Über historische Hochwasser in Neustadt und ähnliche Dramen
Wenn im Frühjahr im Harz und dem Eichsfeld einsetzte und langanhaltende Regenfälle die Leine anschwellen ließ, trat auch schon in früheren Zeiten der Fluss vor Neustadt über die Ufer: Hochwasser. Aus dem Merianstich von ca. 1652 geht hervor, dass es in der breiten Leineau reichlich Rückstaufläche gab. Aber die drei Brücken über die große und kleine Leine waren aus Holz, Hochwasser hat sie leicht zum Einsturz gebracht. Die mittlere Brücke über den Werder war eine Flutbrücke, genannt Poggenbrücke.
Winkel stellt fest: „Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass sich die Leine hier in alter Zeit in mehrere Arme teilte, Werder bildete (…).“ (Winkel S 36)
Bis heute verläuft die vor den Toren der Stadt verlaufende Leine noch durch eine großflächige Auenlandschaft und bildet ein natürliches Rückhaltereservoir gegen Hochwasser. Nur Leinewehr und die steinernen Brücken hindern den Wasserfluss.
Wir wollen in die Vergangenheit sehen, welche tatsächliche und beinahe Hochwasserereignisse in Neustadt dokumentiert sind.
1590 Der Neustädter Chronist Klages erwähnt wohl eine der ersten dokumentierten Überschwemmungen:
„ Aus älterer Zeit wird uns eine Wassernot für das Jahr 1590 bezeugt. Unter anderem wurde damals einem Ahrendt Moldenhauer das Haus umgetrieben, sodass er bettelnd durchs Land ziehen musste, um Mittel für den Wiederaufbau zu erhalten.“ (siehe Stedler, Beiträge)
Hochwasser führte insbesondere immer dann zu Ärger, wenn wieder einmal der Hauptpfeiler der Hauptbrücke zerrissen worden war, Wie all die Jahre zuvor mussten die Bauern in Scharen anrücken, um die Brücke und die Auffahrten im Rahmen der Frondienste wieder instand zu setzen. (Ehlich)
Im März 1673 machte das Hochwasser die Arbeiten an der gerade erst reparierten Brücke zunichte. Der Neustädter Amtmann forderte daher 30 Gespanne an. Sie sollten das „abgeflossene Brückenholz“ zurückholen, welches größtenteils in und um Empede gestrandet war. Auch aus Basse und Helstorf mussten Mandelsloher Gespanne wertvolles Holz aus dem Brückenunterbau zusammensuchen. Das war der letzte Anstoß zum Bau der steinernen Löwenbrücke, die 1689feierlich eröffnet wurde. Die Kleine Leinebücke entstand 1736.
Auch das Jahr 1748 stand unter keinem guten Stern. Das Leinehochwasser dieses Jahres trieb das bereits angefahren Bauholz für den Umbau der Schleuse so weit weg, dass das meiste nicht wiedergefunden werden konnte (Winkel S 258)
Um 1749 wurde von einem Sprengloch im Staudamm – dem heutigen „Wasserfall“- berichtet, durch das Schiffe mit Hilfe einer Winde passieren konnten. Dieses Loch, welches die Regierung früher hatte sprengen lassen, war 1749 noch nicht geschlossen, Zwar konnte durch dieses Sprengloch die Leine auch bei den seltenen Hochwasserereignissen besser abfließen, es minderte aber zum Nachteil der Mühle den Wasserzufluss in die Kleine Leine, dem Mühlenkanal.
1763 war man die dauernden Überschwemmungen des wichtigen Postweges von Hannover über Neustadt nach Bremen leid und verlegte ihn vom nahen Leineufer (etwa der heutigen Apfelallee)auf eine höhere Zone (der heutigen B6) mit Hilfe von Hand und- Spanndiensten besonders aus Bordenau. (Heiko Leerhoff, Niedersachsen in alten Karten)
Erst 1887 wurde nach Vorschlag der Stadt das Wehr erhöht, mit geringem Erfolg, das neue Wehr war schon nach zwei Jahren so brüchig, dass sich die Leine ihren alten Weg durch den Hauptstrom zurück eroberte. (Winkel S 261/62)
Neuzeitliches Hochwasser
Die Hochwasserstände seit 1881 sind in verschiedenen Marken dokumentiert. Vor der Brücke der Kleinen Leine, vor „Ferlemanns Haus“, sind übereinander die Höhen der Jahre 1909 und 1946 angezeigt, etwas weiter vor der Treppe zur Brücke hin auch die von 1981, leider von Narrenhand verschmiert.
Die Marke von 1909 liegt etwa 1m über Gehwegniveau. Die Marke von 1946 liegt etwa 2,15m über Gehwegniveau und etwas unterhalb oder gleich der Höhe der Brückenfahrbahn.
An einem Holzpfahl vor der Mühle sind Höhenangaben der Jahre 1881,1926,1946 und 1981 angebracht. EinenTeil dieser Schilder hat der frühere Müller Eckstein selbst hergestellt, Von verschiedenen Stellen hat hat sie der Nachfolger Müller Manfred Moldenhauer zusammengesucht und an diesem Pfosten zusammengebracht
Über das Hochwasser des Jahres 1881 sind hier keine Berichte verfügbar. Die Leinezeitung vom 12.Februar 1909 vergleicht das diesjährige Ereignis mit dem von 1881 und schreibt. “(…) dass der Schaden für Bordenau nicht ganz so ausfällt wie im Jahre 1881, obgleich der Wasserstand höher war.“
Der damalige Wasserstand wird in einer vor der Mühle befestigten Marke angezeigt.
Am 10.Januar 1897 berichtet die Leinezeitung, dass ein Teil des künstlichen Wehres in der Leine (Wasserfall) abgerissen sei und die Wassermassen ungehindert durch die Bruchstelle strömten. Das hatte zur Folge, dass die kleine Leine trockengelegt wurde, sodass an vielen Stellen das Flussbett freilag. Eine Gefahr durch Hochwasser bestand so nicht.
1904 stauten sich grosse Eismassen vor dem Wasserfall. Wieder wurde das Wehr durchbrochen, weitere Überschwemmungen wurden so noch knapp vermieden.
1909 erinnert die Leinezeitung:
Vom Hochwasser im Jahre 1909
Noch lange wird man der gewaltigen Wassermassen gedenken, die in den Februartagendes Jahres 1909 so plötzlich über ganz Mitteldeutschland und zumal über unser schönes Hannoverland sich ergossen, ungeheuren Schaden an Hab und Gut verursacht und leider auch vieler Menschen Leben mit hinab gerissen haben in den todbringenden Strudel. Die Höhen des Schadens lässt sich zur Zeit noch nicht annähernd schätzen, sie dürfte aber viele Millionen betragen.
Postkarten vom Hochwasser 1909 (Sammlung. Moldenhauer):
Hochwasser Marken
Die Wasserstandshöhe von 1909 ist an der Mauer vor der Kleinen Leinebücke angezeigt. Sie liegt etwa 1m über dem Gehweg am Leineufer, etwa 1,16 m unter der Marke von 1946. Eine Gefahr für die Innenstadt hat demnach wohl nicht bestanden.
Die Leinezeitung vom 12. Februar 1909 stellt fest: „Das Hochwasser hat in unserm Kreis doch stärkere Schäden angerichtet als anfänglich angenommen wurde. Sämtliche Verbindungen über die Leine sind mit Ausnahme von Neustadt unterbrochen“
Sie berichtet auch über die schweren Hochwasserschäden in leinenahen Ortschaften wie Suttorf, Helstorf, Bordenau, auch dort sind Keller vollgelaufen. Der Schaden sei aber nicht so schlimm ausgefallen wie im Jahre 1881.
Die Hochwasser des Jahres 1909 erstreckte sich über das Eichsfeld hinaus und ganz Mitteldeutschland. Neben dem ungeheuren Schaden an Hab und Gut hat es vieler Menschen Leben herabgerissen in den todbringenden Strudel. (Leinezeitung)
Erschwerend kam folgende Nachricht der Leinezeitung vom 12. Februar 1909 hinzu:
Der heurige Winter ist ein ganz harter Mann. Dem Tauwetter, das uns endlosen Regen und schreckliche Überschwemmung brachte, ist plötzlich wieder grimmige Kälte gefolgt. Mit Schnee fing es am Mittwoch-Abend an und nach den Angaben der Wetterwarten, die von der Annäherung eines sogenannten Minimums zu berichten wussten, hätte wieder Tauwetter eintreten müssen. Der Luftdruck ist aber plötzlich erheblich gestiegen, und in der verflossenen Nacht ist fiel das Thermometer wieder auf – Vierzehn Grad unter Null!!
Die Leinezeitung räumt den Hochwasserereignissen Anfang des Jahres 1926 breiten Raum ein. Bereits am 4.Januar notiert sie:
Unsere Leine führt seit Freitagmorgen Hochwasser. So weit man sehen kann, gleicht alles einem großen See. Am Freitag spät abends hatte das Wasser seinen höchsten Stand, der bald dem Hochwasserstand von 1909 nahe kam, erreicht und ist seit dem am langsamen Fallen. Auch diesmal steht die Apfelallee, die Straße nach Suttorf gleich hinter der Bürgerhalle und auch die selbst unter Wasser. Vor Empede hatten die Wassermassen ebenfalls hinter der Mühle die Straße überflutet. Außer einigen überschwemmten Kellern ist aber wohl kein größerer Schaden entstanden, nur die in den Überschwemmungsgebieten liegenden Ländereien dürften erheblichen Schaden erleiden. Im sogenannten „Nothafen“ beim Landratsamt ist Motorboot der Strombauverwaltung, das anscheinend zu kurz festgemacht war, in den Fluten versackt.
Die hiesige Strombauverwaltung korrigiert umgehend: „(…) dass das Boot nicht infolge zu kurzen Anbindens versackt ist, sondern dass durch die Gewalt der Flut und des Sturmes das Boot an einem größeren Fahrzeuge festgedrückt wurde, und bei steigendem Wasser daher nicht aufschwimmen konnte.“
Aus Basse wird am 2. Januar 1926 berichtet, dass die Brücke durch die starke Hochwasserströmung stark beschädigt worden ist. Der Übergang sei zurzeit nicht möglich, da die schadhaften Stellen erst wieder geschlossen werden müssen.
In Esperke machte man sich einen Spaß:
Ein lustiges Leben und Treiben herrscht hier beim Hochwasser. So werden allerlei Schiffe, bestehend aus Brühtrögen, Tubben, Kisten und Kasten, welche teilweise undicht und teilweise auch wasserdicht sind, zum Kahnen benutzt (…). Ein Vergnügen besonderer Art ist und bleibt ne Wasserfahrt. (Leinezeitung, 1926)
Das Hochwasser hat aber auch andere weite Teile Deutschlands nicht verschont. Es wird von der überfluteten Oker und der Innerste berichtet, breiten Raum nehmen Mitteilungen aus dem Ruhr- Rhein und Maingebiet ein, Fulda und Kassel sind ebenfalls gefährdet. Auch in Frankreich nahmen die Überschwemmungen infolge der Regenfälle zu und nahmen an Marne, Maas und Seine einen bedrohlichen Umfang an. Verheerungen hat das Wasser auch in Holland angerichtet.
Zwei Fotos aus der Sammlung Kallmeyer/ Dyck zu dem Wasserfluten in Neustadt:
Das Hochwasser von 1946 ist vielen Neustädtern in bleibender Erinnerung. Es ist auch der Anlass für die Bedenken, dass sich ein Ereignis dieser Größenordnung in Neustadt wiederholen könnte und liefert wohl den Grund zusammen mit den Sorgen um Klimaveränderungen für die geplante Anlegung eines Deiches in der bisher freien Auenlandschaft vor dem Wohngebiet Silberkamp.
Tatsächlich haben Teile der Innenstadt unter Wasser gestanden. Unter anderem wurde wieder auch die Apfelallee in Mitleidenschaft gezogen.
Der Neustädter Chronist Klages hat das Ereignis selbst erlebt und schreibt in seiner Chronik der Stadt Neustadt am Rübenberge von 1950, noch ganz beeindruckt von der Wucht des selbst Erlebten:
In aller Erinnerung ist noch die Wasserkatastrophe aus jüngster Zeit, die über Nacht hereinbrach und ein solches Hochwasser brachte, wie es die ältesten Leute noch nicht erlebt hatten. Nach tagelangen heftige Niederschlägen und gleichzeitiger Schneeschmelze schwoll die Leine derart an, dass sie am 10. Februar 1946 nicht nur das Leinetal, sondern auch weite Flächen des Geestlandes überflutete. Das Wasser ging über die Niederung des einstigen Stadtgrabens hinweg, sperrte den Verkehr in der Lindenstraße, an der Steinkuhle und am Rundeel, drang in viele Häuser ein, füllte die Keller und teilweise auch die Erdgeschosse, sodass die Bewohner mit samt dem Vieh ihre Häuser räumen mussten. Infolge des zusehends steigenden Wassers war schnelle Hilfe erforderlich. Die eingesetzte Feuerwehr war den vielen Anforderungen nicht gewachsen; darum wurden alle Männer zur Hilfsleistung aufgerufen. Besondere Gefahr bestand für die Leinebrücken und die dazwischen liegende Straße. Das Wasser ragte über die Bögen der kleinen Leinebrücke hinweg und schlug nun krachend gegen die ganze Breitseite der Brücke, sodass Gefahr bestand, von den gegen sie geworfenen Wassermassen erdrückt zu werden. Das gegen die Straßenböschung anrennende Wasser ließ eine Durchbrechung der Straße befürchten. Da die kleine Leinebrücke kein Wasser mehr abführen konnte, wälzte sich nun die gewaltige Wassermasse mit lautem Getöse durch die Brücke hindurch. Endlich ließ in den Abendstunden das starke Ansteigen nach, und als es dann am folgendem Tage hieß, das Wasser ist zum Stillstand gekommen, atmete alles erleichtert auf, Von der gewaltigen Höhe des Wasserstandes und der damit verbundenen Ausdehnung können wir uns ein Bild machen, wenn wir hören, dass der bei der Mühle gekennzeichnete Wasserstand vom Jahre 1881 um 100 cm übertroffen wurde. Nach 4- 5 Tagen war das Wasser soweit gefallen, dass die Leute ihre Wohnungen wieder beziehen konnten. Ungeheuer groß war der Schaden, den das Hochwasser in Häusern, Gärten und Fluren angerichtet hatte.
Das 1946er Hochwasser hat auch anderswo schwere Schäden hinterlassen. Der Chronist Koberg hat eine Reihe von Fotos aus Hannover hinterlassen, auf denen Männer in Ruderbooten in der überfluteten Calenberger Neustadt mit Staken unterwegs sind.(ARH NL Koberg)Auch im Landesarchiv am Waterlooplatz stand das Wasser meterhoch, bleibende, nicht wieder gut zu machende Schäden und Verluste an wertvollen Archivalien waren die Folge.
Dieter Barby fasst in seiner Neustädter Kirchenchronik zusammen:
Nach den Regenfällen vom 10. auf den 11. Februar1946, die nach einer Frostperiode nicht einsickern konnten, sowie nach der plötzlich einsetzenden Schneeschmelze in den Mittelgebirgen, stieg die Leine am Pegel Herrenhausen und Neustadt auf zuvor nie erreichte Wasserstände von 6,44 m bzw. 7,01 m an. Am Montag, den 11. Februar nachts um 24 Uhr hatte das Hochwasser den höchsten Stand erreicht.
In Hannover war ein riesiges Öl- und Benzinlager der Engländer mit 750 000 Kanistern überflutet und auf die Leine abgetrieben. Diese Kanister trieben nun in solcher Fülle auf der Leine, so dass die Leute aus den östlich gelegenen Dörfern, die kaum Hochwasser hatten, mit Pferdewagen und Autos zur Leine kamen um Beute zu machen. Die Militärregierung erließ den Befehl dass sich niemand diese Kanister aneignen dürfe. Einige Brunnen der überschwemmten Gebiete, so auch in Bordenau, rochen und schmeckten nach Benzin und es wurde verboten dieses Wasser zu trinken. (Barby )
Die erste Wasserwelle stellte sich um den 5. Januar 1981 ein,
Der Pegel an der Schleuse in Neustadt zeigte nach Auskunft des Wasser- und Schifffahrtsamtes den höchsten Stand mit 4,90 Meter. Am Montag um 7 Uhr war der Wasserstand auf 4,77 Meter zurückgegangen, gegen Mittag waren es noch 4,70 Meter (LZ 7.1.1981)
Zwei Fotos aus der Sammlung Bosqui:
Auch die Straße zur Brücke nach Bordenau mit dem Hochwassersteg war überflutet. Dies lockte viele Schaulustige und Spaziergänger an, denen es offensichtlich ein Erlebnis war, die Fluten unter sich hindurch rauschen zu sehen. Dieser Straßenabschnitt der Kreisstraße war für Autofahrer nicht passierbar, sodass sie weite Umwege nach Neustadt über die B6 oder über Wunstorf in Kauf nehmen mussten.
Gesperrt, wegen Hochwasser:
Erst am 12. März 1981 erreichte das Hochwasser den höchsten Stand seit 1946. Es überstieg zwar die meisten Stände vorheriger Jahre. Gemäß den Hochwasserschildern vor der Mühle lag es aber mit 70 cm Differenz noch deutlich unter dem des Jahres 1946. Das Schild des Tiefbauamts vor der Brücke zeigt sogar eine Differenz von ca. 1,40m.
Die Leinezeitung meldet am 16. März. „Das größte Hochwasser seit Februar 1946 hat weite Teile des Stadtgebietes überschwemmt. Allein in der Kernstadt ist der Leineübergang noch passierbar, alle anderen Leinebrücken bei Bordenau, Mariensee- Basse, Mandelsloh- Helstorf uns Niedernstöcken- Esperke sind gesperrt.“
In Bordenau, Mandelsloh und Empede. stehen Keller voller Wasser. Im Neubaugebiet Silberkamp sind über 30 Keller überflutet. Mit privaten Pumpen sorgten die Anwohner für eine Entlastung der Kanäle. Die Leinezeitung zeigt sich kritisch und fragt: Reicht die Silbernkamp- Bebauung zu weit in die Leineaue hinein??
Unter dem Titel „Des einen Freud des anderen Leid“ beobachtet die Leinezeitung, dass in Bordenau vor allen die Jugend dem Hochwasser eine positive Seite abzugewinnen versucht. Fotos von den Fahrten mit dem Faltboot und einem selbstgebauten Floß beweisen das.
In den letzten 4 bis 5 Jahrzehnten ist viel unternommen worden, um Hochwassergefahren durch die Leine möglichst gering zu halten. Im Harz sind zusätzliche Talsperren erbaut worden, ein riesiges Rückhaltebecken bei Salzderhelden soll für geregelten Wasserfluss sorgen.
Trotzdem traten immer wieder Überflutungen ein, die aber nicht das Ausmaß der 1946er Katastrophe hatten.
So durchbrachen im März 2003 die Fluten von der Kleinen Leine aus den Amtswerder und suchten den Überlauf zur großen Leine. Größere Schäden im Oberlauf wurden dadurch verhindert. Der Durchbruch wurde dann mittels eines eilig aufgeschütteten Dammes geschlossen.
Dirk von Werder erinnert zehn Jahre später in der Leinezeitung an dieses bedrohliche Ereignis.
Dort heißt es:
So war es vor 10 Jahren: Abkürzung durch die Leinewiese
Neustadt staunt an diesem Januar 2003: Ein Hochwasser verlässt die Leinewiesen unterhalb von Landestrost- ein Durchbruch tut sich auf. Die Kleine Leine hat eine Abkürzung genommen, fließt 200 Meter unterhalb des Wasserfalls zurück in den Hauptarm. Sechs Wochen später rollen Lastwagen: 300 Ladungen mit Natursteinen – rund 100 000 Stück werden auf einer behelfsmäßig angelegten Fläche unterhalb der Herzog- Erich – Alle gekippt, von dort mit Muldenkippern zum Durchbruch gefahren. Drahtgitter fixieren die Befestigung, Die Aktion kostet rund 200 000 Euro.
Tatsächlich fand der Durchbruch etwa an einer Stelle statt, die Fesca im Plan der Stadt Neustadt schon 1757 wie einen Fluss- Altarm eingezeichnet hat. Der Werder war in der Vergangenheit nicht so eben wie heute. Erst in den 20er Jahren wurde er im Rahmen von Notstandsarbeiten eingeebnet, Frühere nicht bemerkte oder dokumentierte Durchbrüche sind daher nicht auszuschließen.
Das Hochwasser von 2010 sorgte vor allen dazu, dass viele Straßen gesperrt werden mussten.
Das Hochwasser von November 2010 ist im Wesentlichen glimpflich verlaufen, sorgt aber weiterhin für Diskussionsstoff. Ein Leser der Leinezeitung nimmt es zum Anlass vorzuschlagen, in der Kernstadt zwischen dem Hauptarm und der Kleinen Leine mehrere Gräben ziehen zu lassen. Auch er brachte damit in Erinnerung, dass die Werder schon vor ewigen Zeiten an verschiedenen Stellen durchbrochen wurden. Auch neben dem völlig überfluteten Wasserfall suchte sich die Leine ihren Weg und strömte in die Uferbereiche der Apfelallee. Das steigende Leinewasser veranlasst 2011 die Region Hannover, die Höhe des Leinewehrs zu überprüfen. Es darf nicht höher sein als 35,89 m über NN. ((LZ 13.10. 2011)
Schon 2013 weist die Leinezeitung ahnungsvoll auf den Verlauf der früheren „Sandschleuse“ vor der Mühle hin und vermutet, dass sich die Kleine Leine hier einmal einen neuen Weg in Richtung Hauptfluss bahnen könnte.
In diesem Artikel heißt es:
Alarmzeichen: Am Gerinne Richtung Leine (großes Bild) sind mit jedem Hochwasser der vergangenen Jahre größere Flächen freigelegt worden. Bald könnte sich die Kleine Leine hier einen neuen Weg in Richtung Hauptfluss bahnen.
Tatsächlich sorgte 2017 sorgte ein völlig unerwarteter Durchbruch für eine Entlastung vor der Mühle. Die Wassermassen hatten den Weg zur seit jeher bestehenden, aber nach dem 2. Weltkrieg zugeschütteten Sandschleuse, einem neben der Mühle verlaufendem Grabenfeld, wiedergefunden. Welche Schäden die sich selbst helfende Natur dadurch verhindert hat, lässt sich nur erahnen. Wohl auch heute noch scheint es wichtiger, der Mühle das Wasser zuzuführen, als für Hochwasserabfluss Sorge zu tragen. (Im dem Beitrag über die Sandschleuse wird über die Bedeutung dieses leider aufgegebenen Wasserlaufes umfassend berichtet.)
Derzeit wird in Neustadt die Sorge vor künftigen Überschwemmungen der Leine und ihrem Hochwasser neu belebt und geschürt. Die Anlieger des Wohngebietes Silberkamp werden verunsichert. Seit ca. 1974 durften einige wenige auf der Grundlage behördlicher Planung in der gesetzlichen Überschwemmungszone der Leinebauen. Nun sollen die Wohnhäuser mittels eines Deiches in der alten Kultur- und Naturlandschaft Leineau vor Überschwemmung geschützt werden. Zwar lässt sich der Anstieg von Grundwasser bis in die Kellerräume auch dann nicht verhindern, doch soll mittels des Deiches eine Überflutung von Wohnräumen verhindert werden.
Bei Berechnungen von zu erwartenden Niederschlägen ging man bisher davon aus, dass sich ungewöhnliche Hochwasser etwa alle 100 Jahre wiederholen könnten, einer sogenannten „Jahrhundertflut“. Entsprechende Planungsaufträge sind seit 2011 erteilt und sind (Jan 2019) abgearbeitet, die Planfeststellung soll eingeleitet werden, Baubeginn des Deiches ist noch für 2020/21 vorgesehen.
HD Mai 2019
Quellen:
- Eduard Klages, Chronik der Stadt Neustadt a. Rbge1950
- Maschinengeschriebenes Konzept
- Wilhelm Winkel, Geschichte der Stadt Neustadt a. Rbge 1966
- Dieter Barby, Chronik der Kirchengemeinde Neustadt
- Hans Ehlich Die Stadt steckt voller Merkwürdigkeiten
- Maschinengeschriebenes Konzept in der Stadtbücherei
- Leinezeitungen
- Bosqui Fotosammlung
- Neustädter Zeitung
- Mythos Hafen Teil 1 – Über Hochwasser, Brücken, Schifffahrt und Hafen in Neustadt
- Teil 2: Hochwasser, Brücken und mehr: 1652 bis 1689
Teil 3: 1727 bis 1800
Teil 4: 1806 bis heute - Hochwasser und Starkregen – Stadt Neustadt am Rübenberge