Teil 1: Baracken in Neustadt bis 1945

Teil 2: Notunterkünfte in der Nachkriegszeit bis 1969

Teil 3: Neuer Wohnraum in Neustadt am Rübenberge

Nach dem 2. Weltkrieg

Baracken: Notunterkünfte in der Nachkriegszeit bis 1969 spielten eine wichtige Rolle. Bereits kurz nach Beendigung des Krieges beschäftigt sich die Militärregierung mit Barackenlagern und zählt von insgesamt 44 bestehenden Lagern im Kreisgebiet in der Stadt Neustadt auf:

  • Reichsarbeitsdienstlager Feldstrasse, wintertauglich , unbelegt
  • Kuhtränke 30 Personen
  • Lecinwerk Suttorfer Strasse 50 Personen
  • Moorverwertung an der Eisenbahn 100 Personen
  • Rischbieth Am Kleinen Tösel 30 Personen
  • Torfverwertung Poggenmoor  120 Personen

(KA NRÜ 2037)
Im und nach dem Zweiten Weltkrieg kamen unendliche Scharen Heimatvertriebener aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Deren Unterbringung stellte die Behörden vor enorme Probleme. die Siedlung Großmoor blieb weiterhin bewohnt. Das Adressbuch von 1949 verzeichnet weitere Baracken und Behelfsheime:

  • Lindenstrasse (13 Adressen) ,
  • Am Felde (7Adressen) (heutige Königsberger Strasse)
  • Rischbieths Moor (8 Adressen)
  • und etwa 8 weitere einzelstehende Baracken oder Behelfsheime.

Später kommen hinzu Baracken

  • Im Kühlen Grunde,
  • Am Ahnsförth (Früherer Teil der Kornstrasse nördlich der Landwehr)

In der Kreisstadt zählte man 1950 45 Baracken, 6 Notbaracken, und 15 Behelfheime. In den Baracken an der Feldstrasse wohnten allein 243 Personen, in denen in Großmoor 105 (LZ 13. Okt 1950)

Flüchtlinge in Privatunterkünften

Darüber hinaus waren Flüchtlinge in jeder erdenklichen Privatwohnung, aber auch in Schulen, Hallen usw. einquartiert.

Eine geringfügige Entlastung stellte sich ein, als 374 Flüchtlinge, allerdings aus dem gesamten Kreis Neustadt, nach Rheinland Pfalz umgesiedelt werden konnten. (LZ 15.6.1950)

1951 wurden verschiedene Baracken an der Feldstrasse „winterfest“ gemacht. Zwei Baracken am Kleinen Tösel gehörten der Fa. Rischbieth und der Eigentümer strebte den baldigen Abbruch wegen Baufälligkeit an, konnte dieses kurzfristig aber nicht durchsetzen. Eine Umsetzung der darin wohnenden Familien stand wegen Erwerbslosigkeit oder fehlenden alternativen Wohnangebotes nicht in Ausicht.

1960 gelang es der Stadt Neustadt, die Fa. Kali- Chemie für das ungenutzte frühere Lecin- Werk Dr.Laves zu interessieren. Ein dort von 4 Familien bewohntes Behelfsheim sollte Platz machen. Deren Unterbringung in einen ursprünglich zum Abbruch vorgesehenen Teil des Lagers Feldstrasse musste die Stadt beim Minister für Aufbau besonders beantragen. (NRÜ KA 1366)

Doch noch 1961 zählt Neustadt zu den barackenreichsten Städten Niedersachsens. In der Feldstrasse stehen noch sieben, in der Königsberger fünf, an der Moordorfer Strasse zwei Baracken mit insgesamt 128 Mietparteien, dh ca. 500 Personen (LZ 6.1.1961)
Barackenlager Feldstrasse nach 1945

Die britischen Rheinarmee

Zunächst war das Barackenlager, wie der gesamte Bereich der Landwehr, von der britischen Rheinarmee beschlagnahmt. Die Stadt konnte nachweisen, dass ein Teil der vorhandenen Baracken ihr gehörte, für einen Teil waren die Eigentumsverhältnisse strittig und wurden über einen Treuhänder des „Niedersächsischen Landesamtes für die Beaufsichtigung gesperrten Vermögens“ vermietet. Erst im Mai 1951 wurden der Rest von der Stadt gekauft. Ergänzt wird das Lager um eine Baracke, die an der Scharnhorststrasse 16 (der heutigen Theodor- Heuss- Strasse) stand, ebenso wie eine Baracke der Fa. Schlüter. Auch die Baracken an der Lindenstrasse, (26,90 m x 8,20 m gross), wurden als Baracke „Feldstrasse 8; Baracke 21″ umgesetzt.

Die ehemaligen RAD Baracken an der Feldstrasse , der heutigen Hans- Böckler- Strasse- ,wurden am 26.1.1950 durch die Besatzungsmacht vorerst den Landkreis übergeben. In einem Schreiben des Landkreises an die Stadt Neustadt macht sich dieser Gedanken über die Verwendung der Baracken vornehmlich zur Auflösung von anderen Massenquartieren, aber auch zu Berufsschulzwecken und zur Einrichtung eines Jugendhilfswerkes. Tatsächlich ist die Berufsschule einige Jahre in einem Teil der Baracken tätig gewesen.

Die Baracken hatten eine durchschnittliche Grösse von 8,30 m x 26,60 m.
Bei den vielen Wohnbaracken wurde,- soweit noch bekannt- unterschieden zwischen den Adressen: Feldstrasse 8, Baracke Nr 9 bis 21.

Das Adressbuch von 1949 verzeichnet etwa 80 Adressen an der Feldstrasse 8, wovon bei einigen auch die Barackennummer angegeben ist, nämlich die Barackennummern 10, 11, 12, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21. Das Adressbuch von 1958 unterscheidet bei inzwischen 89 Adressen nicht mehr zwischen den Barackennummern.

Die Elendsviertel von Neustadt

Die Baracken waren von Anbeginn an eine Zumutung. Als Arbeitsdienstlager dienten sie ursprünglich dem Aufenthalt junger gesunder Männer. Durch Leerstand und nach der Unterbringung sogenannter displaced persons ,- russischer DPs, waren sie für längerfristige Wohnzwecke eigentlich unzumutbar geworden. Die Presse nahm sich des Themas an:

Ein Elendsquartier - Aus der Leinezeitung vom 12. Januar 1950

Ein Elendsquartier – Aus der Leinezeitung vom 12. Januar 1950

Aus der Leinezeitung vom 31. Januar 1950

Aus der Leinezeitung vom 31. Januar 1950

Im März 1950 bildete sich ein Lagervorstand aus 5 Herren, die ihre Wünsche an die Stadt formulierten. Die Leinezeitung (15.März 1950) bemerkt: „Ohne Frage wird die Erfüllung der Wünsche der Barackenbewohner von der Stadt Opfer verlangen. Man darf aber nicht vergessen, daß das Flüchtlingsproblem dringend der Lösung bedarf.

Fotos vom Lager Feldstrasse etwa 1947 / 48

Feldstrasse Neustadt am Rübenberge

Feldstrasse Neustadt am Rübenberge (Aus Kreisarchiv, Sammlung Niffka)

Feldstrasse Neustadt am Rübenberge

Feldstrasse Neustadt am Rübenberge (Aus Kreisarchiv, Sammlung Niffka)

Notunterkunft in Neustadt

Notunterkunft in Neustadt (Aus Kreisarchiv, Sammlung Niffka)

Die Zeitschrift „Der Niedersachse“ kündigt am 9.2.1952 ernsthaft das Verschwinden des „Elendsviertel mit seinen elf Wohnbaracken, ein Schandfleck unseres Stadtbildes“ an. Der neugewonnene Platz an der Feldstrasse würde nach Verschwinden der Baracken im Rahmen der Ansiedlungspläne von Industrieunternehmen in der Kreisstadt infolge der günstigen Lage an der Eisenbahnstrecke ein wertvolles Industriegelände darstellen (NRÜ III 132). Das hielt die Verwaltung nicht ab, noch 1953 ein umfangreiches kostenintensives Programm zur Winterfestmachung, den Neubau, Verlegung und Instandsetzung von Wohnbaracken zu erstellen.

Lagermässige Unterbringung

Eine Auflösung des Lagers Feldstrasse war also noch lange nicht in Sicht. Vermutlich wurde ein Teil der Baracken schon geräumt und abgerissen. Der „Barackenzustandsbericht“ vom 25.1.1955 für die Baracken 9, 10, 12, 13, 16, 18, beschreibt den Zustand so: „Die aufgeführten Wohnbaracken können nur als Notunterkünfte oder die vorläufige lagermässige Unterbringung von Menschen angesehen werden. Die Bewohner einer Baracke haben eine gemeinsame Waschküche, mehrere Familien einen gemeinsame Abort und fast jede Familie einen Abstellraum in einer sogenannten zu jeder Wohnbaracke gehörenden Wirtschaftsbaracke. Kellerräume sind ausser der Baracke 10 nicht vorhanden. Sämtliche Baracken haben ein Pappdach, massive Schornsteine und Beleuchtung,“ (NRÜ III 132)

Aber mit Datum vom 3. 1.1958 wird ein Gutachten über den baulichen Zustand der Baracken 9, 10, 12 und 13 im Barackenlager Feldstrasse erstellt. Der Gutachter stellt eine Reparatursumme von 90.000 DM fest, – damals ein hoher Betrag- , und weist darauf hin, dass in den Folgejahren mit weiteren hohen Reparaturkosten zu rechnen sei.

Ausschnitt Stadtplan von 1951 - aus NRÜ III 115 (Bau, Instandsetzung und Abriss der Flüchtlingslager / Baracken in Neustadt)

Ausschnitt Stadtplan von 1951 – aus NRÜ III 115 (Bau, Instandsetzung und Abriss der Flüchtlingslager / Baracken in Neustadt)

Im September 1960 konnten weitere 2 Baracken geräumt werden, wovon eine abgerissen, die andere aber mit Bewohnern aus den Baracken des Lecinwerkes bezogen werden soll. Die noch strittigen Baracken 9,10,12, 13 bestanden aus 24 Wohnungen und sollten ebenfalls geräumt werden. Für deren Bewohner waren mehrere 4- Familienhäuser an der Breslauer Strasse im Bau. Dennoch weigerten sich 6 Familien auszuziehen, weil ihnen die Ersatzwohnungen zu klein waren oder sie an der Moordorfer Strasse zu weit vom Stadtzentrum entfernt lagen. (NRÜ KA 1366)

Baracken werden geräumt - Zeitungsnotiz v, 5.9.1960 (Aus NRÜ KA 1366 1957- 1961)

Baracken werden geräumt – Zeitungsnotiz v, 5.9.1960 (Aus NRÜ KA 1366 1957- 1961)

 

Kein Ende des Wohnungsdramas

Dennoch war kein Ende des Wohnungsdramas in Sicht, wie die Presse berichtet.

Ein Jammer in Neustadt am Rübenberge

1961 war aber ein verstärkter Flüchtlingsstrom aus dem Osten, dh der DDR zu verzeichnen. Die eigentlich zum Abbruch vorgesehene Baracke 10 mit 20 Räumen wurde vorgeschlagen, vorerst stehen zu lassen (KA NRÜ 1366 v 19.8.1961)

Tatsächlich dauerte es noch einige Jahre, bis an der Feldstrasse die letzten Baracken verschwanden. 1968 wurde an dieser Stelle mit dem Bau der Hans- Böckler- Schule begonnen. Im August 1969 wurde sie eingeweiht. Die Strasse wurde umbenannt in Hans- Böckler- Strasse und nichts erinnert mehr an die Adresse Feldstrasse 8, Baracken Nr xx.

weiter zu Teil 3: Neuer Wohnraum in Neustadt am Rübenberge


 

Historische Themen rund um Neustadt:

Weitere Artikel über die Geschichte der Stadt entdecken