Wohnungsbau in Neustadt vor 1948

Bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges war das Stadtbild im Wesentlichen noch dasselbe wie bis zur Jahrhundertwende. Außerhalb der historischen Altstadt sind auf Landwehr und Liebfrauenkamp eine ganze Reihe Häuser schon während der Hüttenzeit gebaut worden. Im Norden endete die Stadt mit dem Villengürtel an der Theodor- Heuss- Straße, (vormals Goosenstraße, dann Gartenstraße, Adolf- Hitler- Straße und Scharnhorststraße)

Stadtplan 1951:Der Stadtplan von 1951 zeigt noch die in sich geschlossene Altstadt, in den Randbereichen ist Einzelhaus- Bebauung mit vielen Baulücken erkennbar

Stadtplan 1951:Der Stadtplan von 1951 zeigt noch die in sich geschlossene Altstadt, in den Randbereichen ist Einzelhaus- Bebauung mit vielen Baulücken erkennbar

Südlicher als die Amtsgartenspitze lag das etwa 3 Kilometer entfernte Hachland mit einem Dutzend neuer Siedlungshäuschen.

Häuserreihe Wunstorfer Str (Foto Dyck Jan 2019)

Häuserreihe Wunstorfer Str. Bereits vor dem Weltkrieg entstand diese Häuserreihe an der Wunstorfer Straße im Hachland (Foto Dyck Jan 2019)

Nach dem Ersten Weltkrieg, um 1920,  war die Lindensiedlung zwischen Lindenstraße und Wunstorfer Straße entstanden. Damals wurden 16 Doppelhäuser für 32 Familien in einer ungewöhnlichen Bauweise aus Stampfbeton gebaut.
Sie  entstanden zur Beseitigung der dringendsten Wohnungsnot, die sich durch die Zuwanderung vieler Familien aus den an Polen verlorenen Ostprovinzen (Posen und Westpreußen) angestaut hatte. Sie  waren für eine Lebensdauer von 25 Jahren konzipiert, jetzt nach 25 Jahren, 1945, war man froh über jeden verfügbaren
Wohnraum.  20 Jahre später ab 1965 wurden 13 der Doppelhäuser abgerissen und machten Platz für die Blöcke des Bauvereins an der Marschstraße und Neuen Straße. An der Wunstorfer Straße konnten die Bauten der Anwaltspraxis Zichäus- Kettner entstehen.

 

Doppelhaus in der Lindensiedlung (Foto Dyck)

Doppelhaus in der Lindensiedlung (Foto Dyck)

An das geschlossene Stadtgebiet reihten sich an den Ausfallstraßen, mehr oder weniger dicht bebaut, weitere Häuser an. Sie reichten an der Wunstorfer Straße bis an Moordorf (jetzt Poggenhagen)und an der Bremer Straße bis fast nach Himmelreich, sie ziehen sich an der Leinstraße hin, an der Suttorfer Straße bis zum Lecinwerk und an der Hannoverschen Straße bis zum Dammkrug. (Klages  s. 171)

Seit 1925 wirkte die Tätigkeit des Gemeinnützigen Bauvereins.

Amtsblatt 1946 Abschrift

Amtsblatt 1946 Abschrift

 

Amtsblatt 1949 Bauabnahmen

Amtsblatt 1949 Bauabnahmen

Bereits 1946 weisen die Britischen Behörden darauf hin dass bei genehmigten Bauarbeiten Baufreigabeschilder anzubringen seien. Um welche Bauwerke es sich hier handeln könnte, ist nicht ersichtlich. Denn erst ab 1949 setzte nennenswerte Bautätigkeit ein, bei denen die behördlichen Auflagen einzuhalten waren.

Während des Zweiten Weltkrieges ruhte die Bautätigkeit. Auch in den unmittelbaren Nachkriegsjahren war Bauen kaum möglich, weil die Besatzungsmacht das Baumaterial als Reparationsgut beschlagnahmt hatte. Nur in ganz wenigen Fällen erfolgte eine Baufreigabe.(Klages S 170)

Wohnungsbau nach dem zweiten Weltkrieg

Schon vor dem Ende des zweiten Weltkriegesbegann in Neustadt Wohnraum knapp zu werden. Zunächst waren es Ausgebombte, zumeist aus Hannover und anderen bombengeschädigten, hauptsächlich rheinischen Großstädten, die hier untergebracht werden mussten. Dazu kamen tausende Flüchtlinge und Vertriebene, die in ganzen Kontingenten nach Neustadt zur Unterbringung verschoben wurden. Die Möglichkeiten dafür richteten sich zunächst auf die vorhandene Raumsubstanz.

Dazu zählten vorhandene Baracken, insbesondere die des ehemaligen Lagers des Reichsarbeitsdienstes (RAD-Baracken) an der Feldstraße, (heutige Hanns- Böckler- Straße), im damaligen Ortsteil GroßMoor und viele weitere Baracken und Behelfsheime. Eine Definition des Begriffes „Baracke“ finden wir bei Wikipedia.

 

Baracken (Foto ARH Sammlung Niffka)

Baracken (Foto ARH Sammlung Niffka)

Da nach 1945 viele Häuser in der Stadt, darunter die ganze Landwehr, von der Besatzungsmacht beschlagnahmt wurden, galt es einige hundert Einwohner anderweitig unterzubringen. Hinzu kamen die vielen Flüchtlinge, die eine Erhöhung der Einwohnerzahl von 4.000 auf fast 8.000 mit sich brachte.1949 sollte der große Saal im Gemeindehaus, Marktstraße 35 im I. Stock für Massenquartiere  beschlagnahmt werden.Auch der Saal der Bürgerhalle diente eine Zeit lang als Auffangstelle für Evakuierte und Flüchtlinge (Klages 1950 S 170, 209) Selbst 1950 sollte auf Veranlassung der Besatzungsmacht der Frau Könnecke die Wohnung des Hauses Saarstraße 3 beschlagnahmt werden. Die Wohnung sollte von einem englischen Offizier bewohnt werden.

Wohnraumbeschaffung wurde ein drängendes Problem. Neuer, zusätzlicher Wohnraum musste her. Bis 1948 zur Währungsreform war es praktisch fast unmöglich, an Baumaterial zu kommen. Erst nach der Währungsreform am 21. Juni 1948 änderte sich das. Ganz  langsam setzte die Bautätigkeit wieder ein. Wobei es sich vorwiegend um Sozialen Wohnungsbau handelte, d.h. um Bauten, die mit staatlichen Mitteln finanziert wurden, aber auch private Initiativen waren von Bedeutung.

Auch die Infrastruktur kam anfangs zögerlich in Gang. Für den  Neu- und Ausbau von Straßen waren 1951 lediglich 15.900 DM verfügbar, 1952 nur 22.650 DM, erst 1960 wurden 120.000 DM verausgabt. Ähnlich verhielt es sich mit den Aufwendungen für die öffentlichen Einrichtungen wie Kanalisation einschl. Kläranlage und Straßenbeleuchtung.  Dafür wurden 1952 27.800 DM ausgegeben deutlich mehr war es erst 1958 mit 140.800 DM und 1959 mit 854.500 DM. 51 Straßen mit 16. 250 m Länge waren bis 1960 nicht ausgebaut, sondern nur behelfsmäßig befestigt. Die Stadt rechnete aber auch mit Anliegerbeiträgen von etwa 60 %. oder sie überließ die Kosten überhaupt den Bauträgern.

Kommunale Projekte

Die Sorge um die Bereitstellung  von Wohnungen  war zunächst Sache der öffentlichen Hand.

Das anfängliche Augenmerk richtete sich auf die Flächen zwischen Theodor- Heuss- Straße, (damals noch Scharnhorststraße) Leinstraße und der parallel zur Eisenbahn verlaufenden Gerhard- Hauptmann- Straße. Dieses große Wohngebiet im Norden der Stadt trug nach der Gemarkungsbezeichnung den Namen Klagesäcker. Es wurde in den Ratsgremien schon 1949 behandelt und zum Aufbaugebiet erklärt.

Auf Vorschlag der planenden „Arbeitsgemeinschaft Für Ortsgestaltung“ mit Sitz in Hannover – im Folgenden kurz AFO genannt- in 1950 sollten  3 übersichtliche Abschnitte für eine Besiedlung freigehalten werden. Das Teilgebiet I umfasste das „Klagesäcker“ genannte Areal nördlich der heutigen Theodor- Heuss- Straße , das Teilgebiet II Flächen westlich der Nienburger und nördlich der Landwehr, Teil III sollte südlich der Landwehr, westlich der Eisenbahn und nördlich der Siemensstraße bis zum Hüttengelände für Aufbauzwecke gesichert werden. Die AFO war für fast alle städtebaulichen Planungen in Neustadt tätig.

Die meisten Grundstücke musste die Stadt erst noch erwerben, die Landwirte legten dabei Wert auf Tauschland.

1950 /51 Bebauungsplan Klagesäcker

1950 /51 Bebauungsplan Klagesäcker

 

Stadtplan 1974 Klagesäcker

gebaut:1950/ 51 (Stadtplan 1974)

Die Bautätigkeit fand schon 1949 den Anfang, als die Stadt an der Goethestraßevier dreigeschossige Wohnblöcke mit 46 (Winkel)Wohnungen errichten ließ (lt Klages 52). Dabei handelt es sich zumeist um eine Mischung von 1, 2, und 3- Zimmerwohnungen und Einzelzimmern, diese im Dachgeschoss
Bereits im April 1950 konnte der Bauausschuss die Vergabe von Öfen, Badewannen Thermen u.ä. an die Stadtwerke beschließen.

Weiterhin konnte im Januar 1950 die Vergabe von Maurerarbeiten an der Goethestraße an Viktor Sichma verhandelt werden. Später im Dezember 1953 stellte die Firma Sichma einen Antrag auf Überlassung eines weiteren Bauplatzes für die Errichtung eines Wohnhauses mit 18 Wohnungen. GemäßRatsprotokoll vom 10.12. 1953heißt es aber: „Einstimmig wurde beschlossen, an der Goethestraße ein Grundstück für 18 Wohnungen zu verkaufen, wobei jedoch nicht die Verpflichtung für einen bestimmten Käufer verbunden ist. Wohl ist dem Architekten Sichma der Vorrang einzuräumen.“ Firma Sichma als neu zugewandertes Unternehmen hatte es wohl anfänglich nicht leicht an dem beginnenden Bauboom teilzuhaben.
Zu den repräsentativen  Bauwerken in diesem Viertel gehörte auch der Neubau der Allgemeinen Orts-und Krankenkassen von 1949.

Postkarte: Die ersten 4 Wohnblöcke an  Goethestraße

Postkarte: Die ersten 4 Wohnblöcke an  Goethestraße

Doppelhäuser Schillerstraße: Für die Barackenbewohner von GroßMoor und Kriegsbeschädigte entstanden an der Schillerstraße Doppelhäuser. Damit nahm die „neue Stadt“ nördlich der Theodor- Heuss- Straße Gestalt an

Doppelhäuser Schillerstraße: Für die Barackenbewohner von GroßMoor und Kriegsbeschädigte entstanden an der Schillerstraße Doppelhäuser. Damit nahm die „neue Stadt“ nördlich der Theodor- Heuss- Straße Gestalt an

Postkarte: Luftbild der Baugebiete

Postkarte: Luftbild der Baugebiete

Auf der Postkarte ist das Baugebiet zwischen Bahn und Leinstraße nach 1961 zu sehen. Neben den Mehrfamilienhäusern sind auch die neue Berufsschule, die zweite Volksschule und die Landwirtschaftsschule abgebildet. Noch gab es erhebliche Baulücken, die in den folgenden Jahren geschlossen wurden.

Innerhalb des „Klagesäcker- Gebiets liegen die schon früh erwähnte Schillerstraße, andere kamen später hinzu. 1949 interessiert sich der „Reichsbund der Kriegs- und Zivilbeschädigten für Baugelände 8 eingeschossigen Häusern mit Ausbau des Dachgeschosses als 2. Wohnung.1950 wurde dem „Bund der Hirngeschädigten“ auf den Klagesäckern ein Grundstück zum Bau von 2 4- Familienhäusern zum Preis von 1,50 DM angeboten. Im Ratsprotokoll vom 02.03.1951 wurde vorgesehen, dass derBund der Hirnverletzten hier ein  vorgesehenes Gelände für 5 Häuser mit insgesamt 20 Wohnungen erhalten soll. Es waren aber Bedingungen zu erfüllen: Der Verkaufspreis sollte 1,25 DM pro qm betragen. Der Verkauf sollte nur auf Erbbau für die Dauer von 10 Jahren erfolgen, die Erschließungskosten waren zu verrenten. Am 14,4,1953 wurden von der Stadt weitere Grundstücke für “Wohnungsbau Kriegsbeschädigte“ vergeben.

Verdienste hatte auch der 1925 gegründete Gemeinnützige Bauverein.Er erklärt schon 1950 die Absicht, 8 Wohnblöke zu je 12 Wohnungen zu bauen. Dem hierzu von der „Arbeitsgemeinschaft für Ortsgestaltung“ erarbeiteten Grundplan stimmte der Bauausschuss im Februar 1950 zu.
1952 beantragte er den Erwerb eines Grundstücks an der Schillerstraßefür ein 5-Familien-Haus. Die Stadt verkauft 1298 qm für 2,60 DM. Der Wunsch des Gemeinnützigen Bauvereins nach einem Bauplatz „Am Kleinen Tösel“  für 6 Häuser mit 24 Wohnungen wurde zunächst abschlägig beschieden, da die Stadt keine Mittel  für den Ausbau einer Straße aufbringen konnte. Statt dessen wurde auf den „Klagesäcker“ verwiesen, um dort Baulücken zu schließen.

Er blieb auch weiterhin rührig und erlangte am 22.7.1952 die Genehmigung für 3 Doppelhäuser an der Nienburger Straße mit der Auflage für die Kosten für Straßenbau Kanalisation und Versorgungsleitungen aufzukommen.

Bauverein

Seit dem Kriegsende bis um 1965 hat der Bauverein um 500 Wohnungen errichtet. Die Baumaßnahmen zusammen ermöglichten das Barackenräumprogramm. Mit der Errichtung neuer Wohnungen konnten die unansehnlichen Wohnbarackenlager an der Hans- Böckler- Straße (früher RAD- Lager Feldstraße) Im Kühlen Grunde, Am Ahnsförth, der Königsberger Straße usw. verschwinden. So meldet die Leinezeitung am 05.09. 1960 „Zwei Baracken können geräumt werden. da einige vom Gemeinnützigen Bauverein errichteten Wohnhäuser bezugsfertig sind“

1953 beantragte auch die Firma Schlüterdie „Käufliche Überlassung“ eines Grundstückes an der Schillerstraße für 2.50 DM „zu den üblichen Bedingungen“. Gegen den Neubau eines sechs – Familienhauses an der Schillerstraße durch Fa Schlüter hatte der Bauausschuss keine Bedenken.

Noch wurde  1953 Ackerland von den Landwirten Rust und Kallmeyer bewirtschaftet, die Stadt kündigte vorsorglich die Pachtverträge.
Überhaupt war die Beschaffung und Bereitstellung von Wohnraum eines der immer wiederkehrenden großen Themen der Ratsgremien. In der Ratssitzung vom 17.März 1950 gab es eine Entschließung für die Durchführung einer Sonderaktion im sozialen Wohnungsbau, Bauträger sollte die Stadt sein, da ging es um die Vorplanung für 100 Wohneinheiten. Im April 1950 war dann nur noch die Rede von 50 Wohnungseinheiten, wobei ein 3- geschossiges und vier 2-geschossige Häuser geplant waren.

Im Ratsprotokoll vom 16.08.1951 wird über das Projekt „150 Wohnungen“ diskutiert.Um welches Projekt es sich genau handelt, geht aus dem Protokoll nicht hervor. Zeichnungen seien bereits vorhanden, Es bedurfte wohl noch der Abstimmungs- und Genehmigungsverfahren mit dem Ministerium, um die Sache zu beschleunigen.

Drei weitere Wohnblocks waren zur Zeit der Chronikniederschrift von Klages 1950 „Am Kleinen Tösel“im Entstehen begriffen, die weitere 40 Wohnungen bringen sollten.(Klages S. 171) Hier war aber auch eine „gemischte Bebauung“ zugelassen.

1955: Bebauungsplan Kleiner Tösel

1955: Bebauungsplan Kleiner Tösel

 

1974: Stadtplan Kleiner Tösel

1955 gebaut: Stadtplan Kleiner Tösel (Stadtplan 1974)

Nicht immer wurden die Bebauungspläne plangenau umgesetzt. Die Bauträger hatten vielleicht andere Vorstellungen umzusetzen. Hier ist in der Planung der AFO dieSchultze- Delitzsch- Straßenoch nicht vorgesehen. Diesen Namen hatte schon frühzeitig  der Bauverein im Oktober 1954 vorgeschlagen.

 

Kleiner Tösel: Typische Bebauung der 1950 er Jahre (Foto Dyck Januar 2019)

Kleiner Tösel: Typische Bebauung der 1950 er Jahre (Foto Dyck Januar 2019)

Die freien Lücken westlich der Nienburger Straße wurden nach und nach geschlossen. Die Verfügbarkeit von zumeist landwirtschaftlich genutzten Flächen spielte eine große Rolle. Dazu gehörten das Gebiet südlich und nördlich Allensteiner Weg, um die Stettiner Straße und westlich der Straße Am Kuhlager. !955 hatte Heinrich Heuer einige Grundstücke an der Seidenberger Straßeverkauft und erwartete nun die käufliche Übernahme des Straßenlandes durch die Stadt. Diese lehnt den Erwerb jedoch ab und bestand auf einer kosten- und lastenfreien Übereignung.

Ein weiteres großes geschlossenes Baugebiet entstand seit 1961/62 östlich der Leine zwischen Wiesenstraße,Mecklenhorster Straße und der seit 1961 vorhandenen Umgehungsstraße unter der Regie der „Neuen Heimat“. Bis Ende 1965 waren etwa 230 Wohnungen bezogen, weitere  wurden erbaut. (Winkel)

Gartenstraße 1960 (Aus Winkel, Foto Mellin)

Gartenstraße 1960: Neu bezogene Häuser an der Gartenstraße 1960 (Aus Winkel, Foto Mellin)

Bebauungsgebiet Wiesenstraße Stadtplan

Bebauungsgebiet Wiesenstraße (Stadtplan ´74)

 

Siedlung Gartenstraße (Foto: Dyck)

Siedlung Gartenstraße (Foto: Dyck)

 

Die „Neue Heimat“ war ein gewerkschaftsnaher Betrieb, darum wurden die Wohnungen bevorzugt mit Gewerkschaftsmitgliedern belegt.

Die Leinezeitung berichtet am 10.01. 1961: „Langsam aber beharrlich hat die Stadt jedoch den Kampf gegen die Baracken aufgenommen. 3 Häuser werden für  Barackenbewohner bald in der Schultze – Delitzsch- Straße, der Breslauer Straße und im Ahnsförth mit je 8 Wohnungen bezugsfertig sein.

1974: Stadtplan Kleiner Tösel

1974: Stadtplan Breslauer Straße

 

Vorher schon stieß die Umsetzung des Plans an der Schultze- Delitzsch- Straße noch auf Schwierigkeiten:  am 1.3.1955 fasste der Neustädter Ortsrat den Beschluss, den Bunker an der Landwehr, Eingang Schulze- Delitzsch- Straßesprengen zu lassen. Er war, entsprechend den seinerzeitigen Bauvorschriften zur Hälfte in der Erde, zur Hälfte oberirdisch angelegt worden. Man ging für die Beseitigung von immerhin 106 Sprenglöchern mit 25 cm Tiefe aus.
Das „Neustädter Kreisblatt“ berichtet am 1.7.1955:
„ Der Bunker im Gelände an der Landwehr, wo als Parallelstraße zum „Kleinen Tösel“ die neue Schulze- Delitzsch- Straßeangelegt werden soll, wird stehenbleiben. Die Straße wird an dem Bunker vorbeigeführt. Der Bauverein wird in Kürze mit der Durchführung seines von uns schon angekündigten Neuprogramms beginnen.“

Private Initiativen

Einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der Wohnraumbildung nahmen aber auch private Initiativen ein. Nach zögerlichen Anfängen1947 häufen sich ab 1950 die Anzahl der von der Stadt genehmigten Bebauungspläne und der Bau von Eigenheimen. In den Ratsprotokollen jener Zeit nimmt das Wohnraumproblem bedeutenden Raum ein.

Eine der ersten Initiativen ergriffen 1948 die Stadtväter, indem sie mit Hilfe von Spenden und einer Lotterie ein kleines Wohnhaus „Über der Linde“,  damals „Haus der Väter“ genannt, zum Teil in Eigenbau errichteten und als ersten Preis einer Wohnhaus- Lotterie zur Verfügung stellten. Tatsächlich wurde es vermietet, dabei bestand noch 1950 nicht immer Einigung über die zu bevorzugenden Mieter. Es wurde zur Bedingung gestellt, dass in kürzester Zeit eine ordnungsgemäße Waschküche auf eigene Kosten herzurichten war. Der Mietpreis sollte 1950 30 DM betragen.

Auch in privaten Gärten in den Randlagen der Stadt konnten Jahren Eigenheime errichtet werden. Da der Grund und Boden kostenfrei zur Verfügung stand, konnte z. B. an der Leutnantswiese und in der Apfelallee in den frühen 1950er Einfamilienhäuser entstehen.

Klages verweist 1950 auf das Siedlungsgebiet „Über der Linde“ „woselbst 20 Häuser entstehen, die vielfach bei gegenseitiger Hilfeleistung errichtet werden konnten“. Die Ortssatzung nebst Teilbebauungsplan, aufgestellt durch die AFO  wurde im Januar 1950 genehmigt. Im Februar 1949 wurden 14 Bauplätze vergeben, 4 weitere Interessenten mussten zurückstehen, da erst nur 14 Bauplätze verfügbar waren, vermutlich nur auf einer Straßenseite?  Die Erwerber hatten eine Frist des Baubeginns zum 1.6.1949 unbedingt einzuhalten.  Im Dezember 1949 wurden –vermutlich weitere—11 Bauplätze vergeben mit der Auflage, mit dem Bau gleich Anfang 1950 zu beginnen und bis zum 1.10.1950 bezugsfertig zu stellen

1951: Stadtplan Über der Linde

1951: Stadtplan Über der Linde

 

Über der Linde: Die Bebauung ist schon ziemlich weit fortgeschritten

Über der Linde: Die Bebauung ist schon ziemlich weit fortgeschritten

1947 wurde ein Teilbebauungsplan Neustadt- Westkamperstellt, gelegen an der Landstraße I. Ordnung Neustadt- Poggenhagen

Im Hachland (Stadtplan 1974)

Im Hachland (Stadtplan 1974)Die Ausführung entsprach nicht immer den Bebauungsplänen.

Hildegart Reese geht in ihrer Dissertation von 1947 über Neustadt inhaltlich nicht weiter auf irgendwelche Bauentwicklung ein. Im Anhang ihrer Arbeit zeigt sie jedoch ein in den Kopien sehr schlecht wiedergegebenes SW-Foto die „Neue Siedlung (Landwehr)“.
Welches der im Westen der Stadt begonnenes Projekt sie meint, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls war es ihr bereits 1947 wichtig, in Form dieses kleinformatigen Fotos auf beginnenden Aufbau in der Stadt hinzuweisen.

Neue Siedlung (Landwehr)

Neue Siedlung (Landwehr)

Für Frau Reese 1947 ein Indiz für beginnenden Aufbau

Landwehr, etwa später

Landwehr, etwa später

1948:  TeilbebeuungsplanAm Barloh

1948:  Teilbebeuungsplan Am Barloh

 

Am Barloh im Stadtplan von 1974 

Am Barloh im Stadtplan von 1974

Die Torf- Hochseilbahn der Firma Dyckerhoff von Großmoor bis zum Werk in Poggenhagen führt noch durch das Plangebiet. Die Bahn wurde in den 50er Jahren stillgelegt.

Bebauungsplan Wunstorfer Str: Ein Bebauungsplan aus 1949 zwischen Wunstorfer Straße und Eisenbahn der wohl nicht umgesetzt wurde.

Bebauungsplan Wunstorfer Str: Ein Bebauungsplan aus 1949 zwischen Wunstorfer Straße und Eisenbahn der wohl nicht umgesetzt wurde.

1949: Teilbebauungsplan Strobach Platz

1949: Teilbebauungsplan Strobach Platz

Ernst- Strobach- Platz (Stadtplan 1951)

Ernst- Strobach- Platz (Stadtplan 1951)

1949 wurde der Bebauungsplan „10- Morgen- Platz“beschlossen und genehmigt. Namensgeber für die spätere Bezeichnung „Ernst Strobach Platz“war der Betriebsleiter der Firma Dyckerhoff. Firma Dyckerhoff war auch Initiator dieses Projektes, sie leistet auch die Vorfinanzierung. Hier sollten Mitarbeiter, die bisher in der Barackensiedlung GroßMoor wohnten, eine neue Bleibe finden. Gemäß Ratsprotokoll vom 25.11.1949 erklärte sich die Firma Dyckerhoff bereit, die Werkssiedlung mit 20 Häusern und 40 Wohnungen mit Wasser- Gas- und Eltleitungen zu versorgen. Der Verlegung der Wasserleitung wurde Vorrang eingeräumt, damit schon 12-14 Tage später mit den Bauarbeiten begonnen werden konnte. Der Kostenanschlag für die Verlegung betrug 9.500 DM, davon trug laut Vereinbarung die Firma Dyckerhoff die Hälfte der Kosten. 1952 wurde der Stadt das Straßengelände einschließlich der Kanalisation abgetreten. BA 22.2.52Erst 1954 gab Fa Dyckerhoff die Absicht bekannt, die Siedlungshäuser zu verkaufen. Die Firma schlug dem Rat auch die Übernahme der Wege durch die Stadt einschließlich der Pumpenanlage für die Abwasserbeseitigung vor. BA 20.10.1954

Zu dieser wesentlichen Verbesserung des Wohnraumangebots schildert die Leinezeitung am 6. April 1950:

Werkhäuser für 40 Familien
Die Bewohner von Großmoor können auf Besserung der Wohnverhältnisse hoffen. „Auf dem „Zehn- Morgen- Platz“ am Ende der Landwehr …..ist eine Siedlung der Fa Dyckerhoff im Entstehen begriffen. Mit diesen Bauten ist eine Möglichkeit geschaffen worden, um die Bewohner von Großmoor, die da draußen in untragbaren Verhältnissen wohnen, von ihrem „Barackendasein“ zu befreien. Die insgesamt 20 Häuser bieten Platz für 40 Familien […]“

Tatsächlich sind von den 51 Namen, die das Adressbuch von 1949 noch unter der Postadresse Großmoor anführt, etwa 15 Familien 1958 im Bereich Ernst Strobach- Platz, Im Bürgermoor, Hüttendamm wiederzufinden. Die Belegung von 10 Wohnungen hat sich die Stadt 1950 noch selbst vorbehalten, davon 5 in einem Erdgeschoß, 5 im Dachgeschoß und – nach Widrigkeiten- durchgeführt.

Am Empeder Weg, der verlängerten Leinstraße, wurde 1947  der Bau für 7 Einfamilienhäuser gestattet.

Ziegeleiberg Suttorfer Straße   Das Gelände nördlich des Ziegeleiberges war ursprünglich eine Ziegelei gewesen und daher noch in städtischen Besitz und verpachtet.  Im Februar 1947 machten sich Ratsherren auf, um hier über den Antrag auf Errichtung einer Mietwaschküche, einer Garage und eines Behelfsheimes zu befinden. Dem wurde wohl nicht entsprochen. Die eigentlich beabsichtigte Bebauung des Geländes wurde im April 1947 bis auf weiteres zurückgestellt, weil der Wirtschaftsplan eine Bebauung nicht vorsah und der Wirtschaftslenkungsausschuss Einspruch erhob. Dann 1950 wurde für den Ziegeleibergdoch ein Bebauungsplan aufgestellt. Bei der Grundstücks- Freimachung wurden noch viel Ziegel- und Schuttreste gefunden. Aufgrund dieses steinigen Untergrundes wurde einem Teil der Käufer ein Preisnachlass von 25 DM insgesamt gegeben.

Aufbauplan Ziegeleiberg

Aufbauplan Ziegeleiberg

 

Ziegeleiberg (Foto: Dyck)

Ziegeleiberg (Foto: Dyck)

Eine Anwohnerin erinnert sich, dass das Grundstück von der Stadt für 1,25 DM/ qm gekauft wurde. Es bestand die Auflage, innerhalb von 2 Jahren mit dem Bau zu beginnen. Die Finanzierung über Sparkassen war angesichts der schwachen Sicherheiten nicht gewährleistet, wie an anderen Stellen auch half eine private Unterstützung z. B. von Arbeitgebern auf Vertrauensbasis.

Für den Ausbau des Kellers fuhren Familienmitglieder nach Hannover, um Ziegel aus den Trümmern zu klauben, zu putzen und in Stapeln zu 1.000 Stück aufzuschichten. Als die aufgestapelten und von Mörtel befreiten Ziegelsteine abgeholt werden sollten, hatte sich bereits jemand anderes bedient. Kurzerhand wurden andere in der Nähe gelegen Stapel als eigene erklärt und aufgeladen. Tatsächlich wurden viele Eigenheime mit Ziegeln aus hannoverschen Trümmern gebaut.  Architekt war das Neustädter Büro Hans Sievers. die Ausführung übernahm die Baufirma Sievers. Die Wohnfläche betrug für die untere Wohnung 50,3qm,  für die obere 49,5 qm. Im Anbau wurden Schwein Huhn und Karnickel gehalten, der Garten bot die Gelegenheit zum Gemüseanbau, Obst, Beeren u.ä.

 

1950: Bebauungsplan Danziger Straße (hieß vormals Egerländerstraße). Hier konnten 25 Einfamilienhäuser entstehen.

1950: Bebauungsplan Danziger Straße (hieß vormals Egerländerstraße). Hier konnten 25 Einfamilienhäuser entstehen.

 

1950: Teil des Bebauungsplans Am Pfingstgraben

Stadtplan- Ausschnitt mit den Straßen  Am Pfingstgrabenund Vor dem Moore,
mit Finkenwegund Ernst- Strobach- Platz (Stadtplan 1974)

Nicht umgesetzt wurde der Aufbauplan „Im Moor“. Die Fläche westlich der Straße „Vor dem Moore“ und des Entwässerungsgrabens gehört heute zum Torf- Werk Aurenz.

Nicht umgesetzt wurde der Aufbauplan „Im Moor“. Die Fläche westlich der Straße „Vor dem Moore“ und des Entwässerungsgrabens gehört heute zum Torf- Werk Aurenz.

 

Etwa 3 KM östlich außerhalb der Stadt liegt die Siedlung „Heinenwinkel“.

Zum Heinenwinkel: Hinweisschild

Zum Heinenwinkel: Hinweisschild

Zum Heinenwinkel

Zum Heinenwinkel

Hier sind seit 1951 8 Häuser entstanden. Gemäß „Ortssatzung und Teilbebauungsplan Landarbeitersiedlung Heinenwinkel“ hatten die Siedler die Kosten für Straßenbau und Versorgungsleitungen selbst zu tragen. Man behalf sich daher zunächst mit Wasserpumpe und Plumpsklo. Stallraum für Schwein und Ziege nahm etwa 1/3 des Erdgeschosses ein. Im Obergeschoss war eine Zeitwohnung freizuhalten, auch hier wurden 1/ 3 der Grundfläche mit Bodenraum für die Lagerung landwirtschaftlicher Erzeugnisse belegt.  Die etwa 2.500 großen Grundstücke machten landwirtschaftlichen Nebenerwerb mit Gemüse- und Obstanbau sowie Kleintierhaltung möglich. Diese Form von landwirtschaftlicher Produktion wurde zur Entlastung der allgemeinen Versorgungslage gefördert. Übrigens für die Kinder ein schön weiter Weg zur Schule!

Das Gebiet Saarstraße, Hohes Feldwurde mit einem Teilbebauungsplan abgedeckt, der 1952 der von der AFO dem Bauausschuss  zur Genehmígung vorgelegt wurde.

Gefördert werden sollte die Ansiedlung von „Landarbeitersiedlungen“. So wurde gem. Ratsprotokoll für die „Landarbeitersiedlung Weenser Damm“ein Preis für das Grundstück von 0,60 DM pro qm festgesetzt. Tatsächlich wurde nur ein Haus mitten im Wald nahe der B6 gebaut. Aus dem Plan wurde wohl nichts…

Auch 1953 sollte für die „Landarbeitersiedlung Menke“ gemäß Ratsprotokoll vom 10.12..1953 ein Grundstück für 4 Häuser für Landarbeiter und 2 Häuser für Torfarbeiter verkauft werden. Für 29,92 ar wurden 0,80 Dm pro qm verlangt.

Auch die Südstraße westlich der Eisenbahn wurde bebaut. Im Adressbuch von 1958 sind 5 Hauseigentümer verzeichnet, Davon werden einige auch schon 1949 erwähnt.
In der Bauausschusssitzung im März 1955 gab der Stadtdirektor bekannt „ dass Herr Wahren vom Landkreis Neustadt a. Rbge die Ansiedlungsgenehmigung an der Südstraße erhalten habe mit dem Bemerken, dass ein Anspruch auf Ausbau der Straße dadurch nicht gegeben ist“.

1954 Aufbauplan Bei der Hütte von 1954

1954 Aufbauplan Bei der Hütte von 1954, heutiger Gärtnerweg.

 

Stadtplan von 1974: Gärtnerweg, damals „Bei der Hütte“ . Hier waren zunächst 13 Einfamilienhäuser vorgesehen.

Stadtplan von 1974: Gärtnerweg, damals „Bei der Hütte“ . Hier waren zunächst 13 Einfamilienhäuser vorgesehen.

Weitere Bebauung entstand auch in der Schillerstraße(ab 1954) Saarstraße/Königsberger Straße1957/58, Am Kuhlager und weitere.

In den 50er Jahren wurden einige Ackerbürger, d. h. Landwirte aus der Innenstadt ausgesiedelt. Sie konnten auf eigenen Äckern am Stadtrand bauen. Parallel zur Landwehr wurde auch das Gebiet Ahnförth dichter bebaut. So entwickelte sich auch die  Infrastruktur, z.B. wurden auch verschiedene Schulen eingerichtet.

Schon 1959 waren die Baufirmen mit großen Bauten so beschäftigt, dass für private Bauherren kaum noch Handwerker zur Verfügung standen. Der Bau- Boom nahm kein Ende. Ab den 1970er Jahren ging die Entwicklung größerer Siedlungen wie z. B „Silbernkamp“, später „In Den Parkwiesen“, „Auenland“ durch den Bauverein und privater Bauherren weiter. Noch ist mit der Baulandentwicklung kein Ende abzusehen. Die Nachfrage nach eigenem Eigenheim ist ungebrochen. Aber die größte Nachkriegs- Wohnungsnot war behoben. Jetzt waren es nachwachsende Familien aus Neustadt, aber auch Neubürger aus Hannover und Umgebung, die hier eine neue Heimstatt fanden.

H.D.Januar 2019


Historische Themen rund um Neustadt:

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Teil 1: Baracken in Neustadt bis 1945

Teil 2: Notunterkünfte in der Nachkriegszeit bis 1969

Teil 3: Neuer Wohnraum in Neustadt am Rübenberge


Quellen und verwendete, zitierte Literatur

  • Hildegart Reese, 1947, Neustadt am Rübenberge, Dissertation
  • Eduard Klages 1950 Chronilk der Stadt Neustadt a. Rbge
    (maschinengeschreibene Konzept)
    Stadtplan um 1960 Hrg. W. Sicius, gezeichnet W Kaemling
  • Wilhelm Winkel, 1966 Geschichte der Stadt Neustadt am Rübenberge
  • Archiv Region Hannover (ARH)  Dep NRÜ III
    Alle Bebauungspläne
    Bauausschussprotokolle
    Ratsprotokolle
  • Brieden u.a., 2014 Neustadt am Rübenberge Geschichte in Fotografien
  • Stadt Neustadt , Liegenschaftsamt Herr Reinicke
  • Private Informationen