen zu schmücken. Die städtischen Büros und Kassen blieben geschlossen. Insofern eine Vorübung auf kommende Ereignisse?

Denn am Donnerstag, den 19. Juni 1913 kündigte die Leinezeitung den Besuch des Kaisers an und gab – kreisübergreifend- verschiedene Anordnungen bekannt:

1)

Amtliches

Neustadt a. Rbge., den 16. Juni 1913

Aus Anlass der Durchreise Sr.Majestät des Kaisers und Königs am Freitag, den 20. D. Mts. sind neben der Gendarmerie die Herren Wegemeister Bertram und Mensing sowie 60 Landstraßenwärter als Hilfsbeamte der Polizei eingestellt. Letztere sind kenntlich durch Dienstmützen und weiße Armbinden. Zu der guten Gesinnung der Einwohner hege ich das feste Vertrauen, daß sie sich den Anordnungen der Polizei im Interesse der ungehinderten Durchreise Sr. Majestät willig fügen und dass alle Zuschauer durch ihre eigene Haltung dazu beitragen, dass Unglücksfälle, wie der bei der Durchfahrt Sr. Königlichen Hoheit des Herzogs von Cumberland durch Berlin, verhindert werden.

Die Fahrbahn muss für die Kaiserlichen Automobile unter allen Umständen frei bleiben. Dies lässt sich aber nur erreichen, wenn sämtliche Anwesenden sich nach Möglichkeit ausrichten und nicht über die Absperrungslinien hervordrängen.

Der Königliche Landrat

Von Woyna

2)

Neustadt a. Rbge, den 17. Juni 1913

Die Anwohner der Landstraßen und Provinzialchaussee der Strecke Mardorf- Stöcken werden ersucht, am 20. Juni nachmittags sämtliche Hunde bis nach Beendigung der Durchreise Sr. Majestät festzulegen.

Der Königliche Landrat

Von Woyna

3)

Rinteln, den 13. Juni 1913

Wegen der am 20. Juni stattfindenden Automobilfahrt Sr. Majestät des Kaisers durch den nördlichen Teil des Kreises wird am 20. Juni die Landstraße von der Kreisgrenze westlich Bantorf durch Groß- und Bad Nenndorf, Beckedorf, Ottensen, Sachsenhagen bis zur Kreisgrenze von Bergkirchen von 2 Uhr nachmittags bis zum Passieren des Kaiserlichen Automobils, als bis etwa 3 Uhr auf der Strecke Nenndorf- Beckedorf und 3 ½ Uhr auf der Strecke Beckedorf – Sachsenhagen für allen Fuhrwerksverkehr gesperrt,           Der Königliche Landrat

Gez. Ditfurth

Neustadt a. Rbge, den 16. Juni 1913

Der Königliche Landrat

v. Woyna

(Anmerkung: Ditfurth war Landrat des Kreises Rinteln, die Veröffentlichung mit dem Neustädter Landrat v Woyna in der Leinezeitung erfolgte gemeinsam)

Die  Durchfahrt des von Rehburg kommenden Kaisers durch das Kreisgebiet wurde minutiös geplant. Es wurde genau vorgegeben, wann, wo, wie sich die Bevölkerung am Straßenrand aufzustellen hatte. Dabei war „ungewiss, ob eine Majestät überhaupt zu halten oder gar auszusteigen geruht“.

 

Anweisungen  des Landrats von Woyna

Anweisungen  des Landrats von Woyna

In Schneeren hielt man sich besonders  an die Vorgaben des Landrats, wie die Leinezeitung am 21. Juni berichtet:

Leinezeitung vom 21.Juni 1913

Leinezeitung vom 21.Juni 1913

Man kann vermuten, dass ein Aufenthalt am Funkenturm nach dem Terminplan wohl gar nicht vorgesehen war.

Zu der offiziellen telegraphischen Verbindung mit Amerika durch den Kaiser ist es an diesem Tage nicht gekommen. Auf seiner Fahrt von Loccum und Rehburg nach Hannover fuhr er am Funkenturm vorbei, zur großen Enttäuschung tausender Einwohner der Stadt, die  auf Anordnung des Landrates die Straßen säumten.

Die Leinezeitung kommentiert das so:

Neustadt a. R., 21 Juni. Nun ist er vorüber, der erste Kaisertag im Leben unseres Kreises: es ging wie im Fluge, und sicher allen viel zu schnell, zumal denen die sich am Telefunkenturm aufgestellt hatten! Viele Tausende standen da und hofften zuversichtlich,  dass der Kaiser aussteigen oder wenigstens anhalten würde; aber nichts von alledem: langsam und sicher rollte das kaiserliche Automobil vorüber, und Aller bemächtigte sich große Enttäuschung.

Kinder am Strassenrand beim Durchzug von Kaiser Wilhelm II

Kinder am Strassenrand beim Durchzug von Kaiser Wilhelm II

Der Anlass für diese historische Aufnahme ist nicht überliefert. So könnte die Aufstellung von Schulkindern anlässlich der Kaiserdurchfahrt ausgesehen haben. (der Bollerwagen scheint da etwas deplaziert)

Postkarte „Durchfahrt Sr. Majestät“ (Foto: Emil Köster)

Postkarte „Durchfahrt Sr. Majestät“ (Foto: Emil Köster)

Die Bevölkerung durfte dem Kaiser auf seiner Durchfahrt durch Neustadt zujubeln. Das Automobil- eine Marke ließ sich nicht feststellen,- war offen ohne Verdeck, die Motorhaube blank gewienert. Der Kaiser saß auf der Rückbank, mit einer Pickelhaube bekleidet und grüßte offensichtlich ganz entspannt. Wie sich das angekündigte schlechte Regenwetter bemerkbar machte, ist nicht ersichtlich.

Unsere kleine Stadt hatte ein prächtiges Feierkleid angelegt: aus allen Häusern flatterten die Fahnen; Laubgewinde und Ehrenpforten schmückten die mit Blumen bestreuten Straßen, und eine festlich gekleidete Menge säumten den Nienburger Weg und die Marktstraße . Nicht enden wollende Hoch= und Heil= und Hurrarufe ertönten als das kaiserliche Gefährt sich näherte und – diesmal ganz langsam-  die Stadt durchfuhr, Der Kaiser sah sehr frisch aus und dankte fröhlich nach allen Seiten…

Der Kaiser ließ offenbar doch noch einmal halten. Die Leinezeitung berichtet am 23.Juni:

Eine Großnichte der Frau Major Kahle, der Enkelin unseres großen Scharnhorst in Bordenau, überreichte am Freitagnachmittag dem Kaiser in der Nähe unseres Rathause einen prächtigen Rosenstrauß Der Kleinen- Julia Kunze ist ihr Name- wird in diesen Tagen vom Hofamt in Berlin eine goldene Brosche mit Namenszug als Geschenk des Kaisers zugehen“.

Dann ging es doch schnell und ohne weiteren Aufenthalt über Frielingen, Meyenfeld, Kastendamm nach Hannover zurück, in des Kaisers „treue Haupt- und Residenzstadt.“

Am nächsten Morgen fuhr der Kaiser nach einer Besichtigung der Königs- Ulanen über Celle und Lüneburg nach Hamburg.

 

Reiseweg des Kaisers am 20. Juni 1913 (Planskizze Dyck)

Reiseweg des Kaisers am 20. Juni 1913 (Planskizze Dyck)

Der Kaiser hätte die Anlage noch gar nicht in Betrieb nehmen können. Erst  später, am 14. Oktober 1913, funkte die Radiogroßstation Eilvese die ersten Telegramme an die Gegenstation Tuckerton in Amerika, Es handelte sich in der Folge hauptsächlich um Telegramme mit Pressesachen, die aus einer kleineren Station in Berlin zur Weiterbeförderung übersandt wurden. Dagegen übermittelte die in Nauen  bei Berlin bereits bestehende Großfunkstelle mit anderer Technik hauptsächlich private Telegramme.

Ein Ärgernis gab es trotz aller feierlichen Stimmung dennoch: Die hannoversche Niederlage gegen die Preußen und die Annexion Hannovers war nie ganz verwunden. So kam hier der welfisch – preußische Gegensatz noch einmal zur Vorschein. Der Neustädter Bürger Hasselbring fand – als alter Welfe- den Besuch des Kaisers überflüssig. Vorsichtshalber wurde er während der fraglichen Zeit, die der Kaiser evtl. in der Stadt verbringen würde, in Arrest in der Alten Wache verbracht.

Die welfischen Farben sind und waren gelb- weiß, die preußisch- kaiserlichen dagegen schwarz – weiß.  Der Kaiser soll sich aufgeregt haben, als er doch auch einige welfische Farben flattern sah.

1914

Ein Jahr später, fast auf den Tag genau, am 19. Juni 1914. wiederholte sich die Prozedur. Das Wetter versprach schön zu werden, die Temperaturen lagen bei 15 bis 20Grad C, der Juni war mit im  Mittel 50 mm Niederschlag eher trocken. Es war „Kaiserwetter“  zu erwarten.

Der Kaiser hatte Berlin gegen Mitternacht im kaiserlichen Sonderzuge verlassen und traf 17 Minuten vor 8 Uhr auf dem hannoverschen Bahnhof ein. Nach seiner Ankunft fuhr er vom Bahnhof aus durch die Bahnhofstraße, Karmarschstrasse, Grupenstrasse und Leinstrasse zum Schloss (dem heutigen Landtag). Nach einer Besichtigung der Landwirtschaftlichen Ausstellung und einem Frühstück beim Kommandierenden General ging es ab 3 Uhr (15 Uhr) nach Eilvese zur Besichtigung des Funkenturms. Für den nächsten Tag war die Weiterreise nach Hamburg geplant.

Wiederum wurde man im Landkreis Neustadt aktiv:  die Chaussee von Hannover bis zum Aschenkrug bei  Eilvese wurde für alle Fuhrwerke und Kraftwagen  gesperrt. Wiederum mussten die Anlieger der Chaussee ihre Hunde bis nach der Durchfahrt einsperren. („festzulegen“)

 

Anmerkung von Stockhausen, Bürgermeister der Stadt Neustadt am Rübenberge

Anmerkung von Stockhausen, Bürgermeister der Stadt Neustadt am Rübenberge

 

Leinezeitung vom 17. Juni 1914 – Ausschnitt. Die Anordnung endete mit dem Wunsch nach reger Beteiligung und prächtigem Kaiserwetter

Leinezeitung vom 17. Juni 1914 – Ausschnitt. Die Anordnung endete mit dem Wunsch nach reger Beteiligung und prächtigem Kaiserwetter

Amtliche Bekanntgebung

Amtliche Bekanntmachung zur Schmücken der Häuser mit Flaggen

Amtliche Bekanntmachung zur Schmücken der Häuser mit Flaggen

Der Magistrat der Stadt stellte schmückendes Grün zur Verfügung, die Kinder taten ein Übriges, sie hatten Kornblumen gesammelt und winkten mit ihren Kornblumensträuschen, als die Kolonne aus vier kaiserlichen Automobilen vorbeirollte.

 

Zur Feier des Tages wurde ein Sonderzug von Hannover nach Eilvese eingerichtet (Anzeige Eilvese 19.Juni)

Zur Feier des Tages wurde ein Sonderzug von Hannover nach Eilvese eingerichtet (Anzeige Eilvese 19.Juni)

 

 

Am 20. Juni 1914 würdigte  die Leinezeitung das Ereignis:

„In nicht zu schneller Fahrt ging es unter nicht enden wollenden Hochrufen der Großen und Kleinen durch die festlich geschmückten Dörfer unseres Kreises und mit Fahnen, Laubgebinden, Blumen und Kränzen grüßende Kreisstadt (Neustadt a. Rbge) zum Telefunkenturm, wo das Kaiserliche Automobil um 3.30 Uhr nachmittags eintraf“

Im Hannoverschen Courier  wird berichtet:

Während der Fahrt des Kaisers war die Chaussee eingesäumt von erwartungsfrohen Leuten die den Herrscher mit Hochrufen begrüßten, wofür dieser unaufhörlich freundlich nach allen Seiten grüßend dankte. Die Schulkinder im Festtagsgewand, besonders die kleinen Mädchen in ihren weißen Kleidern und mit Kornblumenkränzen im Haare, die Mitglieder der Schützenvereine und freiwilligen Feuerwehren im ihren Uniformen. Kriegervereinsmitglieder und Turner, die teils in den einzelnen Ortschaften, teils in Eilvese Aufstellung genommen hatten boten ein buntes und farbenfrohes Bild.  Um 3.20 Uhr passierten die kaiserlichen Automobile  Neustadt und hielten wenige Minuten später vor der Telefunkenstation zum Funkenturm, wo das kaiserliche Automobil um 3.30 Uhr eintraf.

Die Gemeinde Eilvese hatte für 12 Mark eine sogenannte Ehrenpforte an der Auffahrt zum Gelände errichten lassen. Dem hohen Gast überreichte Fräulein Dewitz von Woyna einen Rosenstrauß. „Der Kaiser nahm die sinnige Gabe mit huldvollem Dank entgegen und fragte, ob die Rosen im Kreis Neustadt gewachsen seien, was bejaht wurde (…). (Hannoverscher Courier 20.6.1914)

Die  Großfunkanlage war eigentlich bereits am 27. Januar 1914 in Regel-Betrieb gegangen und im Auftrag des Kaisers wurde damals ein Telegramm an den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gesendet. Mit dem heutigen Tage gab der Kaiser nun der Großfunkanlage  die Ehre und weihte sie mit einem persönlichen Grußtelegramm über den Sender Eilvese an den US.- Präsidenten Woodrow Wilson ein. Er ließ nach Tuckerton folgendes Telegramm auf Englisch absetzen:

(Als Enkel der englische Königin Viktoria beherrschte er die englische Sprache natürlich hervorragend)

To President Woodrow Wilson Washington

During my visit to Eilvese Station, i received your kind message. I thank you for your congratulations fort the opening of the wireless comminication between Germany + Amerika. I too consider it as an additional link, which will bind our two countries in mutual friendship+ closer intercourse.   William I.R.

An Präsident Woodrow Wilson Washington. Während meines Besuches der Station Eilvese erhielt ich Ihre freundliche Botschaft. Ich danke Ihnen für Ihre Grüße und erwidere Ihre Glückwünsche zur Eröffnung der drahtlosen Verbindung zwischen Deutschland und Amerika. Auch ich betrachte sie als ein weiteres Bindeglied, da  unsere beiden Länder zu gegenseitiger Freundschaft und engerem Verkehr zusammenschließen wird  Wilhelm I. R.

 

Spalier am Funkenturm in Eilvese/Neustadt am Rübenberge (Foto Archiv Region Hannover)

Spalier am Funkenturm in Eilvese/Neustadt am Rübenberge (Foto Archiv Region Hannover)

Der Kaiser am Telefunkenturm in Eilvese

Der Kaiser am Telefunkenturm in Eilvese

Der Neustädter Fotomeister Emil Köster hatte alle Hände voll zu tun und schob Platte für Platte in den Stand- Fotoapparat. Nur ein weiterer Kollege aus Berlin hatte mit ihm die Genehmigung erhalten, den Besuch des Kaisers zu fotografieren. Doch der hatte Pech mit seinen Aufnahmen, Köster konnte seine Bilder konkurrenzlos in alle Welt verkaufen. Die führende Berliner Illustrierte zahlte ihm damals fürstliche 60 Goldmark, das Foto zierte dann die Titelseite des Blattes.

Kaiser Wilhelm der Zweite 1914 am Funkenturm in Eilvese/Neustadt am Rübenberge in Begleitung weiterer Personen

Kaiser Wilhelm der Zweite 1914 am Funkenturm in Eilvese/Neustadt am Rübenberge in Begleitung weiterer Personen

Der Kaiser blieb immerhin 75 Minuten auf dem Funkturmgelände. Nach einer Teepause und Stärkung im Zelt am Funkturm fuhren die Gäste unter den „stürmischen Jubelrufen von vielen tausenden treuen Landeskindern“ zurück nach Hannover. (LZ 23.6.1914) Da Hin- und Rückweg identisch waren, mussten die Schulen und Vereine ihre Plätze die ganze Zeit bis zur Rückfahrt beibehalten.

Nur wenige Tage später verübte in Sarajewo ein bosnischer Nationalist ein tödliches Attentat auf den österreichisch- ungarischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand. Das war der Auftakt zum ersten Weltkrieg. Daher unterstand von August 1914 bis 1918 die Funkstation dem Militär, 1917 wurde der Funkverkehr mit den USA abgebrochen. Nur 15 Jahre nach der offiziellen Inbetriebnahme durch den Monarchen wurde die Anlage 1929 stillgelegt. Am 7. August 1931 begann der Abriss.  Ein Meisterwerk der Nachrichtenüber- -tragung und Symbol technischen Fortschritts, das sogar einen Kaiserbesuch wert war, ging so zu Ende.

Weitere Details zum Funkenturm, der Technologie und dem Kaiserbesuch finden sie hier:

Der Telefunkenturm in Eilvese 1913 bis 1931: Einst das höchste Bauwerk Deutschlands

(HD – Mai 2017)

Quellen und Literatur

Der umfassendste Bericht zum Funkenturm  ist von Roswita Kattmann, aus dem hier einige Passagen zitiert wurden.

Wenn Sie mehr über den Funkenturm erfahren möchten, verweisen wir auf folgende Literatur:

  • 2011 Roswita Kattmann , Riesen im Moor
  • Umfangreiches und informatives Begleitheft zur Ausstellung die 2011 im Schloss Neustadt a. Rbge. gezeigt wurde, erhältlich im Archiv der Region Hannover, Schlossstraße 1 31535 Neustadt a. Rbge.
  • Archiv der Region Hannover, Neustadt a. R.
  • Leinezeitung1913 und 1914
  • Die Harke, Nienburg 1913 und 1914
  • Dietrich Redeker , Das alte Neustadt in heiteren Bildern (Ohne Jahrgangsangabe)
  • 1971:  Wolfgang Schröder im Ausstellungskatalog zur 2. Briefmarkenausstellung des  Philetalisten – Clubs Neustadt e. V.
  • 1974 Herbert Wenn  in Heimatchronik des Kreises Neustadt a. Rbge
  • 1984  Armin Mandel,  das Buch aus dem Neustädter Land
  • 2006 Hubert Kellner in „Der Kaiser fährt durch Neustadt“
  • Sonderausstellung 21.5 – 20.8.2006 Im Museum Zur Stadtgeschichte in NRÜ
  • 2008 Walter Nordmeyer und Florian Düe, Chronik Eilvese (ohne ISBN Angabe) mit umfangreichen Beitrag zum Funkenturm
  • Chronik- Verlag Harenberg Jahrgänge 1913 u. 1914

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