Die Fabrik galvanischer Naturkohle war ein Spezialgeschäft für Retortenkohle, das von 1904 bis in die 60 er Jahre in Neustadt a. Rbge in der Wunstorfer Strasse 56 – 56a existierte.

Entlang der Wunstorfer Strasse hatte sich seit Ende des 19.Jhdts eine Reihe bedeutender Fabrikationen etabliert. Sie spielten zu ihrer Zeit zum Teil eine herausragende Rolle, manche aber existieren heute nicht mehr.

Eines der nicht mehr bestehenden Unternehmen war das von „August Mensen, Spezialgeschäft für Retortenkohle, Fabrik galvanischer Naturkohlen“.

August Mensen gründete 1898 sein „Spezialgeschäft für Retortenkohle“ zunächst in Linden bei Hannover. Dabei bearbeitete er ein Naturprodukt, das in Gaswerken bei der Produktion von Gas aus Steinkohle in den sogenannten Retorten anfiel. Beim Vergasen der Kohle fallen Leuchtgas und Koks an, aber auch andere chemische Stoffe, u.a. Graphit aus den Retorten, welches sich in den Steigrohren der Öfen absetzte. Ca. alle 4 Wochen wurden die Öfen über Nacht stillgelegt und die Rückstände des Brandes mit Hammer und Meißel abgeschlagen.

Ofenhaus der Retortenkohle Fabrik in Neustadt
Plan des Ofenhauses der Retortenkohle-  Fabrik in Neustadt

Quelle: Chronik der Stadtwerke Neustadt 1908 – 2008

Diese wirtschaftlich verwertbaren Rückstände wurden von den Gasanstalten gesammelt, bis sich der Abtransport – per Bahn – an die Firma Mensen lohnte. Dort wurden die grobstückigen Retortenkohlen von Schamotteresten und anderen Verunreinigungen gesäubert und nach unterschiedlichen Graphitgehalten sortiert.

Firma August Mensen war die einzige deutsche Firma, die sich mit der Bearbeitung von Retortenkohle befasste. Sie bezog den Rohstoff nicht nur aus allen deutschen Gasbetrieben, auch aus Holland und der Schweiz wurde die Retortenkohle angeliefert. Ca 85% wurde an die elektrische Kohleindustrie geliefert zur Herstellung von Kohlebürsten, (sie dienten als Brücke zwischen Kabel und Motor), Stromabnehmern (z. B. für Strassenbahnen), Dochtkohlen und vieles andere mehr. Verwendet wurden deren Erzeugnisse in Kleinmotoren, Scheinwerfern u.Ä..
Etwa 15% wurden in der Wunstorfer Strasse für bestimmte Produkte mit geringen Herstellungszahlen zugeschnitten und geschliffen.

Wie kam die Firma Mensen nach Neustadt?

In Linden beanspruchte die Reichsbahn ihr Werksgelände, daher wurde ein passender neuer Standort mit Bahnanschluss gesucht. Firma Mensen gelang es 1904, in Neustadt die ehemalige Stockfabrik an der Wunstorfer Strasse zu erwerben. Dabei spielte die Möglichkeit eines privaten Gleisanschlusses eine wichtige Rolle. Man war auf die Belieferung per Bahn angewiesen, – die Transportmöglichkeiten mit LKW standen noch nicht zur Verfügung. Die Firma entwickelte sich zufriedenstellend, auch in den wirtschaftlich besonders schweren Zeiten zwischen den Weltkriegen. Der Gründer verstarb 1931 und der Sohn führte den Betrieb weiter.

In den 60er Jahren stellten die Gaswerke der einzelnen Städte die Produktion eigenen Gases ein, weil sie ihre Kunden zunehmend günstiger mit Erdgas beliefern konnten. Somit entfiel die Gewinnung der Retorten- Kohle und die Arbeitsgrundlage der Fa Mensen.

Über die Jahrzehnte waren in der Firma immer einige Stammarbeiter tätig. Bei besonderem Arbeitsanfall kamen bis zur Aufgabe des Betriebes auch Aushilfsarbeiter hinzu. Das Gelände der Firma Mensen fand eine andere Verwendung. Heute ist vom Betrieb nichts mehr übrig , nur noch eine alte Villa erinnert an den Standort des Werkes.

Übrigens:

In Neustadt nahm die Gasanstalt ihren Betrieb im Jahre 1908 auf und belieferte die Stadt mit Gas. Es erleuchtete die Haushalte und Strassen der Stadt und wurde gern in Herden zum Kochen verwendet. Erst 1962 gaben die Stadtwerke den eigenen Brand und somit die Gasproduktion auf. Man schloss sich an die Ferngasleitung der Ruhrgas AG an, bis 1968 die Versorgung mit Erdgas die Stadt erreichte.

Weiteres über die Geschichte der Stadtwerke in Neustadt am Rübenberge ist in dem Beitrag „Die städtischen Gaswerke von 1907“ nachzulesen.

[AD , HD, Oktober 2009]


 

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