Was ist der Namensursprung von „Rübenberge“? Rübenberge, weil da Rüben wachsen? Nein. So einfach ist das nicht. Hier wachsen vielleicht Rüben in der Region und mache haben auch eine Rübennase. Doch einen „Rübenberg“ hat es nie gegeben. Schließlich wurde die landesübliche Zuckerrübe erst sehr spät kultiviert.

Vom 2006 verstorbenen Robert Gernhardt sind folgende Zeilen aus „Hannover- Bremen. Eine Winterreise- Trilologie“

 

Aufsteigt da ein Hügel riesig,

dass er jene Stadt verzwerge

die zu schaun ich nie erträumte

„Neustadt“, sprich: „Am Rübenberge“.

Der Beiname „am Rübenberge“ weckt aber nicht nur bei Herrn Gernhardt Erheiterung, das erleben Neustädter immer wieder. Die Frage nach der Herkunft dieses merkwürdigen Beinamens drängt sich immer wieder mal auf und hat schon einige Chronisten beschäftigt.

In den von Annette von Bötticher und Klaus Fesche zusammengestellten „Urkunden des Neustädter Landes“ zwischen 889 bis 1388 kommt ein Name für Neustadt in mindestens 12 Varianten vor. Seit den Anfängen heisst unsere Stadt Nova Civitate (Neustadt), Niegenstadt, Nyenstad, Nienstadt u ä.. Wann man der Stadt erstmalig einen Beinamen zur Unterscheidung zu vielen anderen Neustädten gegeben hat , liegt im Dunkeln.

Erst 1436 stellt Herzog Wilhelm von Braunschweig- Lüneburg eine Urkunde aus, in der der Satz vorkommt „ umme nut und beterunge willen Unses Bleckes der Nienstadt vor dem Röuwenberge belegen“.

Barby hat in seiner Kirchenchronik der Kirchengemeinde Neustadt herausgefunden:

1493 : Notar Remmer tut kund, dass vor ihm Geseke, die Witwe des Johann Drude, vormaligen Einwohners zu Neustadt bei der Veste Rouenberge (opidi Nyenstade prope castrum Rouenberge), vier rheinische Gulden dem Kloster Loccum geschenkt. (Quelle: Calb. Urkb.Urk882)

1556 schliesst Erich II eine Urkunde mit den Worten „Gegeben zur Neustadt auf unserem Schloß Röuwenberge

1585 steht am Kopf der Musterungsrolle: Stadt Neustadt am Ruhveberg

Wie sich der Name der Stadt aus den verschiedenen Schreibweisen zu Neustadt“ entwickelt hat, ist leicht nachzuvollziehen. Aber wie ist der Beiname „am Rübenberge“ entstanden?

Mit Rüben hat das sicher nichts zu tun, zum Einen würden aus geologischen Gründen hier keine gedeihen, zum anderen ist die Rübe sehr viel später verbreitet worden.

Es gibt auch die Ansicht, es könne von „Räuberberg“ stammen. Allerdings ist über Raubritter- oder Räuberunwesen hier nichts bekannt, hat doch die Stadt einen sicheren Flussübergang und zur Bewachung früh eine feste Burg. Diese allerdings trägt irgendwann den Namen Rouenberge, Röuwenberge, Ruhveberg, daraus läss sich „Räuber“ schwer ableiten.

Allerdings könnte „rouwen“ auch oder „ruhven“ auch „Ruhen“ gemeint haben. Vielleicht passt in der hochdeutschen Übertragung „Ruheberg“ besser. Winkel zeigt in seiner Chronik von Neustadt (1966) die Möglichkeit auf, wonach sich aus dem Mittelhochdeutschen aus „Ruhve“ bzw „Rouwen“ das Wort „Ruhe“ ableiten ließe. Möglicherweise haben die Grafen von Wölpe einst auf dem „rouweberge“ eine Ruhestätte geschaffen hätten. Für wen? Von dieser strategisch bedeutenden Stellung aus konnte man Landsmannschaften schnell an beliebige Kriegsschauplätze verlagern. Der Rouwenberg könnte also die Nachtstätte von Soldaten oder Garnisonen gewesen sein. Vielleicht suchten die Grafen aber auch einfach selber Ruhe vom Alltag, um sich zu unterhalten oder zum Jagen.

Nach einem Ausflug in die Geologie dieser Gegend kommt man vielleicht zu einem anderen Schluss: Der Untergrund von Neustadt ist teilweise von einem 135 Mio Jahre alten Sockel aus sehr harten Wealderton durchzogen, der auch die Ursache für den Wasserfall und die Stromschnellen in der Leine ist. Auf diesem standfesten Ufergrund haben die Grafen von Wölpe seinerzeit die erste Burg errichtet. Es handelt sich hier offensichtlich um einen rauen Untergrund. Der Rouwenbarg wäre also ein rauer, steiniger Berg. Allerdings fand damals das Wort „rauh“ eher als „ru“ Verwendung, wie in Rufunder (Rauhfutter) oder Rufrost (Rauhfrost). Viele Neustädter neigen dennoch zu der Ansicht, dass durch Lautverschiebungen aus Rouenberge, Röuwenberge, Ruhveberg = Rauer Berg der Rübenberg entstanden ist.

Andere eigenwillige Deutungen finden sich immer wieder. Ohne besondere erhellende Erklärung behauptet Johannes Merkel 1899 in seinem sonst sehr verdienstvollen Beitrag über die Hexenverfolgungen in Neustadt (Die Irrungen zwischen Herzog Erich II und seiner Gemahlin Sidonie) : „Residenz am Rüben= (eigentlich Rob=) Berge“.

Halten wir es doch mit den Versen, wie sie uns heute leider unbekannter Dichter im Dezember 1950 in der Leinezeitung zum Besten gegeben hat.

Wo ist der Rübenberg?

„Können Sie mir bitte sagen,

wo den Rübenberg ich finde,

daß mein Herz dann hoch am Gipfel

sich am Landschaftsbild entzünde?“

Also ward ich angesprochen

jüngst von einem Kurzbehosten,

den um die gebräunten Wangen

viele Stürme schon umtosten.

Ratlos sah er auf die Karte,

wo kein Berg rings zu entdecken:

und ich wollt den Weitgereisten

nicht aus unser Landschaft schrecken.

„Muß man alles wörtlich nehmen?“

frage ich in seine Sorgen,

„Wenn Sie „Hundekuchen“ kaufen,

ist da drin kein Hund verborgen.“

„Auch in der „Napoleonschnitte“,

nickte er darauf schon weiser,

„sucht nur ein ganz großer Laie

etwas vom Franzosenkaiser !“

„Sie gehörn nicht“ sprach ich lobend,

„zum Volk der Gedankenzwerge,

darum woll’n wir einen trinken

auf Neustadt ohne Rübenberge!“

(Stachelschwein)

[CD, Juli 2006, überarbeitet von HD, Januar 2009]


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