Wie erinnern sich Prominente an Neustadt? Bilder und Betrachtungen
Im Rahmen von Kultur- und anderen Veranstaltungen wird Neustadt am Rübenberge oft von auch Prominenten besucht. Engere Beziehungen zu unserer Stadt werden eher selten gepflegt. Schriftliche Notizen der Besucher wie z.B. die Spottverse von Robert Gernhardt (+ 2006) sind kaum überliefert. Dennoch können wir über einige bemerkenswerte Ausnahmen berichten.
Max Schmeling in Neustadt am Ruebenberge 1949
In der Gemeinderatssitzung vom 28.4.1949 berichtete Ratsherr Prause über eine beabsichtigte Sportwoche, die mit einer Großbox Veranstaltung verbunden werden sollte, zu der Max Schmeling als Ringrichter erscheinen würde. Es wurde angeregt, Schmeling ein Ehrengeschenk der Stadt zu überreichen. Die beantragte Steuerermäßigung von 3,4% wurde genehmigt. Die Veranstaltung sollte auf dem Geländer der sogenannten „Bleiche“ stattfinden. Dazu würde sogar Straßen gesperrt:
Die Leinezeitung war noch nicht wieder erschienen. daher wurde für die Veranstaltung wurde im Amtsblatt von Paul Hergt geworben.
Die Boxveranstaltung in Neustadt war schon ein herausragendes Ereignis, welches besondere Maßnahmen auch zur Verkehrslenkung erforderte. Das Auftreten des beliebten Max Schmeling zog offenbar Schaulustige von Nah und Fern an.
Einige Jugendliche konnten sogar eine Autogrammkarte von ihm ergattern. Leider ist nicht überliefert, wie sich Max Schmeling an Neustadt erinnerte, aber der Besuch des Ex-Weltmeisters war sicher ein Highlight in der Geschichte der Prominenten in Neustadt.
Dieter Hildebrandt, Schriftsteller, Schauspieler und Kabarettist
Den Schriftsteller, Schauspieler und besonders als Kabarettist bekannten Dieter Hildebrandt (1927-2013) verbindet ein Zufall mit Neustadt am Rübenberge. Der Redakteur der Leinezeitung, Dirk von Werder, hatte 2005 Gelegenheit, Hildebrandt anlässlich einer Lesung zu interviewen.
„In Neustadt wandelt er auch auf den Spuren seiner Vergangenheit.
–Hier habe ich im August 1945 gebadet-, sagt er vor dem Auftritt und zeigt auf die Leine unterhalb des Schlosses. Aus der Kriegsgefangen schaft entlassen, landete er für drei Monate in Neustadt, Hat sich mächtig verändert, ist ein schönes Städtchen.
Wie er nach Neustadt kam, schildert er in den mit Peter Ensikat herausgegeben Erinnerungen „Wie haben wir gelacht.“
Die Engländer, bei denen ich in Kriegsgefangenschaft war, ..fragten sich bald, was sie mit den hunderttausend Hungernden machen sollten, wie sie uns ernähren könnten. Da haben sie uns eben entlassen..…Wir mussten nachweisen, dass wir in Niedersachsen, wo wir uns ja befanden, Verwandte hatten….Ich habe hingeschrieben: Neustadt am Rübenberge, Hauptstraße 7. …Den Ort hatte ich mir nicht ausgedacht, sondern auf der Karte meines Hauptmanns gefunden. Der hatte als Offizier noch eine Kartentasche. Ich bin also entlassen worden und wurde die dreißig Kilometer in so einem Holzgasauto mitgenommen. Als wir da ausgestiegen sind in Neustadt am Rübenberge, schaue ich auf das Straßenschild, und da steht wirklich „Hauptstraße“. (Anmerkung: Ob er die Marktstraße, unsere Hauptstrasse gemeint hat?)
Ähnlich berichtet er über seine Landung in Neustadt in seiner Erzählung aus seinem Leben „Ich musste immer lachen“. Als amerikanischer Kriegsgefangener marschierte er aus der Altmark nach Hannover, wo er auf dem Fußballplatz von Arminia Hannover mehrere Tage festgehalten wurde. Die nunmehr zuständigen Engländer gaben dem jungen, aus Schlesien stammenden Soldaten Gelegenheit, nach innerhalb Niedersachsens entlassen zu werden. Mit Blick auf eine Landkarte suchten er und weitere drei schlesische Freunde sich den Ort Neustadt a. Rbge. aus. Was „a. Rbge“ bedeutete, wussten sie nicht. Auf dem Marsch dahin wurden sie von einem Lieferwagen, betrieben von Holzkohle, mitgenommen. Sie fanden auch bald eine Bleibe und Kontakte. Arbeit fanden sie bei den Engländern. Als erste gruben sie Löcher für den Zaun, der durch die Stadt gezogen wurde. (Die Engländer hatten das Landwehrviertel besetzt, vielleicht dafür?). Mit Arbeit bei einer Bäckerei und als Aushilfskellner fand Hildebrandt sein Auskommen. Nach etwa einem Vierteljahr ist er „in Neustadt am Rübenberge auf den Bahnhof gegangen und mit dem Frühzug nach Hannover gefahren“. Er suchte und fand seine Familie wieder, die Episode „Neustadt am Rübenberge“ war für ihn vorbei.
Uwe Johnson, deutscher Schriftsteller, 1934 – 1984
Wer Uwe Johnsons „Inselgeschichten“ gelesen hat, findet auf einer der ersten Seiten des Buches ein Typoskript abgedruckt, mit der Unterschrift „geschrieben am 31.12. 1977 in Neustadt am Rübenberge“. Was verbindet Johnson mit unserem Neustadt? Im Nachwort des Herausgebers Eberhardt Falke wird erklärt, dass Johnson, „dort im Niedersächsischen“, bei einer befreundeten Familie die Zeit des Jahreswechsels verbrachte (S 179) In der gastfreundlichen Umgebung hatte er nach einem „writers block“, (einer Schreibblockade?) wieder begonnen zu schreiben, und zwar jene Geschichte „Ach, Sie sind Deutscher?“, die als Typoskript abgebildet worden ist. Zu jener Zeit lebte Johnson auf der englischen Insel Sheppey an der Themsemündung und berichtet in den Inselgeschichte über seine Beobachtung seiner Umgebung.
Bereits 5 Jahre vorher,1971, hatte Uwe Johnson nach der Verleihung des Georg- Büchner- Preises eine Lesereise für einen Besuch bei den Neustädter Freunden unterbrochen. Am 31. Oktober 1971 schreibt er von dort einen Brief an die bedeutende deutsch jüdische amerikanische Publizistin Hannah Arendt (1906- 1975) aus dem „Niedersächsischen an einem Ort, wo sie anderes Papier nicht feilhalten“. Dabei ist der Erzählstil, freundlich, trocken, ironisch mit denen der Inselgeschichten vergleichbar. Auf immerhin 3 Buchdruckseiten weiß er zu berichten über Neustädter Skandälchen, weiß Bescheid über Schloss, Hexenverbrennungen, Scharnhorst und Hölty. Für Neustadt kann er sich wohl nicht wirklich erwärmen und fühlt sich fremd:
“Über Leute mit einer schwarzen Ledermütze auf dem Kopf wird hier gegrient, aber verhohlen, weil es doch die neueste Mode der Groß- Stadt sein könnte, und man begegnet den Fremden mit vorgezeigter Höflichkeit, damit sie von hier ja nicht ungünstige Nachrichten mitnehmen in die edlere Ferne“. (Hannah Ahrendt- Uwe Johnson, Der Briefwechsel 1967-1975, Frankfurt am Main 2004)
Georg Grabenhorst, Schriftsteller
Über Georg Grabenhorst, geboren am 21.2.1899 in Neustadt a. Rbge., gestorben 1997, schreibt Dietrich Redeker:
Georg Grabenhorst war der Sohn eines braven mit vielen Ehrenämtern beladenen Schornsteinfegermeisters…(in Neustadt a. Rbge) Er wohnte in dem Haus in der Leinstraße/ Ecke Apothekengasse. ….Seine Jugend war durch ein beispielhaft harmonisches Leben in der Familie gekennzeichnet.
Für den Besuch des Humboldt- Gymnasiums musste er täglich mit der Bahn fahren. Nach seinem Studium und Promotion 1922 machte er sich seit 1924 einen Namen als freier Schriftsteller mit Romanen, Erzählungen und Gedichten. In „Abenteuer der Jugend“ berichtet er, inzwischen bekannter Autor, wie er anlässlich einer Lesung in Neustadt in der 60er, 70er Jahren auf alte Bekannte traf. Es gab ein rührendes Wiedersehen mit alten Bekannten. Der Stadt Neustadt blieb Grabenhorst bis ins hohe Alter verbunden.
Bruder Karl Grabenhorst, geboren 1896 in Neustadt a. Rbge,, gestorben 1983, studierte Architektur und war zuletzt Stadtbaudirektor in Göttingen. Sein spezieller Bezug zu seiner Geburtsstadt offenbart sich in einer besonderen Fotoserie. Aus den Jahren um 1922 sind von ihm etwa 60 Glasnegative erhalten, die typische Neustädter Scene festhalten. Eine Auswahl dieser Bilder hat der Neustädter Museumsverein zur Stadtgeschichte als Kalender für 2015 herausgebracht. Die weidende Ziege im Schlosshof, das Schwein vor dem früheren Bielert‘schen Laden oder das Pferd an der alten Wache geben sein Bild eines wahrlich beschauliches Städtchen wieder.
HD Oktober 2014
Dank an Eugen Sühlo und Herrn Knebel für ihre Hinweise auf Johnson und Hildebrandt
Literaturnachweise und zum Lesen empfohlen:
- Dietrich Redecker „Das alte Neustadt in heiteren Bildern“, Verlag Sicius
- Dieter Hildebrandt, mit Bernd Schroeder „Ich musste immer lachen“, Kiepenheuer und Witsch, 2006
- Dieter Hildebrandt, mit Peter Ensikat „ Wie haben wir gelacht“, 2013
- Leinezeitung vom 13.05.2005, Interview mit Dirk von Werder
- Uwe Johnson Inselgeschichten, Suhrkamp, 1995
- Briefwechsel Hannah Arend- Uwe Johnson 1967-1975, Frankfurt a. Main 2004
- Georg Grabenhorst, Abenteuer der Jugend, Erzählungen, August Lax 1969
- Karl Grabenhorst, Fotoauswahl im Fotokalender 2015 des Museumsvereins Neustädter Land e.V.
- Wikipedia