Ziegel, Ziegelmacher und Ziegeleien in Neustadt: Teil 2 – Über die Ratsziegelei
Teil 1: Allgemeines über Ziegel in Neustadt
Teil 3: Die Plaß‘ sche Ziegelei von 1870
Die städtische Ratsziegelei lag am rechten Leineufer an der Suttorfer Straße etwa in Höhe der heutigen Straße Ziegeleiberg. Auf der Kurhannoverschen Landesaufnahme von 1771 ist diese Ziegelei eingetragen.
Es hatte seit jeher allein die Stadt das Privileg, Ziegelsteine zu brennen. Deshalb musste die Regierung nach dem Bau der Großen Leinebrücke (1688) den Kalkofen, der beim Bau der steinernen Brücke errichtet war, wieder abreißen. Mit ihm durften nicht, wie geplant Ziegel, gebrannt werden, da das Privileg der Stadt damit verletzt wurde. (Es ist nicht gesichert, ob Ziegel aus Neustadt bei der Reparatur der Kirche und beim Bau des Schlosses benutzt werden durften, da die Sanierung der Bauwerke nicht der Stadt unterlag.)
Aus einem „Taxatum“ von1823 ist ersichtlich, woraus die städtische Ziegelei bestand: In der Schätzung werden aufgeführt: „Trockenhaus, Brandofenscheuer, Torfscheuer, die Erdmühle mit Geräten.“
Diese Pläne zeigen den Bestand von 1834. Eine „Trockenscheure“ (= Schuppen) und eine „Torfscheure“ sind der „Brennofenscheure“ zugeordnet. Eine weitere „Trockenscheure“ ist als Privateigentum des Pächters ausgewiesen. Im Trockenschuppen befinden sich „Thon= Gruben“ sowie eine „Thon= Mühle“. Hier wurde wahrscheinlich der Ton mit Wasser vermischt und unerwünschte Bestandteile wie Wurzeln, Pflanzenteile und Geröll ausgewaschen. Anschließend wird der Ton in Formen gepresst und zum Trocknen gelagert worden sein. Im Ofen wird die Rohmasse dann bei Temperaturen um 950 Grad und mehr gebrannt.
1833 erließ die Landdrostei eine Verfügung, wonach in allen Ziegeleien die Ware nach einheitlichen Maßen herzustellen war, „damit in Zukunft dem bauenden Publico die Möglichkeit verschafft werde, Baumaterial von gleicher Größe aus verschiedenen Ziegeleien zu beziehen.“
Der Ziegelhof wurde, wenn er nicht zeitweise vom Magistrat in Eigenregie geführt wurde, auf 6 Jahre verpachtet. 1802 stellt der Bürger Ludwig Römer das Gesuch zur Überlassung der Ziegelei. Da Pächter sich das Tonmaterial selber beschaffen mussten, stellte er gleichzeitig den „Antrag wegen eines Ankaufs thonhaltigen Landes behufs Betriebe der Stadtziegeley“. 1833 stellt der Ziegeleibesitzer August Rathe aus Otternhagen den Antrag um Verlängerung der bisher 12 Jahre währenden Pacht. Für ihn scheint sich die Sache rentiert zu haben. Dennoch erhielt offensichtlich der Gastwirt Heinichen den Vertrag und hatte ihn zunächst auf weitere 12 Jahre und dann bis 1852 verlängern können. Die Pacht blieb er jedoch für einige Jahre schuldig; wie die Pachtforderungen gegen den Gastwirt Heinichen ausgegangen sind, verschweigen die Annalen.
Auch der Pächter Ernst Schwarz kam um 1884 in Bedrängnis, weil seine eigenen Grundstücke ausgebraucht waren. Seinem Wunsch, dass ihm die Stadt geeignete Flächen zur Verfügung stellen sollte, kam diese nicht nach und bot ihm stattdessen ein Grundstück zum Kauf an. Das lehnte Schwarz wohl ab, das Ende der Ziegelherstellung aus Mangel an Ton war absehbar.
Dennoch plante der Maurermeister Redderoth im Auftrag des Bürgermeisters von Berkefeldt 1886 den Neubau eines Dachsteinofens.
Seit dem Gebäudebestandsplan von 1834 sind einige „Trockenschoppen“, sogar 2 Wohnhäuser und ein Pferdestall hinzugekommen. Mit einem zusätzlichen Brennofen nur für Dachsteine gedachte man wohl, den Betrieb leistungsfähig zu erhalten.
Im Jahre 1899 bescheinigt die „Vereinigte landschaftliche Brandcasse zu Hannover“: „Die Versicherung der nachstehenden Gebäude des Magistrats ist seit dem 15. August 1898 aufgehoben“.
Damit wird die städtische Ratsziegelei aufgehört haben zu existieren. Die in der Versicherungspolice angegebene Adresse „Auf der Ziegelei“ ist in der Verfügung über Straßennamen von 1908 nicht mehr enthalten.
Die Gebäude sollen Ende des 19. Jahrhunderts abgebrochen worden sein. Heute deutet nichts mehr auf die Existenz der Ziegelei hin.
Die Sache mit Kloster Mariensee
1731 erlebten Bürgermeister und Rat eine böse Überraschung: Sie erhielten einen Brief des Amtmanns Engelbrecht aus Mariensee, der folgendermaßen lautete:
„Aus unseren Akten ergibt sich: Ein hierselbst gewesener Probst namens Magno Lavenode hat anno 1407 an Bürgermeister und Rat zu Neustadt 130 vollwichtige Rheinische Goldfl. (Goldgulden) gegeben, welche niemals wieder abgelöst werden sollten. Dafür musste der Rat zwischen Jakobs- und Liebfrauentage alljährlich 1.000 Mauersteine liefern“
Diese Verpflichtung war wohl schon lange vergessen. Man einigte sich also nach über 300 Jahren auf eine Anpassung des Vertrages mit der Bedingung:
„Der Rat ist gehalten, vor allen dem Kloster die benötigten Steine zu einem Preise zu überlassen, wie ihn die Neustädter Bürger zahlen. Es werden 500 Dachsteine und 1.000 Mauersteine jährlich an hiesiges Kloster geliefert“ (Winkel S 248)
Die Entdeckung dieser Verpflichtung war umso betrüblicher, weil nach dem verheerenden Brand von 1727 viel Eigenbedarf anstand. Dennoch wurden die Steine geliefert, 1774 bescheinigte das Kloster, die Ziegel oder den entsprechenden Geldwert regelmäßig bekommen zu haben. (Winkel S 248)
Für die „Spezialtheilung und Verkoppelung“ wurden bereits1865 Ansprüche für abzulösende Berechtigungen und Zins (Gefälle) angemeldet. 1870/ 71 wurde das Verhältnis aufgelöst, Der gesamte Recess war 1889/90 abgeschossen.
Teil 1: Allgemeines über Ziegel in Neustadt
Teil 3: Die Plaß‘ sche Ziegelei von 1870
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