Teil 1: Allgemeines über Ziegel in Neustadt

Teil 2: Über die Ratsziegelei

Teil 3: Die Plaß‘ sche Ziegelei von 1870

Neustadt am Rübenberge hat eine interessante Tradition in der Herstellung von Ziegeln. Die Geschichte der Ziegelproduktion stand in direktem Zusammenhang mit Neustädter Architektur und Gebäude. Viele Ackerbürgerhäuser waren aus Ziegeln und noch heute ist die Innenstadt Neustadts von roten Ziegeln geprägt, wie es für Niedersachsen so typisch ist. Doch wo wurden in Neustadt Ziegeln hergestellt? Wie groß war die Produktion und wie wichtig war dieser Industriezweig für die Stadt?

Eine Straße in Neustadt heißt noch heute „Ziegeleiberg“. Von einer Ziegelei ist hier aber weit und breit nichts zu sehen. Wie es dazu kam und was es mit der Ziegelproduktion in Neustadt auf sich hat, gehen wir im Folgenden nach.

"Ziegeleiberg", eine Straße in Neustadt am Rübenberge verweist auf die Geschichte der Ziegelproduktion in der Region.

„Ziegeleiberg“, eine Straße in Neustadt am Rübenberge verweist auf die Geschichte der Ziegelproduktion in der Region.

 

Es gibt weitere Hinweise auf eine Geschichte der Ziegelproduktion in Neustadt . So zum Beispiel gibt es ein interessantes Foto aus der Fotosammlung des Künstlers Karl Grabenhorst. Das Foto ist ungefähr von 1920- 22; und es gibt Rätsel auf:

Dieses Foto aus der Sammlung "Grabenhorst" gibt Rätsel auf. Was sehen wir hier, jenseits der Leine? Eine Ziegelei?

Dieses Foto aus der Sammlung „Grabenhorst“ gibt Rätsel auf. Was sehen wir hier, jenseits der Leine? Eine Ziegelei?

 

Ein hoher Schornstein und eine große Industrieanlage ist hier zu sehen. Mit Sicherheit ist es eine Ziegelei. Ein weiterer Hinweis auf die Bedeutung der Ziegelproduktion in Neustadt.  In diesem Artikel haben wir die Geschichte der Ziegeleiproduktion detailliert recherchiert.

Das Bild oben stellt möglicher Weise die alte Ratsziegelei an der Suttorfer Straße. Die Ratsziegelei – wie wir später noch darstellen werden- wurde um 1900 abgebrochen.

Es könnte sich auch um die historische Plaß‘ sche Ziegelei an der Empeder Straße handeln. Die Ziegelei des Industriellen Plaß stellen 1914 den Betrieb ein.

Eines der ältesten Privilegien der Stadt war der Betrieb eines Ziegeleiofens. (Klages) Tatsächlich reichen die Hinweise in den Akten des Archivs bis auf das Jahr 1695 zurück. In der Kopfsteuerbeschreibung des Fürstentums Calenberg von 1698 wurde Christoph Böcker als Ziegelmeister mit 1Taler, 18 Groschen als steuerpflichtig geführt. (Er war aber nicht brauberechtigt)

In den Kirchenbüchern hat Barby in seiner Kirchenchronik noch weiter zurückreichende Zeugnisse für den Bestand einer Ziegelei gefunden. Interessant sind Rechnungsbelege aus dem Jahre 1458, als einige Reparaturen und Änderungen an der Kirche durchgeführt wurden:

  • Gereken Sommer hat Weiden zum Ziegelhof gefahren ( to forende op de teigelhoff),
  • Kleinschmidt für ein Schloss auf dem Ziegelhof (vor en sloit tom Teigelhoue)
  • Für Kannen auf dem Ziegelhof und den Maurern (den murluden)
  • Kertsten Tymmermann wurde für eine Wasserleitung (Watertucht)  auf dem Ziegelhof bezahlt.

Fuhrlohn und 1.000 Steine wurden bezahlt, auch der Fuhrlohn für Dornenbündel von der Landwehr zum Ziegelhof und das Abholen von 100 Steinen aus Hannover. Erwähnt werden „item xxxiii Gulden van den teigelhoue“, 24 Gulden vom Ziegelhof, und Lohn für das Fahren der Erde zum Ziegelhof (Barby S 45 – 52)

  • 1601 ist Christoph Eikener „Bürger und Ziegelmeister allhie“.
  • Ziegelmeister sind 1685 Jürgen Ristenpart, 1687 Reinefeldt, 1692 H. Raffkar.
  • In Otternhagen wohnte 1689 der Ziegelknecht Jürgen Printzhorn, 1694 war Jürgen Bullmann „Knecht auf dem Ziegelhoffe“,
  • Auch 1772 wird der „hiesige Ziegeloffen“ erwähnt, 1781 war Johann Heinrich Reinefeldt Ziegelmeister.

Nach 1856 wurde die riesige Eisenhütte am Rande des Torfmoores erbaut. Für die nötige Herstellung von Ziegeln, z. B. für die Schornsteine, konnte man Tonerde und Sand direkt auf dem Hüttengelände gewinnen, beim Aufbau der Fabrik arbeitet Ziegelmeister Sasse aus Helstorf mit.

  • 1868 wird“ ein unbekannter Mann gefunden in der Leine bei der Ziegelei“
  • 1873 war Heinrich Wilhelm Bunte Ziegelmeister.

Etwas über den Ton und seine Gewinnung

Das Grundmaterial Ton wurde vornehmlich im Überschwemmungsgebiet der Leine gewonnen. Es stand aber nur in relativ dünnen Schichten von etwa 1m zur Verfügung und konnte nur nach Abtrag der Ackerkrume abgebaut werden. Die Pächter der Ratsziegelei benötigten dafür eigene Grundstücke oder mussten das Material von den Suttorfer Bauern kaufen.

Im Plan von 1851 sind Ton- Gewinnungsflächen an der Leinemasch als „Ziegelkuhle“ oder „Bei der Ziegelkuhle“ verzeichnet. Aufgenommen vom Moorvogt Lücke.

Im Plan von 1851 sind Ton- Gewinnungsflächen an der Leinemasch als „Ziegelkuhle“ oder „Bei der Ziegelkuhle“ verzeichnet. Aufgenommen vom Moorvogt Lücke.

 

Als die Stadt den Ziegelhof zwischenzeitlich in eigener Regie führte, kam es zu Ärger mit dem „Amt“, weil die Kämmerei der Stadt den Ton von außerhalb ihres engen Stadtgebietes in Suttorf oder Mecklenhorst kaufte. Das Amt sah sich, weil die abgebauten Wiesen nach dem Tonabtrag minderwertiger wurden, um ihren vollen „Zehnten“ betrogen. Anders war es z. B. in den Ziegeleien in Berenbostel, wo Gruben bis 35 m Tiefe entstanden und teils nur nach Wassereinbruch aufgegeben werden mussten.

Aus der Mitte des 18. Jh. ist überliefert, dass 4mal im Jahr gebrannt wurde, mit einem Jahresergebnis von 32.000 Dachsteinen und 30.000 Mauersteinen. Dafür wurden wohl um 150 cbm Ton gewonnen, der – womöglich mit Schubkarren?- zur Tonmühle transportiert werden musste. Bei der geringen Mächtigkeit der Tonschicht war es kein Wunder, wenn die Vorräte Ende des 19. Jahrhunderts erschöpft waren.

Als Brennmaterial für den Ofen wurde der im Neustädter Moor gewonnene Torf gedient haben.

Etwas über die Kirche

Das älteste erhaltene Bauwerk der Stadt ist zweifelsohne die Kirche. Die oben aufgeführten Rechnungen beziehen sich auf eine Wiederherstellung des gegen Ende des 15. Jahrhunderts baufälligen Bauwerks, das vielleicht sogar als Ruine dalag. Jedenfalls wurden Reparatur- und Erweiterungsarbeiten, Sakristei und Apsis unter Verwendung von großformatigem Backstein 1459 vollendet (Barby S. 79, Kurzinfo- Flyer für Kirchenbesucher)

Der ursprünglich romanische Bau wurde 1502 unter Herzog Erich I (*1470, 1495- 1540) um Seitenschiffe zur gotischen Stufenhalle erweitert. Die ursprüngliche Kirche war ganz aus Sandsteinquadern errichtet und bezeichnete damit die nördliche Grenze des Sandsteinbaues- , die nächste Kirche nach Norden hin, nämlich die in Mariensee, ist bereits ein Backsteinbau. So wurden zum Neubau der Seitenschiffe um 1500  auch hier Backsteine verwendet, soweit die noch wieder verwendbaren Sandsteinquader nicht mehr ausreichten.(Klages S125) Das dabei entstandene Wechselspiel zwischen Naturstein und Backsteinmauerwerk sorgt für eine lebendige Fassade. Sogar die neuen gotischen Fensterumrandungen bestehen nunmehr aus gebrannten Ziegelformen.

Ziegel der Liebfrauenkirche. Schon vor langer Zeit hatten Ziegel in der Region eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung. Die Qualität der Ziegel spricht für sich, die alten Gebäude stehen noch!

Ziegel aus der Region im Mauerwerkverbund der Liebfrauenkirche. Schon vor langer Zeit hatten Ziegel in der Region eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung. Die Qualität der Ziegel spricht für sich, die alten Gebäude stehen noch!

 

Kunstvolles Bauen mit Ziegel war typisch für die Region. Hier sehen wir ein gemauertes Fenster der Liebfrauenkirche in Neustadt am Rübenberge

Kunstvolles Bauen mit Ziegel war typisch für die Region. Hier sehen wir ein gemauertes Fenster der Liebfrauenkirche in Neustadt am Rübenberge

 

Ziegel am Amtsgarten und Schloss

Im Jahre 1573 wurden Schloss und Festung Landestrost gebaut, das sind nach der Kirche die ältesten Bauwerke in Neustadt. In Rühlings Dissertation von 1988 über „Festung und Schloss Landestrost“ ist auch einiges weniges über die Heranschaffung, Herstellung, Verwendung und Verarbeitung von Ziegelsteinen enthalten. Die Herstellung von Ziegel und Klinker in den Brennöfen und der Verbrauch auf der Baustelle wurden besonders überwacht. Das Fassungsvermögen jeden Ofens an Steinen und Brenntorf unterlag einem „Register“. (S 168) Mit  gebrannten Ziegeln wurden  Kurtinen und Bastionsmantelmauern verblendet.(S 178) Erhebliche Mengen der Ziegel wurden in Neustadt, aber auch in Wunstorf und Blumenau hergestellt.(S 177/178) Für einen Abschnitt der Kurtinenmantel-mauer, (1 Ruthe lang = 4,66m), benötigte man 6.500 Vormauerziegel für 13 Florin (1 Florin = 20 Groschen. Der Geselle eines Ziegelbrenners verdiente 2 Groschen als Wochenlohn) (S 192) Insgesamt wurden ca. 900 cbm Klinkerverblendung verbaut (S 130)

Die eineinhalb bis zwei Steine tiefe Klinkerverblendschale wurde mit dem Bruchsteinmauerkörper im Verband verzahnt. (S 100) Die Außenfassade des Amtsgartens hat demnach nicht aus den heute sichtbaren Sandsteinquadern bestanden, sondern aus Klinkern.

Rühling stellt dazu fest:

„1938 mussten größere Wandflächen der alten Wallmauern im Schlossbereich zur Leutnantswiese hin und an der Bastion Rübenberg baulich gesichert werden. Ohne Bezug auf die in größeren Flächen vorhandene historische Substanz verkleidete man diese Wandteile anstelle von Klinkermauerwerk mit recht großformatigen Natursteinplatten. Das dadurch entstandene heute noch vorhandene Bild dieser Mauer kann in keiner Weise die gestalterischen Aspekte einer alten Festungsanlage vermitteln“ (S 327)

 

Kaum noch erkennbar: Reste der ursprünglichen Klinkerverblendung (Foto Dyck 6/15)

Kaum noch erkennbar: Reste der ursprünglichen Klinkerverblendung (Foto Dyck 6/15)

 

 

Schloss Landestrost - Ziegel im Mauerwerk des Schlosses

Schloss Landestrost – Ziegel im Mauerwerk des Schlosses

Die Feststellung, dass gebrannte und lasierte Ziegel aus Holland herangeschafft seien, hält Rühling schon aus Kostengründen für unwahrscheinlich.

Teil 1: Allgemeines über Ziegel in Neustadt

Teil 2: Über die Ratsziegelei

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