Wer in Neustadt vom Bahnhof oder aus Richtung des Steinhuder Meeres kommt, der wird an der Wunstorfer Strasse durch ein rotes, den Radwandern zugedachtes Hinweisschild zum „Wasserfall 1,2 Km“, gelenkt. Ein Wasserfall in Neustadt?

Der Wegweiser zum Wasserfall - der Weg führt durch die Apfelallee

Der Wegweiser zum Wasserfall – der Weg führt durch die Apfelallee

Das mag Unkundige verwundern, tatsächlich aber handelt es sich um ein Wehr in der Leine, das an der Apfelallee zugänglich ist. (52’30.091′ / 9’28.185′) Um dieses Wehr und auch um den Mühlenkanal sowie die Schleuse gab es die letzten Jahrhunderte immer wieder Probleme für und wider die Schifffahrt, für und wider den Mühlenbetrieb. Das soll hier näher betrachtet werden.

Der Untergrund von Neustadt wird durch felsigen Wealderton durchzogen, wodurch in der Leine Stromschnellen entstanden sind, die man von der großen Leinebrücke aus unschwer erkennen kann. Dieser felsige Untergrund bildet das natürliche Fundament für das sehenswerte Schloss und den Amtsgarten.

Die reißenden Stromschnellen mit ihrer niedrigen Wassertiefe stellen aber ein großes Hindernis für die Jahrhunderte lang betriebene Schifffahrt auf der Leine dar, die hier einen Höhenunterschied von etwa 1,20 m überwindet. Lange waren sie ein Grund für beständige Beschwerden, nicht nur für das Schifffahrtswesen, sondern auch für die weiter flussabwärts am Mühlenkanal – auch „Kleine Leine“ genannt – gelegene Wassermühle sowie den Betrieb der Schleuse.

Der bis heute umstrittene Wasserfall in Neustadt

Der bis heute umstrittene Wasserfall in Neustadt

Die Anfänge

1586

Ein „Strauchwehrs“ oberhalb des Mühlenkanals wird laut Rühling schon 1586 in einem Bericht des Amtmanns Wissel an den Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel erwähnt. Es hatte die Aufgabe, den künstlich hergestellten Mühlenkanal, auch Kleine Leine genannt, mit Wasser als Antrieb für die Mühle, auch für die Füllung der Festungsgräben zu versorgen. Seit wann dieses Wehr bestand, bleibt im Dunkeln.

1686

Im Jahre 1686 wurde die Brücke über die große Leine als steinerne Bogenbrücke errichtet. Die Entscheidung über den Standort der Brücke brachte es mit sich, dass die Leine teilweise in einem neuem Flussbett geführt werden musste. Der Stromverlauf lag nun in einem flacheren Bogen näher am östlichen Uferrand (Barby)

Der Dissertation von Rühling (1988, S111) ist der Gedanke zu entnehmen, dass das Folgen hatte:

Vor 1687 verlief das natürliche Flussbett der Leine mit einem größeren Bogen um eine Strombreite weiter westlich vom relativ steilen Uferhang des Ostufers entfernt und schnitt damit die härteren Schichten der unteren Kreideformationen erst etwas tiefer an. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass die bis 1687 bestehende westliche natürliche Flussbettsohle etwas tiefer als die heutige östliche eingeschnitten war und es damit dem von Peters beschriebenen mittelalterlichem Schiffsverkehr durchaus möglich war, den Neustädter Flussabschnitt bei normalen Wasserstand ungehindert zu passieren, jedenfalls sind aus diesem Zeitraum keine Berichte über natürliche Hindernisse im Neustädter Leineabschnitt bekannt, wie sie nach 1687 offensichtlich die Regel waren […]

Stadtplan von 1727 mit mutmaßlichem Verlauf der Leine (Fett eingezeichnet)

Stadtplan von 1727 mit mutmaßlichem Verlauf der Leine (Fett eingezeichnet)

Ungefähr 400 Meter südöstlich der Burg und der Stadt erlaubten die felsige Sohle des alten Flussbettes und die Höhe der seitliche Uferböschungen mit ca 36,4 Meter über NN die Anlage eines Strauchwehrs. Nur an dieser Stelle bot sich die Möglichkeit, den so auf ungefähr 35,6 Meter hoch gestauten Mittleren Leinewasserspiegel mit Hilfe eines kurz oberhalb des Staus abzweigenden Grabens, dem Mühlenkana

Für die Leineschiffahrt, sofern sie denn stattfand, mögen also bis zum Bau der Brücke 1687 die Neustädter Stromschnellen, wie wir sie heute kennen, noch nicht vorhanden oder noch kein Hindernis gewesen sein. Möglich ist aber, dass das „Strauchwehr“ umfahren wurde und sowohl flussab- wie flussaufwärts die zumeist von Hand oder später per Pferd getreidelten Boote über eine „Sandschleuse“ quer durch den Mühlenwerder von der großen zur kleinen Leine gelangt sind (Klages).

Mit zunehmendem Interesse am Schiffsverkehrs und mit Einsatz größerer Boote wurde danach immer wieder die Forderung nach einer ungehinderten Durchfahrt durch den Stromschnellenbereich erhoben. Die Bedingung für die Wiederaufnahme des lange geruhten Schiffsverkehrs, (gemäß Klages, S.99 fand zwischen 1519 und 1740 überhaupt kein Schiffsverkehr mehr statt) ergab eine Flussschau 1708 durch den Schiffskapitän Butteroni: „Die Steine bei Neustadt sollen aus der Leine gehoben werden“ Mit den Steinen meinte er die mächtigen Felsenriffe vom Wasserfall bis flussabwärts zum Zufluss der Kleinen Leine. (Winkel S. 254)

1742/43

Winkel führt weiter aus:

1743 berichtet der Amtmann von Neustadt von einen solchen Versuch [diese Hemmnisse zu beseitigen] nach Hannover: An Werken mit Losbrechung der Steine zwischen den Brücken und dem sogenannten ‚Wehre‘ haben wir weitergemacht, weil daselbst der stärkste Widerstand der Schiffahrt war und die Schiffer die größte Mühe hatten durchzukommen. Die Arbeit nahm 23 Tage in Anspruch, Jetzt kommen die Schiffe auch bei niedrigem Wasser ganz gut durch.

Diesem Bericht zu Folge ist auch schon 1742 an der Beseitigung von Schiffshindernissen gearbeitet worden, offensichtlich hat man sich dann wohl zu der radikaleren Maßnahme einer Sprengung entschlossen, denn:

Bis zum Bau der Schleuse 1749 sind die Schiffe durch das Sprengloch im Staudamm gefahren. Sie wurden vor dem Wehr entladen. Eine Winde, die im herrschaftlichen Windehaus in der Sudmasch untergebracht war, hob sie über das Wehr. Nach dem Passieren des Wehrs brachten die Schiffer das Ladegut wieder ins Schiff . Da das Loch im Staudamm, das die Regierung früher hatte sprengenlassen, 1749 nicht wieder geschlossen wurde, blieben alle Nachteile bestehen, die durch diese Sprengung herbeigeführt wurden: durch den Hauptstrom fliesst zuviel Wasser ab, der Kanal versandete, weil das Wasser nur langsam darin floss, die Ratsmühle hatte zuwenig Wasser . (Winkel S. 261)

1752 – 1802

Obwohl die1752 in Betrieb genommene Schleuse wegen der wachsenden Ansprüche des Verkehrs 1806 durch einen Neubau ersetzt wurde, ertönten 1807 wegen des ständigen Schlick- und Sandandrangs „die alten Klagelieder der Schiffer von neuem“. Die Stadt Neustadt hatte ebenfalls weiterhin Grund zu Beschwerden und schlug 1823 vor, den Wasserzufluss zur Mühle zu verbessern und der Versandung des Kanals, also der Kleinen Leine bis zur Schleuse, dadurch Einhalt zu gebieten, dass man das früher gesprengte Loch im Überfall wieder zumauerte und die Oberkante das Wehrs erhöhte. Das wurde wegen zu erwartender Kosten von 6-8.000 Talern abgelehnt. (Winkel, S 261)

1831 beschäftigt sich jetzt das Amt Neustadt wiederum mit den Felsen, jetzt jedoch hauptsächlich dem an der unteren Mündung des Mühlenkanals an der oberen Mündung des Mühlen- und Schleusenkanals, deren Sprengung erwünscht wird.

1832

Winkel beschreibt einen weiteren Versuch: „1832 versuchte die Regierung, durch die Felsenbarre bei Neustadt eine Fahrrinne zu schaffen. Gewaltige Sprengungen am Felsenriff wurden vorgenommen. Der Versuch ist fehlgeschlagen.“

1883 – 1909 Im Zeichen der Dampfschiffe

Dennoch: immer wieder gab es Bemühungen um die Belebung des Verkehrs auf der Leine, so schreibt im März 1883 der Kgl. Amthauptmann an der Magistrat mit der Bitte,

[…] statistisches Material über den gegenwärtigen Schiffsverkehr auf der Leine […] und dessen Steigerungsfähigkeit durch Anlage eines zweckmässigen Uferquai und ?Brücke? versehenen Lösch- und Landeplatzes sowie […] über die Geneigtheit zur Förderung des Unternehmens aus Städtischen Mitteln zu erhalten. (Reg Arch NRÜ II- 999)

1887 schlug die Stadt erneut vor, das Wehr zu erhöhen und damit die Hauptströmung durch den Mühlenkanal zu leiten…. Dieser Vorschlag…wurde 1887 realisiert, leider mit geringem Erfolg, denn nach zwei Jahren war das neue Wehr wieder brüchig […] Schiffe und Flösse kamen immer seltener und zuletzt gar nicht mehr.“ (Winkel)

Der Kreistag hat schon 1887 die Herrichtung eines festen Wehrs bzw die Übernahme von Kosten bei Neustadt abgelehnt.

1890

Ein Verein zur Hebung der Fluß- und Kanalschiffahrt belebt die Schiffahrtsfrage erneut. Am 9. Juni 1890 traf sich ein Ausschuss in Neustadt. Die Beseitigung von Hindernissen wurde anschliessend auf Dampferfahrten am 20.6.1890 (Dampfer Germania) und 7.3.1891 (Dampfer Nienburg) diskutiert.

Doch im Jahre 1897 gab der Regierungspräsident bekannt, dass die Kanalisierung der Leine „nicht ins Auge gefasst“.wird. Die Leinezeitung vom 1.1.1897 gibt dem Bedauern Ausdruck, dass wegen Eisgangs keine Schifffahrt möglich sei, die Folge sei, dass nunmehr die Eisenbahn wichtige Transportaufgaben übernähme

Auch nach 1904, nachdem sich wiederum eine „Genossenschaft zur Hebung der Leineschifffahrt“ gegründet hat, und obwohl die Stadt ihrer Verpflichtung nachgekommen sei und das Wehr wieder in Stand gesetzt habe, verliefen die weiteren Bemühungen erfolglos. Ein weiterer 1905 durchgeführter Fahrversuch mit dem Dampfer „Nienburg“ zeigte deutlich die Schwächen für einen geregelten Verkehr auf, insbesondere aber wegen des geringen Wasserstandes, der durch den Bruch des Wehres und damit dem Entzug des Wassers in der Kleinen Leine entstanden war.

Dazu finden sich interessante Unterlagen im Archiv der Region Hannover im Neustädter Schloss.

Besonders die durch den „Verein für die Leineschiffahrt zu Hannover“ herausgegebene Broschüre von 1908 „Die Leineschiffahrt in der Vergangenheit und die Bestrebungen zu ihrer Wiederbelebung“. (Reg. Arch. NRÜ II- 999)

Titelblatt der Wasserfallbroschüre

Titelblatt der Wasserfallbroschüre (Reg. Arch. NRÜ II- 999)

Dieses Heft gibt einen zusammenfassenden Aufschluss über die bisherigen Bemühungen zur Hebung der Schifffahrt.

Man greift zurück bis 1839, wonach ernsthafte Vorschläge zur Beseitigung von Hindernissen auch vor Neustadt nicht befolgt wurden. Beschrieben wird auch die 36 stündige Reise des Schleppdampfers „Sylt“ 1880 von Bremen nach Hannover. 1890 scheint bei der Landesregierung das Interesse für eine Flussreglierung wach geworden zu sein, denn man lud zu einer Bahnreise nach Neustadt mit „lediglich informatorischem Charakter“ zwecks Besichtigung der Hindernisse ein, in deren Folge die oben erwähnten Flussfahrten 1890 und 91 stattfanden. Letztlich aber hatte die Idee der Wiederaufnahme der Leineschifffahrt trotz Überlegungen der Kanalisierung, trotz aller Kosten- Nutzenrechnungen gegen den Einfluss der Eisenbahn und gegen die Planung des Mittellandkanals keine Chancen.

Schäden am Wehr seit 1886

Gleichwohl blieb das Wehr ein ständiger Zankapfel und das aus einfachen Grund: Die Unterhaltung des Wehrs ist zu unbestimmter Zeit auf den Pächter und Betreiber der Mühle übergegangen. Dieser hatte ein lebhaftes Interesse an einem funktionsfähigem Wehr, welches die für den Mühlenbetrieb ausreichenden Wassermengen in die Kleinen Leine zu leiten hatte. So wurde der Mühlenbetrieb 1886 durch einen Bruch im Wehr gestört, sodass sich der Magistrat gegen eine Klage des Müllers Dröge zu Wehr setzen musste, indem er den Oberbaudirektor Franzius (auch heute noch ein berühmter Wasserbauer) um ein Gutachten bat, ob

1. : der im Herbst (1886) erfolgte Ausbau der Spitze des Mühlenwerders Ursache für den Wasserentzug für den Mühlenkanal sei

2.: die neue Buhnenanlage zum Durchbruch des Wehrs am 11.2.1886 geführt habe

3.: und welche Maßnahmen ergriffen werden können, um dem Mühlenkanal ausreichend Wasser zuzuführen,

4.: es sich lohnt, das Wehr zu erneuern.

Baudirektor Claussen beantwortet die Fragen dahingehend, das der etwa 12,5 m lange, 0,5 bis 2m tiefe Durchbruch durch das Wehr durch starken Eisgang erfolgt sei. Ein Einfluss wegen der 100 Jahre vorher erfolgten Sprengung des Wehrs sei nicht wahrscheinlich, aber auch nicht auszuschließen. Vielmehr sei die vom Müller durchgeführte Verbesserung durch Steinpackung, Buschwerk und einen vor das Wehr gebrachte und mit Ketten gesicherten 1,2m dicken Eichenbalken unzureichend gewesen. Eine Neuanlage des Wehrs wird empfohlen, damit sowohl der Mühlenbetrieb als auch die Schifffahrt gesichert seien.

In der Folge hatte der Müller Dröge ständig Mühe, die anfallenden Reparaturen zu finanzieren und bat die Behörden um Kostenbeteiligung. Eingebunden war auch der Regierungspräsident, der im Schreiben vom 17.11.1902 deutlich erklärte „[…] anzunehmen daß die Stadt Eigentümerin des Wehrs ist.[…] Auch im Übrigen besitzt weder die landwirtschaftliche Verwaltung noch die Wasserbau Verwaltung ein Interesse an Bauten zur Verhütung von wiederholen Durchbrüchen.

Durchbrüche hat die Leinezeitung in den folgenden Jahren mehrfach zu berichten, wobei nicht auszuschließen ist, dass diese mutwillig herbeigeführt wurden.

Artikel "aus unsere Kreise"

Artikel „aus unsere Kreise“

Interessanterweise war man früheren Empfehlungen zum Neubau des Wehrs nicht abgeneigt. Im Regionsarchiv weisen die z. Zt. nicht greifbaren der Akten (NRÜ II- 1003) auf den „Entwurf zur Erneuerung des Leinewehrs 1908 – 1909“ mit Querprofil und Übersichts- und Stromkarten hin.

Die Absichten scheinen so weit gediehen zu sein, dass sich die Firmen Dyckerhoff und Widmann sowie Fa Hupert & Cie um die Ausführung bewerben. Das daraus nichts wurde, ist nicht zu übersehen.

1950 – 2008

Von jetzt ab war es vor allem nur noch die Mühle, die auf ein intaktes Wehr angewiesen war. Lediglich Arbeitsboote der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung lagen noch in der „Kleinen Leine“, die Arbeiter hatten u.a. Mühe, die Schleuse ständig von Sand und Schlick freizuhalten, bis die Schleuse sogar für den Sportbootverkehr geschlossen werden musste.

Die Leinezeitung brachte am 19.10.1950 ein Foto des „rauschenden Wasserfalls“ mit einem Begleittext, der heute nicht mehr einer gründlichen Prüfung standhalten würde. Da ist noch die Rede, dass die „Kalksteinbänken“ Ursache für den Bau des Wehrs und Ableitung für das angestaute Wasser in den Kanal der Kleinen Leine 1654 bis 1680 seien. Erwähnt wird aber auch der Plan, in Neustadt ein riesiges Wasserkraftwerk zu bauen und die dahinter liegenden Leinewiesen in einen unendlichen Stausee zu verwandeln. Neustadt am See?

Der Müller jedenfalls entschloss sich, den erforderliche Strom für die Mühle selbst zu produzieren. Für die Sicherstellung der dafür notwendigen Wassermenge wurde der Wasserfall 1950 kostenaufwendig repariert und auf die für den Generator erforderliche Wasserhöhe gebracht.

Der Inhaber der Mühle, Manfred Moldenhauer erinnert sich in seinen privat niedergeschriebenen Erinnerungen zum 100jährigen Besitz der Mühle:

Aber dann war da noch der 1. April 1951. In den Zeitungen wurden Aprilscherze veröffentlicht. In der Leine-Zeitung standen auch mehrere. Einer betraf die Mühle. Er lautete wie folgt:

Vermeintlicher Aprilscherz - Sprengung des Leinewehrs 1954

Vermeintlicher Aprilscherz – Sprengung des Leinewehrs 1954

Tatsächlich handelte es sich durchaus nicht um einen Aprilscherz.

Das Wehr war wirklich gesprengt worden. Jemand hatte in böser Absicht den Redakteur den vermeintlichen Aprilscherz veröffentlichen lassen. Interesse daran hatten nur die oberhalb liegenden Grundstückseigentümer. Dieses waren alles Landwirte. Sie hatten am Vorabend der Sprengung eine Versammlung in der Gaststätte Helfers . Alle Arbeiten des Vorjahres waren dahin. Mit riesigem Aufwand wurde das Wehr wieder repariert. (Moldenhauer)

Dieses blieb nicht der einzige Vorfall.

Das Wehr in der Apfelalle war immer wieder ein wunder Punkt für den Mühlenbetrieb. Was war denn im Juli 1954 wieder passiert? Das Wehr war wieder nach „gründlicher Reparatur im Herbst 1953 im Juli 54 auf 25 m wieder an der Apfelalleeseite eingerissen.“ Und ausgerechnet war zu dieser Zeit der Schwiegersohn Moldenhauer in Urlaub.

Streit ums Wehr 1954 - Das Wehr soll beschädigt sein

Streit ums Wehr 1954 – Das Wehr soll beschädigt sein

Das Wehr wurde wieder repariert mit etwas größeren Aufwand . Im November 1954 wurden Bohrungen hinter dem Wehr gemacht. Dort wurden schwere Eichenpfähle verankert und Senkfaschinen dahinter befestigt. Warum dieser Aufwand. Warum nicht gleich ein festes Betonwehr? Das Wehr gehörte dem Wasser- und Schiffahrtsamt. Die Behörde gab für die Erneuerung kein Geld aus und der Naturschutz wollte nur Natur. So blieb dem Müller nichts anderes übrig, als immer wieder zu reparieren.

1959
Im Herbst 1959 wurde wiederum kostenintensiv in das Wehr investiert. Dabei wurden grosse Betonfundamente, die beim Bau der Umgehungsstrasse angefallen waren, herangeschafft. Mit Hilfe der Bundeswehr wurden die ca 5 Tonnen schweren Betonquader in das Wehr gehievt. Immer noch hatte der Müller ein Auge auf den „Wasserfall“, weil er neben dem Mühlenbetrieb auch an der Produktion von Elektrokraft interessiert war. Wenn das eigentliche Wehr auch keine Schwierigkeiten bereitete, fielen immer wieder Reparaturarbeiten auch in den Randbereichen an, so 1978, als die Leine drohte, neben dem Wasserfall einen neuen Flusslauf zu bilden.

1990

Erst 1990 wurde der Mühlenbetrieb ganz aufgegeben, die Mühle an einen privaten Investor, Herrn Hesse, verkauft. Dieser baute das Mühlengebäude zu Wohnzwecken um, nutzt aber die eingebauten Wasserkraftanlage zu Herstellung von elektrischem Strom. Nach Auskunft des Alt-Müllers Moldenhauer wird dafür etwa 1/3 des Wassers im Leineoberlauf benötigt und in die Kleinen Leine umgelenkt. Dafür bleibt das Wehr weiterhin in vollen Umfang erforderlich.

2003 – heute

2003 ereignete sich ein großer Durchbruch der Kleinen Leine über das Amtswerder, die Wasserschifffahrts-verwaltung hatte große Aufwendungen, um die Wasserläufe wieder in ihr altes Bett zu zwingen. Im November 2006 berichteten die Zeitungen letztmalig über aufwendige Arbeiten, mit denen das Wehr in die alte Form gebracht wurde. Bei einer Höhe des Wehrs von 35,89m über NN wird zu aller Zufriedenheit ein Wasserspiegel von 36,00m über NN erreicht. Was früher nur unter größten Schwierigkeiten zu bewerkstelligen war, erledigt heutzutage ein Bagger im Nu.

Neustädter Zeitung

Neustädter Zeitung vom 11.11.2006

Leine Zeitung

Leine Zeitung vom 18.11.2006

Heute stellt sich der Wasserfall wieder in seiner gewohnten Wildheit vor. Das mächtige Rauschen und Toben der herabstürzenden Wassermassen lässt den Radwanderer, der den Schildern zum Wasserfall gefolgt ist, staunen.

Wasserfall in der Apfelalle bei Hochwasser

Wasserfall in der Apfelalle bei Hochwasser

Wie eine Postkarte es darstellt, wird dieses großartige Schauspiel in eine Reihe mit den großen Naturereignissen dieser Erde gestellt.

Postkartenmotiv von Tanja Weiß - Wasserfälle der Welt

Postkartenmotiv von Tanja Weiß – Wasserfälle der Welt

[HD August 2008]


 

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