Pferdeland in der Region Neustadt – Die Remonte von 1894 bis 1945
Wenn Sie die Landschaft zwischen Empede und Mariensee oder um Mecklenhorst oder Scharnhorst herum durchfahren, fallen Ihnen sicher die grossen Scheunen auf, die vereinzelt in der Gemarkung stehen. Es waren aber alles ursprünglich Pferdeställe, Relikte aus einer Zeit, als das Militär noch Pferde brauchte.
Bis 1945 konnte man auf umgebenden Wiesen noch grosse Herden mit hunderten von Pferden beobachten. Besonders Marienseer der älteren Generation können sich sicher noch gut an die freilaufenden Pferde auf den Koppeln längs der Leine erinnern. Im Folgenden soll die Erinnerung daran wachgehalten werden.
Was hatte es mit diesen vielen Pferden auf sich? Bereits 1894 übernahm der preußische Reichs-und Militärfiscus das Vorwerk „Scharnhorst“, um hier Militärpferde, Remonten, aufzuziehen. Oberamtmänner verwalteten es von Mecklenhorst aus, welches schon 1771 auf der Kurhannoverschen Karte als Königliches Vorwerk existierte.
Seit 1896 bis 1945 wurde das im Eigentum der Klosterkammer stehende Klostergut Mariensee als „Remonteamt“ benutzt und gehörte als Vorwerk ebenfalls zur Remonteverwaltung mit Sitz in Mecklenhorst.
Es hatte die Aufgabe, 2- bis 3jährige junge Pferde für den Militärdienst auszubilden. Die Pferde auf diesen Koppeln waren also für das Militär bestimmt und hießen „Remonte“. Der Begriff „remonter“ stammt aus dem Französischen und bedeutet „austauschen, auswechseln“. Die „Remonte“ bedeutet also Ersatzpferd, besonders für den militärischen Bereich. Sie wurden für die jährlich vom Militär ausgemusterten Pferde benötigt. Die meisten waren Warmblüter, seltener Kaltblüter und kamen zumeist aus privaten und staatlichen Gestüten und Bauernhöfen um Hannover herum und aus Norddeutschland, aber auch aus dem ehemaligen West- und Ostpreussen wie die Trakehner. „Hier reiften unter straffer täglicher Bewegung in allen Gangarten Anatomie und Pferdepsyche, wobei noch nicht geritten wurde . Die Tiere gewöhnten sich an Stallkasernen und Militärumgebung wie Schüsse, Pauken, Fahnen. Danach hatten sie als Zugpferde bei der Artillerie und im Transportdienst (Train) neun Jahre, als Reitpferde bei den berittenen Truppen und Stäben zehn Jahre vor sich. Im ersten Truppenjahr mit Ausbildung galten sie noch als Remonten.“ (Wikipedia)
Die Belegschaft des Depots in Mariensee bestand z. B. im Jahre 1900 aus einem Wirtschaftsinspektor, dem Oberen Roßarzt, einem Futtermeister, einem Hofmeister, einem Großknecht, 7 Knechten sowie 3 Arbeitern. Mit der Gründung des Remonteamtes in Mariensee nahm die Anzahl der Einwohner des Ortes um etwa 100 Personen zu, für sie entstanden die Häuser nördlich des Gutes.
Es wird berichtet, dass sich die damalige Äbtissin des Klosters gegen die Gründung des Remonteamtes aussprach, weil sie wegen der nunmehr grösseren Anzahl von iungen Männern um die Sittlichkeit ihrer Conventualinnen, der Klosterdamen, fürchtete.
In Scharnhorst wurden 1894 nach dem Umbau von Schafscheunen zu Pferdeställen zunächst 80 Pferde, später 200 ständig untergebracht. Auch in Mariensee wurden seit 1896 etwa 200 Remonten betreut. Sie waren in kleinere Herden aufgeteilt und bewegten sich in Pferdekoppeln, die mit Holzzäunen eingefasst waren. Zwischen den einzelnen Koppeln waren Treibwege freigehalten, um Herden zu trennen und einzelne kleinere Herden zwischen den Koppeln hindurch z.B.auf andere Weidegründe verlegen zu können. Die Landstrasse entlang der Marienseer Koppeln trug landläufig den Namen „An der Reit“.
Die Aufgabe eines Manns bestand wohl auch darin, etwa 25 Pferde an Sattel und das Reiten zu gewöhnen oder sie als Zugpferd vorzubereiten. Die Pferde mussten hauptsächlich auch medizinisch gut versorgt und besonders viel bewegt werden. Die Reitknechte konnten sich ein Pferd zum Reiten aussuchen.
Dem Gut gegenüber, auf der dem Kloster zugewandten Seite war die Beeke zum sogenannten Amtsteich aufgestaut. Er ist schon in alten Karten als Viehtränke verzeichnet. Hier konnten die Pferde zur Erfrischung oder zur Reinigung durchgetrieben werden. Es wurden aber auch ganze Gespanne durchgefahren, damit sie hier vom Ackerschlamm gesäubert werden konnten.
Ein bis zweimal jährlich wurden Pferde dem Militär übergeben. Dazu erschien ein „Schleppkommando“ welches die Remonten abholte. Diese Einheiten waren wohl in der Regel 8 bis 10 Unteroffiziersränge und um 60 bis 70 Gemeine stark. Sie wurden im Dorf einquartiert und auch von den Quartiersleuten gegen Entlohnung verpflegt. Die Soldaten kamen aus den verschiedensten Einheiten: vertreten waren Kürassiere, Dragoner, Ulanen, Husaren, Jäger, die Feldartillerie, der Train usw., die sich die benötigte Anzahl von Ersatzpferden für ihre Truppen abholten.
Die Bedeutung ging aber noch über das Militärische hinaus: während der Ausbildung in der Landwirtschaftlichen Winterschule wurden die jungen angehenden Landwirte mit Pferden, deren Pflege, Eigenheiten, Krankheiten usw. besonders vertraut gemacht. In den jährlich seit 1893 herausgegebenen Jahresberichten wurde der Vorrang der Schule in Neustadt besonders hervorgehoben: „namentlich durch das in unmittelbarer Nähe gelegene Königliche Remontedepot Mecklenhorst und Mariensee von über 400 Morgen Größe, mit ca 400 Pferden und verfügt über ein Demonstrationsmaterial, insbesondere für Pferdezüchter, wie es sich selten findet“.
Gelegentlich hat das Remonteamt auch Pferde verkauft oder versteigert, die wohl vom Militär nicht abgenommen oder nicht geeignet waren.
Das Baujahr der in der Feldmark von Mecklenhorst stehenden Ställe ist unbestimmt, aber ein Entstehungsjahr im 19.Jahrhundert ist wahrscheinlich. Ein Beleg dafür ist die Jahreszahl 1864 im nördlichem Giebeldreieck der ähnlich gestalteteten Scheune an der Ortsdurchfahrt von Mecklenhorst. Im Baustil unterscheiden sich die Stallgebäude: die Mecklenhorster Scheunen haben Schleppgauben und wirken breiter. Am Weenser Damm und in Mecklenhorst An den Teichen finden sich mind. 4 solcher ehemaliger Ställe, ebenso nördlich der Mecklenhorster Strasse ein weiterer.
Die Marienseer Scheunen dagegen werden laut „Baudenkmale in Niedersachsen“ auf ein Baujahr um 1935 datiert und als architektonische Besonderheit beschrieben. In Scharnhorst wurden 1936 / 38 drei Pferdeställe gebaut.
Beide Typen aber haben abgeböschte Giebelwände, an den Seitenwänden dazu eine Reihe von schrägen Strebepfeilern.
Nachdem die Remonteämter 1945 aufgelöst wurden, gebrauchten die Nachfolger die Gebäude sinnvoll weiter. Zum Beispiel wurde ein Gebäude bei Mariensee zu Wohnzwecken umgebaut. Aus den Pferdeställen wurden Schafställe und Schutzscheunen für sonstiges Vieh. Sie wurden auch als Speicher benutzt oder dem THW zur Verfügung gestellt. Die Weiterverwendung der ehemaligen Remonteställe bewirkte daher einen weitgehenden Erhalt der Gebäude. Sie stehen heute unter Denkmalsschutz.
1945 bemächtigten sich die Engländer des Pferdebestandes. In Scharnhorst behielten sie 80 Morgen Weide für die Pferde, die sie für eigene Zwecke requirierten. Dafür bürgerte sich hier die Bezeichnung „Tommy-Weiden“ ein.
In Mariensee hingegen behielten die Engländer auch die jungen Pferde, die älteren aber wurden geschlachtet. Das Fleisch wurde unter der Bevölkerung aufgeteilt, insbesondere unter den vielen im Kloster untergebrachten Flüchtlingsfamilien. Es sollen riesige Mengen gewesen sein, je Familie wurden 25 Kg. Fleisch zum Verbrauch und zum Einkochen vergeben.
Die Zeit der Remonte war hier nach fast 50 Jahren zu Ende. 1945 zog die ursprünglich bei Rostock angesiedelte Kaiser- Wilhelm- Gesellschaft für Tierzuchtforschung in die Gebäude ein. Aus dieser Gesellschaft wurde 1948 das „Max- Planck- Institut für Tierzucht und Tierernährung Mariensee / Trendhorst“. Die Aufgaben und Namen des Instituts veränderten sich später, es blieb aber immer der landwirtschaftlichen Forschung verbunden. Nur mit Militärpferden hat es nie wieder etwas zu tun gehabt.
HD
Verwendete Quellen:
- Günther Kreft, Mariensee, 1997, Hrg. TSV Mariensee / Wulfelade.
- Baudenkmale in Niedersachsen, Region Hannover, 2005, Nds. Landesamt für Denkmalspflege
- Wikipedia, Stichwort „Remonte“
- Von Wolfgang Triebisch dankenswerterweise zur Verfügung gestellt, u.a.:Beitrag von Dr. Ernst Schilling, o.D.
- DIA- Vortrag von Johannes Junk über Scharnhorst, 1989,alle Schwarz- weissen Fotos