Gab es in Wulfelade eine Leinefähre, wo doch die Leine gar nicht an den Ort grenzt? Ein Mythos?

Nehmen Sie doch einmal Ihr Fahrrad und fahren auf dem Leine- Radweg von Basse auf Wulfelade zu. Im Zuge der „Wasserstrasse“ hinter Basse überqueren Sie die Leine. Auf der modernen Brücke genießen Sie noch einmal die schöne Flusslandschaft, denn Sie bekommen den Fluss lange nicht mehr zu sehen. Sie durchqueren dann eine ebene Acker und Wiesenlandschaft.

In Wulfelade, vor der starken Wegesteigung am Ortseingang, bemerken Sie einen großen Findling. Er trägt die eingravierte Darstellung eines Leinebogens mit einer Jahreszahl. Ein holzgeschnitztes Hinweisschild macht Sie darauf aufmerksam, dass Sie sich „Am Alten Fährhaus“ befinden. Weit und breit gibt es keine Leine zu sehen, was hat es da mit dem Fährhaus auf sich?
Hinweis auf Fährhaus in Wulfelade -- Foto: Dyck

Hinweis auf Fährhaus in Wulfelade — Foto: Dyck
Leineverlauf in Wulfelade vor dem Leinedurchbruch -- Foto: Dyck

Leineverlauf in Wulfelade vor dem Leinedurchbruch — Foto: Dyck

Die erst 2007 von der Ortsgemeinschaft Wulfelade herausgegebene Ortschronik klärt das Rätsel auf.

Ein typisches Merkmal der Leine ist ihr mäanderförmiger, in vielen Bögen fliessender Verlauf. Die Kurhannoversche Landesaufnahme von 1780 zeigt uns den ursprünglichen Weg des Flusses, der hinter Basse auch fast Mariensee und dann Wulfelade am Ortsrand berührte

Leineverlauf in Wulfelade vor dem Leinedurchbruch

Kurhannoversche Landesaufnahme von 1780 – Wulfelade / Neustadt am Rübenberge

Dort betrieb ein Fährmann eine kleine Personenfähre, im Fährhaus von 1697 kehrten Besucher gern ein. Der Fährmann war auch Fischer und konnte sein Einkommen mit dem Fang von Lachsen und anderen Fischen aufbessern und sie bis nach Hannover verkaufen.

Doch damit war bald Schluss.

Zur Verbesserung der Schifffahrt wurde 1780 der landesherrliche Befehl erteilt, den Verlauf der Leine vor Wulfelade abzukürzen. Der natürliche Verlauf des Flusses wurde verlegt, die Leine erhielt einen neuen Verlauf. Vor dem Ort lagen zwei Flussbögen nur etwa 400 Meter auseinander. Eine künstliche Verbindung wurde zwischen diesen Bögen geschaffen. Die Leineverlegung verkürzte den Wasserweg um fast 1,8 Km. In den Zeiten, da die Schiffe flussaufwärts noch vom Ufer aus getreidelt werden mussten, war dies den Schiffern eine willkommene Erleichterung.

Kurhannoversche Landesaufnahme von 1780 - Wulfelade / Neustadt am Rübenberge

Historischer und aktueller Verlauf der Leine bei Wulfelade und Basse

Zur Arbeit wurden die Bauern in Hand- und Spanndiensten verpflichtet, mit Schubkarre und Schaufel musste der neue Wasserlauf ausgehoben werden , der Bodenaushub wurde dann in das alte Flussbett der Leine befördert. Das dauerte 9 Jahre, 1789 war es vollbracht.

Der Fährmann hatte seinen Broterwerb verloren, die Klostermühle, die zwischen Mariensee und Wulfelade lag, hatte kein Wasser mehr und der Müller musste sich nach etwas anderem umsehen – die Umbettung der Leine war geschafft.

Und der Erfolg für die Schifffahrt? Zusätzlich wurde 1806 die Schleuse in Neustadt erneuert und die Annalen berichten von einem Höhepunkt der Leineschifffahrt um 1835, als auch Johann Egestorff den Lindener Kalk nach Bremen transportieren ließ. Der Leinedurchstich von Wulfelade hat somit kurzfristig zur Erleichterung des Warenverkehrs auf der Leine beigetragen .Doch mit dem Bau der Eisenbahn 1847 hatte die Leine die Bedeutung als Handelsweg verloren. Es gab noch 1881/1890 Versuche , eine Dampfschiffahrt einzuführen und Anstalten, den Fluss zu kanalisieren.

Die Leine bei leichtem Hochwasser bei Basse -- Foto: Dyck

Die Leine bei leichtem Hochwasser bei Basse — Foto: Dyck

Daraus wurde nichts und so erfreuen wir uns unserer Leine als Naturfluss, wenn auch nicht mehr vor Wulfelade.

Karte

[HD, März 2008]


 

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