Die Kultur der Wirtshauspacht  in Neustadt am Rübenberge am Beispiel des Ratskellers im alten Rathaus in Neustadt am Rübenberge

Teil 1: Über das alte Rathaus, den Ratskeller und seine Wirte
Teil 2:  Der Ratskeller im 19. und 20. Jahrhundert
Teil 3: Pflichten des Kellerwirts im 17. Jahrhundert
Teil 4: Über den Ratskeller, Wirthe, Konkurrenz und Wappen

Im Mittelpunkt vieler Städte befinden sich eine Kirche und dicht dabei das Rathaus mit dem Ratskeller. So ist das auch in Neustadt. Das historische Gebäude und seine Geschichte sind es wert, besonders betrachtet zu werden. Und ausserdem: hier kann man immer noch gut einkehren!

Das alte Rathaus mit Ratskeller in Neustadt am Rübenberge

Das alte Rathaus mit Ratskeller in Neustadt am Rübenberge

 

Das Gebäude

Das Rathaus ist ein Fachwerkbau aus dem Jahre 1728. Es enthält in seinem Erdgeschoss den Ratskeller. Es wurde nach dem Großen Brand im Jahre 1727 an der Stelle des abgebrannten Vorgängers neu aufgebaut, dabei geringfügig der neuen Strassenführung angepasst.

Noch 1958 wird das Äussere des Gebäudes so beschrieben: [2]

  • Ca. 1729 nach dem Brande neu erbaut
  • Um 1830 mit geputzter Fassade versehen; fünf Achsen.´
  • Mittelachse in schwach vortretendem Risalit.
  • Doppelarmige Freitreppe.
  • Weitausladendes Hauptgesims in Holz.
  • Mittelerker mit Dreiecksgiebel und Lünette.
  • Walmdach in Pfannen.
  • Die Putzflächen der Front gequadert.
  • Das ältere Rathaus hatte an den beiden Frontecken Erkervorbauten, wie der Bebaungsplan von 1727 zeigt.

 

 Plan der Stadt Neustadt am Rübenberge etwa 1727

Plan der Stadt Neustadt am Rübenberge etwa 1727

In seiner Chronik erklärt Klages [3]

„Über 200 Jahre sind die Wirtschaftsräume sich gleich geblieben, bis im Jahre 1938 dieselben den heutigen Zeiten entsprechend überholt wurden. Eine sich außen befindliche Steintreppe mit doppeltem Aufgang führte zum ertsten Stock , gleiche Treppenaufgänge finden wir bei der Superintendentur (An der Liebfauenkirche) und der Apotheke (Ehemalige Apotheke, Mittelstrasse)

Rechts des Eingangs (praktisch im Obergeschoss) befanden sich die beiden Büroräume der Stadtverwaltung und zwar das vordere Zimmer für den Stadtsekretär und das dahinterliegende Zimmer für den Bürgermeister. Links des Eingangs ist der Ratssaal, der den städtische Kollegien als Sitzungssaal diente. (Aber auch anderen städtischen Veranstaltungen) Weiterhin steht der Saal dem Kellerwirt für seinen Wirtschaftsbetrieb zur Verfügung. Als die Büroräume für eine geordnete Verwaltung nicht mehr ausreichten, hat man 1935 ein neues Verwaltungsgebäude in der Scharnhorststrasse (heute Theodor -Heuss- Strasse) gebaut.

An der Aussenseite des Treppenaufganges sind rechts und links von der Eingangstür je zwei Eisenringe eingelassen. Sie mögen wohl einkehrenden Reitern zum Anbinden ihrer Pferde gedient haben.“

1980 wurden das Alte Rathaus ebenso wie die gegenüberliegende Alte Wache vollständig saniert. Dabei sollen nur etwa 40 % der historischen Bausubstanz wiederverwendet worden sein, was dem Gesamteindruck aber keinen Abbruch tut. Insbesondere wurde die Fachwerkkonstruktion vollständig abgetragen und aufgearbeitet. Über dem Kellergewölbe wurde eine Betondecke gegossen und die Fassade aus Mauerwerk hochgezogen. Die beiden Seiten und die Rückfront zeigen wieder Fachwerk. Auch die Aussentreppe wurde erneuert, wobei lediglich der Unterbau aus neuzeitlichem Material hergestellt wurde, Stufen und Geländer sowie der Sandstein, der die Eingangspforte umgibt, stammen vom historischen Gebäude. Insgesamt hat man bei der Renovierung dem letzten historischen Erscheinungsbild den Vorzug gegeben.[4]

Die Ringe zum Anbinden der Pferde kann man auch noch finden.

Die Verpachtung des Ratskellers im 18. Jahrhundert

Die Kellerwirtschaft gehörte den Bürgern, speziell den Brauern oder den Bierherren und den Weinherren und wurde in der Regel auf 3 Jahre verpachtet. Im 17ten Jh. war das verschenkte Bier oder der Wein Eigentum von zwei Genossenschaften von Bürgern, den Bierherren und den Weinherren, welche beide den Wein und das Bier direkt an den Keller lieferten. Dem Wirt war strengstens untersagt, etwas anderes zu verschenken, als von den Herren gelieferter Wein oder Bier. Der Wirt war verpflichtet, das Geld für ausgeschenktes oder verkauftes Bier oder Wein in je eine besondere Tasche zu stecken und diese Tasche jeden Abend den dazu beauftragten Bier- oder Weinherren abzugeben. Er selbst bezog ein festes Gehalt. Was er für Speisen vereinnahmte, kam ihm dagegen wohl ganz zu. Daß das Amt nur ein ganz vertrauenswürdiger Mann zur Zufriedenheit aus richten konnte, bedarf keines Wortes und daß daher der Schritt vom Kellerwirt zum regierenden Bürgermeister kein allzu großer war, ebenso wenig. [5]

1717 wurde der Keller an Anthon Calmeyer verpachtet. Weil dieser aber ein Neubürger war, (“ echt und recht gebohren, aus Lachem gebürtig“), trat sein Schwiegervater, der Stadtrichter Harmen Julius Ristenpath, als Bürge ein.

Am 2. April 1726 fand eine Versteigerung des Ratskellers statt, an der 16 Bieter beteiligt waren. Das erste Angebot kam von Christian Albrecht Jordan, einem Mitglied des Consortiums der Bier- und Wein- Herren, der 100 Taler bot. An 5. Position stand der Apotheker Meyer, Weinherr im Consortium, mit 130 Talern. An letzter und 16. Stelle bot Anthon Christian Kallmeyer 160 Taler an Pachtgeld. Einige der Überbotenen waren aber nicht zufrieden und steigerten ihr Angebot auf 183 Taler, diesmal durch Mstr. Heinrich Hachmeister, ebenfalls Mitglied des Consortiums. Über den Keller verfügte eigentlich schon das oben erwähnte Consortium aus 5 Bürgern, lizensierte Branntweinbrenner und Weinhändler, darunter Apotheker Meyer. Dieser Vorgänger der heutigen Apotheke Redeker war zuständig für die Lieferung von Wein und Franzbranntwein.

Am 7. April 1726 wurde ein „After Pacht Contract“ mit Anthon Christian Kallmeyer über jährlich nunmehr 163 Taler auf 3 Jahre geschlossen, wobei die fehlenden 20 Taler zum nachgeschobenen Höchstgebot anders verrechnet wurden. Selbstverständlich behielten sich die Herren des „Consortiums“ die Lieferung des Branntweins zu festen Preisen vor und schlossen einen Verkauf auf eigene Rechnung z.B.von Zuhaus nicht aus. Der Rat der Stadt wurde mittels einer „Confirmatio“ von den „After Pacht“- Bedingungen im Kenntnis gesetzt.

Liste der Bieter vom 2. April 17266

Liste der Bieter vom 2. April 17266

Noch mehr Bieter für die attraktive Gelegenheit

Noch mehr Bieter für die attraktive Gelegenheit

Letze Seite des "After Pacht Contractes" zwischen den Haupt-Pächtern und dem "After Pächter" Kallmeyer v. 7. April 1726 [7]

Letze Seite des „After Pacht Contractes“ zwischen den Haupt-Pächtern und dem „After Pächter“ Kallmeyer v. 7. April 1726 [7

Die Wirthe

Bereits zur Zeit von Rabodo Wale [8] um 1375 wird immer wieder berichtet, dass in der Trinkstube, die der Rat im Rathaus eingerichtet hatte, Bier verzehrt wurde.[9]Lange war der Stadtkeller die einzige Wirtschaft in der Stadt und bildete den Mittelpunkt des städtischen Verkehrs, Der Keller stand lange unter alleiniger Regie der Stadt . Der Kellerwirt und sein Gehilfe wurden auf ihre Tätigkeit vom Rat der Stadt vereidigt. Im Jahre
  • 1641 hiess der Kellerwirt Heinrich Overheu, der im selben Jahre Bürgermeister wurde. [10]
  • 1681 war Jost Dangers Kellerwirt. Das ergibt sich aus den von Dieter Barby bearbeiteten Kirchenbüchern, in denen mit den Taufen, Hochzeiten und Todesfällen auch die Berufe der Eltern, Geschwister und Paten genau verzeichnet sind.
  • 1681 bis 1685 ist „hiesige Keller Wirth Jost Dangwers“
  • 1685 hat der „Neue Krüger alhie nahmens Johann Lüdolph, ein Bürger und Braumeister allhie .. seinen Sohn zur der h. Tauffe geschickt..“.
  • 1686 bereits ist „Joachim Hogräffe der Kellerwirth“.
  • 1688 „hatt der hiesige Keller Wirth Jürgen Hartie seine Tochter zu dem Wasserbadt der H. Taufe geschickt..“
  • 1691 bis 1696 ist wiederum „Jost Dangwers der hiesige Keller Wirth“ als Kellerwirt bezeugt
  • 1700 und 1703 ist Frantz Gronau genannt
  • 1714 bis 1717 Pachtvertrag mit dem Churfürstl Zollwächter Mons

Sebastian Auhagen

1716 ist des hiesigen Keller Wirths und Zolleinnehmer H. Sebastian Auhagen s. Ehefrau an einer schweren Haupt Krankheit u. Schlagfluß gestorben. (Vermutlich identisch mit Sebastian Ohagen, der den Hüttenkrug am Eylveser Damm betreibt; siehe Abschnitt  „Über die Konkurrenz“ im 2. Teil)

 

Erste Seite eines Pachtvertrages mit Sebastian Auhagen [11]

Erste Seite eines Pachtvertrages mit Sebastian Auhagen [11

  • 1717 bis 1720 ist Anthon Christian Kallmeyer
  • 1723 bis 1726 hat Jobst Heinrich Behrmann einen Pachtvertrag geschlossen der vom 16. May 1723 bis 16. May 1726 galt
  • 1726 bis 1729 ist Anthon Kallmeyer für 3 Jahre Kellerwirt vom 16. May 1726 bis 17. May 1729, zum zweitem Mal.

Nach Phillip Büchten 1729 bis 1732, wird Luer Drosemeyer von 1732 bis 1729 genannt. 1747 wird vermeldet, dass der ehemalige hiesige Keller Wirth, Lüder Drösemeyer , der vormals Königl. Leib Kutscher gewesen, im Alter von 63 Jahren verstorben ist, Zu der Zeit ist Johann Heinrich Balthasar von Hartz Herr des Ratskellers.

  • 1752 war Jost Heinrich Geveke Kellerpächter
  • 1753 Ludwig Wallmann
  • 1795 hat der Kellerwirth Johann Wilhelm Pacht ein Kind im Kirchenbuch eintragen lassen .

Und so geht das fort bis in die Neuzeit.

Teil 1: Über das alte Rathaus, den Ratskeller und seine Wirte
Teil 2:  Der Ratskeller im 19. und 20. Jahrhundert
Teil 3: Pflichten des Kellerwirts im 17. Jahrhundert
Teil 4: Über den Ratskeller, Wirthe, Konkurrenz und Wappen

[Quellenangaben]: Hier klicken


 

Historische Themen rund um Neustadt:

Weitere Artikel über die Geschichte der Stadt entdecken