Die Lage und Umgebung

Die Straße „Zwischen den Brücken“ befindet sich an einer von jeher strategisch und verkehrlich wichtigen Stelle, nämlich an einem historischen Leineübergang, der sich an dieser Stelle wegen des flachen und felsigen Untergrunds besonders anbot. Es ist ein alter historischer Platz in Neustadt am Rübenberge und ein Blick in die Geschichte dieses Ortes erweitert das Verständnis über die Geschichte von Neustadt, denn dieser Ort befindet sich inmitten der seit je her sehr bedeutenden Leine- Übergänge.

Im berühmten Merianstich von 1652  ist ersichtlich, dass der Leineübergang noch dreigeteilt war, und mittels „Thorbrücke, Poggenbrücke und Großer Brücke“ überspannt wurde.

Merian Stich: Neustadt am Rübenberge

Merian Stich: Neustadt am Rübenberge

Diese Holzbrücken waren dauernd reparaturanfällig, ausgelöst durch Winter und Hochwasser. Die exponierte Lage machen auch folgende Zeitberichte deutlich: Zum Beispiel soll es 1682 nach Berichten großes Leinehochwasser in Neustadt gegeben haben. Die Wasserflut der Leine habe sich in den Gassen von Neustadt gestaut. (Quelle: Akte des Wasserbauamtes Celle)

Auch für 1687 wird berichtet: „Die förderste Leinbrücke alß genannte Mühlenbrücke abgenommen und vorläufig weggestellt, 7-20. März 1687 wieder in Stand gebracht“ (neue hölzerne Brücke). Im Sommer 1771 verzeichnete man 4 große Leineüberschwemmungen, am 6. Februar 1909 ein Leinehochwasser mit großen Überschwemmungen.

Die empfindlichen Holzbrücken und die sumpfigen Niederungen der Werder wurden durch dauerhafte steinerne Brücken ersetzt, so im Jahre 1694 durch Fertigstellung der Großen Leinebrücke und 1732 der Brücke über den „Mühlenkanal“. Diese Baumaßnahmen entsprachen der großen Bedeutung der Leineübergänge, verlief doch hierüber der gesamte Verkehr zwischen Hannover und Bremen. Sie wurden noch wichtiger, seit der Kurfürst Georg Ludwig von Hannover als Georg I. am 4. Oktober 1714 zum König von Großbritannien gekrönt wurde und insbesondere der schnelle diplomatische Verkehr zwischen Hannover und England über Bremen zunahm.

Lageplanausschnitt der wichtigen Verkehrsader durch Neustadt

Lageplanausschnitt der wichtigen Verkehrsader durch Neustadt

Diese Verkehrsader bestand bis in die 60er Jahre des 20.sten Jahrhunderts, war auch,-wie überhaupt die ganze Durchfahrt durch die Neustädter Innenstadt,-  ein Teil der Bundesstraße 6 und von Schwerverkehr belastet. Das änderte sich erst mit der Umgehungsstraße und dem Bau der Herzog- Erich-  Allee mit einer neuen Brücke über die kleine Leine. Seitdem ist die Straße Zwischen den Brücken Teil der Fußgängerzone in der historischen Altstadt.

Über das Alter der Hausstelle

Spätestens seit 1694 mit dem Bau der festen Brücke sind die Werder in der heutigen Form entstanden. Damit konnte auch dort, östlich der Stadt, erstmalig an eine Bebauung außerhalb des Ortes gedacht werden.

Bereits in der Brandakte von 1727 /28, in der die Schäden durch das Große Feuer  von 1727 und deren Entschädigungen geregelt sind, ist unter der (letzten) Nummer 110 verzeichnet:  „Brauer Gilde und Commandanten Brauhauß über die Leine an der anderen Seite der ersten Brücke zu versetzen“.  Es hat den Anschein, dass hier zunächst erstmalig ein Gebäude außerhalb des Stadtkerns auf dem Amtswerder vorgesehen war, wahrscheinlich als Ersatz für eines der abgebrannten Häuser der Altstadt, wie es der dazugehörige Lageplan von 1727 zeigt.

Wenig später, in dem mit sehr präzisem Stift gezeichneten im „Plan der Stadt Neustadt 1751“  ist auf dem Werder bereits ein kleines Gebäude eingezeichnet. Es lässt ich von Lage und Größe her jedoch nicht den später entstandenen Häusern zuordnen,

Dann, im „Vergleich von 1753 zwischen Magistrat und dem Amte Neustadt “, „Geschiehet hiermit die Erklärung, dass der außerhalb dem Lauentore nach der letzten Feuersbrunft (1727) geschehene Anbau sowohl als derjenige, welcher vor dem Leine-Tor zwischen den Brücken geschehen möge, einen Teil der Stadt ausmache und dem Magistrat über solche Häuser und deren Einwohner die niedere Gerichtsbarkeit in obigen Maße gebühre“.  (Klages).

Daraus folgt, dass Häuser auf dem Werder, wenn nicht schon vorhanden, mindestens aber geplant waren.

Der Kartograph Leutnant Fesca -1757

Plan des in Neustadt /Rübenberge tätigen Leutnants und Kartographen Fescas von 1757

Plan des in Neustadt /Rübenberge tätigen Leutnants und Kartographen Fesca von 1757

Der Leutnant Fesca, der die Wehrhaftigkeit der Stadt im 7-jährigen Krieg überprüfen sollte, zeichnet in seinem Plan von 1757 zwei Häuser so ein, wie sie auch heute noch bestehen. Sie unterlagen somit erst nach dem Vergleich von 1753 auch der Gerichtsbarkeit der Stadt, nicht mehr der des Amtes, dh. der Regierung in Hannover.

Einer Schülerarbeit zufolge, die im Rahmen eines Malwettbewerbes um Frau Hotes in den 60ern erarbeitet worden ist, wird die Entstehung des Gebäudes auf 1746 vermutet, aber nicht belegt.

Eine mögliche Quelle: Der Aufsatz von 1887

Eine mögliche Quelle: Der Aufsatz von 1887

Ein sehr hohes Alter wird jedoch auch bestätigt im Aufsatz „Schätzungsanschlag nebst Gebäudebeschreibung behuf der Gebäudeversicherung“ vom 29. Sept 1887.“ Danach wird dem Haupthaus ein Alter von 150 Jahren bescheinigt. Tatsächlich ist die Entstehungszeit beider Häuser Zwischen den Brücken auf 1751 bis 1757 zu datieren.

 

Aquarell von R. Müller und I. Buuk: So haben Rita Müller und Inge Buuk das Haus in den 60er Jahren gesehen. (ARH Sammlung Hotes)

Kinderaquarell aus den  1950/60er Jahren entstanden (ARH Sammlung Hotes)

Erklärt wird in der  Schätzung vom 29.9.1887:

1. Wohnhaus mit a und b baulich verbunden, dient zum Wohnen und der Ackerwirthschaft. Grund –und Kellermauern sind von der Abschätzung ausgeschlossen. Bauart Steinfachwerk mit Backsteinen, Flächeninhalt  223,6 qm.

Das Wohnhaus wird auf 150 Jahre veranschlagt. Die somit angenommene Entstehung von 1737 wird etwas zu früh gegriffen sein. Es ist wahrscheinlicher, dass das Haus zwischen 1751 und 1757 erbaut wurde.

Das nördliche Nebengebäude auf einer Fläche von 73 qm wird im Schätzungsanschlag beschrieben: “a,  Lohgerberei mit 1 baulich verbunden, dient zur Gerberei;- Leinefischerei und Lohmühle sind nicht damit verbunden.“ Das Alter dieses Bauteils wurde auf 50 Jahre, somit auf eine Entstehung von 1837 geschätzt.

Dem rechts vom Haupthaus gelegenen und mit diesem verbundenen Trockenschuppen, b, wird (1887) ein Alter von 25 Jahren bescheinigt.

Alles in allem wird dem Gebäude ein Wert von 7.000+2.900+450= 11.350 Mark zugeschrieben.

In einer späteren  Schätzung von 1879 wird übrigens das Nachbarhaus Nr. 2, Eigentümer Färber  Hermann Röver, auf 120 Jahre veranschlagt, das Gestehungsjahr also auf 1759. Tatsächlich ist es 2 Jahre früher im Plan von Fesca 1757 schon eingezeichnet. Eine offensichtlich später angebrachte Holztafel vermeldet die Jahreszahl 1755. Die Entstehungszeit auch dieses Hauses kann wohl nicht so genau bestimmt werden.

In einer „Einschätzung“ von 1939 geht man von einem Alter von 300 Jahren aus, welches wohl zu pauschal und zu hoch gegriffen ist. Jedenfalls aber wird darin der Gebäudesubstanz eine gute Bauausführung und Instandhaltung bestätigt.

 

Historisches Foto des Hauses Zwischen den Brücken 1 in Neustadt am Rübenberge

Historisches Foto des Hauses Zwischen den Brücken 1 in Neustadt am Rübenberge

Zur Nutzung:  Lohgerberei, Bankhaus, Wohnhaus

Ist es denkbar, so wie Schüler in einem Kinder und Jugend-Malwettbewerb (ARH „Sammlung Hotes“)  um 1968 vermuten, dass hier, außerhalb der Stadt, von jeher und schon seit 1700  eine Lohgerberei betrieben wurde? Die Tätigkeit des Lohgerbens erforderte viel Wasser und war mit unangenehmen Gerüchen verbunden, weshalb sich eine außerörtliche Lage anbot.

In der Kopfsteuerbeschreibung von 1689  ist in Neustadt allerdings noch kein Lohgerber oder anverwandter Beruf aufgezeichnet. Den ersten Nachweis für eine Gerberei liefert die Erwähnung 1778 des Lohgerbers Sandmann in den Akten des Regionsarchivs.

Auch aus 1778 ist das folgende Zeugnis:

Daß Vorzeiger dieses, der Lohgerbergeselle Johann Daniel Dorge gebürtig aus Göttingen so 24 Jahre alt von langer Statur und gelblichen Haar ist, welcher bey dem hiesigen Lohgerbermeister Johann Heinrich Duhrberg ein halb Jahr in Arbeit gestanden und sich solche Zeit über treu, fleißig, stille, friedsam und ehrlich wie einem jeglichen Handwerks=Burschen gebührt, verhalten hat mithin dieser Geselle nach Handwerks  Gebrauch überall zu fördern ist , so wird solches hiermit attestiert Neustadt am Rübenberge den 24ten Januar 1778. (Regionsarchiv NRÜ I, 502)

Es ist nicht anzunehmen, dass der  Lohgerbermeister Duhrberg seine Arbeitsstelle hier auf dem Amtswerder gehabt hat, gab es doch direkt am Mühlenkanal andere Gerbereien, sogar eine Knopfmacherei. Ob das obige Zeugnis einen Hinweis auf eine Lohgerberei Zwischen Den Brücken gibt, ist noch ungewiss.

Erst 1791 wird der Lohgerber David Meinrath erwähnt. Er wird sicher schon früher Zwischen den Brücken ansässig gewesen sein.

Der Antrag vom 16. Okt 1829 an die Königlich Großbritannisch=Hannoversche Landdrostei lässt  einen Rückschluss auf eine weitere Lohgerberei zu demnach der Lohgerbermeister Dietrich Dunker und Conrad Röver zu Neustadt um abänderliche Verfügung hinsichtlich des von dem Knopfmachermeister Schulze alldort betrieben werdenden Ladenhandels ersuchen.

Gemäß dem „Verzeichnis der Seelenzahl“ von 1830 ist als Gerber Victor Meinrath verzeichnet. Wir dürfen davon ausgehen, dass Meinrath seine Tätigkeit tatsächlich bereits hier, Zwischen den Brücken, ausübte. Auch in den später immer wieder erhobenen Zähllisten, auch den Schätzungsanschlägen von 1887, 1890 und danach, wird die Existenz der Lohgerberei Meinrath bestätigt.

Noch in den 70 er Jahren des 20.Jhdts wurde bei Ausschachtungsarbeiten ein-  jedoch verschlammtes – Bottichsystem, wie es für den Betrieb einer Lohgerberei erforderlich war, freigelegt. Unter  Küche und Diele  befand sich ein Gewölbekeller, in dem oft Grund- und Hochwasser eindrang. Bekannt ist, dass die Familie Meinrath, die das Haus lange bewirtschaftete, bis zum Beginn des 20. Jhdt. als Lohgerber eingetragen war. Ob die Lohgerberei danach noch bestanden hatte,  ist nicht bekannt. Aus den „Erinnerungen“ von Dietrich Redeker geht lediglich hervor, dass vermutlich noch in den 20ern Wilhelm Frerking eine Lohgerberei und Lederhandel, jedoch in der Leinstraße betrieb.

Wie in der Hauseigentümerfamilie Meinrath im Haus „Zwischen den Brücken“ der Wechsel zum Bankgeschäft zustande gekommen ist, ist nicht bekannt.

Bis zu seiner Liquidierung 1938/39 war das Bankhaus bei seinen Geschäftspartnern geachtet und als zuverlässig angesehen. Es handelte unter anderem wie die Kreissparkasse auch mit Kriegsanleihen, die die enormen Kriegskosten des 1. Weltkrieges finanzieren mussten.

Kriegsanleihe für den erste Weltkrieg. (Anzeige in der Leinezeitung 1916)

Kriegsanleihe für den erste Weltkrieg. (Anzeige in der Leinezeitung 1916)

Nach 1939 wurde es ausschließlich als Wohnhaus genutzt, bis es 2005 entkernt und mit der historisch angepassten Fassade wieder aufgebaut wurde.

Bewohner und Eigentümer

Das Haus ist mit dem Namen der jüdischen Familie Meinrath sehr verbunden.

1772 lebten in Neustadt 4 jüdische Familien, 4 männliche Mitglieder hatten sogenannte Schutzbriefe. Sie hatten die üblichen Abgaben zu zahlen und besaßen Grundbesitz, den sie auch vererben durften. Dieses Landesrecht sah die Stadt Neustadt jedoch als rechtswidrig an! Ob hier schon eine Familie namens Meinrath vertreten ist, ist nicht sicher.

Ein Simon, Nachname möglicher Weise Morkes (Anm. des Red: der Nachname kann nicht belegt, nur vermutet werden) wird bereits 1723, also kurz nach dem Großen Brand und nach dem wahrscheinlichen Entstehen der Häuser Zwischen den Brücken als „Schutzjude“ erwähnt. (KA Neu KR VI 9, Armenbelege) 1790 ist Levy Meinrath als Schlachter belegt. (Familienbuch des Landesrabbinats Teil II , Landdrostei Hannover , Amt Neustadt a, Rbge)

1791 wird der Lohgerber David Meinrath verzeichnet. Er wird sicher schon Zwischen den Brücken ansässig gewesen sein.

Wir finden den Namen Meinrath in einer Häuserliste von 1814 zum Zwecke einer Haus-Collecte. Da erscheint  in Haus Nr 98 „Israelit Leib Meinrath“ und in Haus 110 „Israelit Aron Meinrath“. Völlig ungewiss ist, ob einer von beiden dem Anwesen Zwischen den Brücken zuzuordnen ist.

1830 taucht im „Verzeichnis der Seelenzahl incl. der Judenschaft der Stadt Neustadt a, Rbge im Monat May 1830“ als Bewohner, wahrscheinlich auch als Eigentümer wieder der Name Meinrath auf : „Haus Nr 10 Victor Meinrath, Gerber“

Das wiederholt sich in einer Zählung 1833, wie vorher wird die genaue Personenzahl nach Alter, Geschlecht und Religionszugehörigkeit aufgeschlüsselt  Die Familie besteht aus zwei männlichen, zwei weiblichen Personen, 4 Israeliten. Während die Familie noch 1836 aus fünf Israeliten besteht, werden in 1839 vier Israeliten und ein Lutheraner verzeichnet. Vermutlich war die Ehefrau anderen Glaubens. Allerdings ist 1839 als Bewohner noch Familie Bauersfeld mit sieben Personen lutherischen Glaubens aufgeführt. Das war nur ein kurzfristiger Zustand, dieser Name taucht in den Zählungen 1845,1848 nicht mehr auf.

1843 wurde Victor Aron Meinrath Bürger der Stadt Neustadt

Am heutigen Tage hat Victor Aron Meinrath nach Vorlesung und Genehmigung vom 24. Sept 1838 den Huldigungs= und den Bürgereid auf die vorgeschriebene gesetzliche Art geleistet und ist sodann, soweit das Gesetz vom 30.Sept 1842 solches zuläßt, als Bürger dieser Stadt aufgenommen. Magistrat der Stadt Neustadt a. Rbge, den 27. Junius 1843  Kuhlmann.

 

Titelblatt der Original-Namenrolle (Archiv der Region Hannover)

Titelblatt der Original-Namenrolle (Archiv der Region Hannover)

Bürger zu werden, setzte Sesshaftigkeit und Hauseigentum voraus. Viktor Meinrath war 1843 Eigentümer des Hauses „Zwischen den Brücken1“ geworden und konnte daher als Bürger aufgenommen werden.

1850 lebten in Neustadt 10 jüdische Familien, darunter Witwe Meinrath, Isaak Meinrath und David Meinrath. In der Nachzählung der in hiesiger Stadt, befindlichen Personen betreffend und der Urliste der Einwohner und Wohngebäude vom 3. Dez 1852“ wurde für Hs Nr 1, Victor Meinrath, Lohgerber“ mitsamt Ehefrau und Sohn Jakob sowie einem Gesellen und einer Dienstmagd gezählt.

In den „Akten, “betreffend die Katastierung der Gebäude im Stadtgebiete und Einführung fester Hausnummern 1853 / 78“ mit der „Häuserliste der Stadt Neustadt a. R.“  ist für 1853 unter lfd Nr 9 und Haus Nr. 9  in der Hauptstraße das Bürgerhaus  von Victor Meinrath aufgeführt. Der Straßenname „Zwischen den Brücken“ tritt erstmalig in der Häuserzählung von 1857 auf. Er wird aber Teil der früher auch für die jetzige Marktstraße so benannten „Hauptstraße“ gewesen sein, somit 1853 Victor Meinrath auch als Hauseigentümer als sicher anzunehmen ist.

Am 27.8.1857 übergeben Viktor Meinradt und Ehefrau Sarah, geborene Heymann „die Bürgerstelle No. 10 vor hiesiger Stadt alles ausser Capitalien“ an den Sohn Jacob Meinradt. „Von Seiten der abtretenden Wirthe ist noch eine Tochter Johanna, verehelichte Elb in Nienburg“ vorhanden.

Nach diesem Erbe konnte der Sohn, „Jakob Meinrath, Israelit,… durch Erwerb eines Wohnhauses“ am 14. Oktober 1857in die Bürgerrolle der Stadt Neustadt eingetragenwerden.

In der Häuserliste von 1857  ist für das Straßenstück „Zwischen den Brücken“ unter Hausnummer 1  der Besitzer Victor Meinrath durchgestrichen und durch Jacob Meinrath ersetzt worden. Das Jahr des Besitzeintrittes – für Jacob Meinrath-  ist mit 1857 angegeben. „Geschlossene Bürgerstelle, Wohnhaus mit anhängendem Nebengebäude“, der Begriff „Lohgerberei“ ist durchgestrichen. Jedoch ist in einer Auflistung vom 18.Mai 1861 doch wieder aufgeführt: „Zwischen den Brücken“  V. Meinrath 1a Lohgerberei (…). (Reg. Archiv, NRÜ I-29)

Am 9.7.1877 kommt ein Kaufkontrakt zustanden zwischen dem Gasthausbesitzer Friedrich Pape und dem Lohgerber Jakob Meinrath zustande. Demnach verkauft Pape seine in der Feldmasch gelegene etwa 1 Morgen große Marschwiese.

1895, am 5. Dezember, ist Adolf Meinrath, Lohgerber, in die Reihe der Bürger aufgenommen.

Eine dauerhafte Identifizierung eines Hauses war lange Zeit nicht möglich. Erst durch Verordnung von 1775 musste an jedem Haus die Hausnummer laut Brandkassenregister angebracht werden; diese Brandkassennummern wurden zu amtlichen Hof- bzw. Hausnummern. 1908 endlich erging die städtische Verfügung, dass alle Häuser mit Hausnummern zu versehen seien. In der entsprechenden Liste von 1908  ist unter „Zwischen den Brücken“ enthalten „Meinrath Adolf, Neustadt, Lohgerbereibesitzer“. 1926 ist Adolf  Meinrath bei der „Gebäudeversicherung bei der Landschaftlichen Brandkasse Hannover“ versichert

Seit wann ein Meinrath angefangen hatte, Geld zu verleihen und Bankgeschäfte zu betreiben, ist nicht gesichert. Als Bankier hatte Otto Meinrath eine anhängliche Kundschaft wegen seiner lauteren Geschäftsführung. Bis 1938 war Familie Meinrath mit letzter Neustädter Adresse im Hause „Zwischen Den Brücken 1“ mit folgenden Personen vertreten:

  • Otto Meinrath * 13.8.1900 in Neustadt

Bankier:  „Bankgeschäft A. Meinrath & Co, Inh. Otto Meinrath“

Wurde am 9.11.1938 in der Progromnacht verhaftet, von Hannover höchstwahrscheinlich in das KZ Buchenwald gebracht, Seine Bank wurde vom Bankhaus Baebenroth übernommen. Er emigrierte am 11.3.1939 zunächst nach Holland, später nach Sao Paulo/Brasilien. Nach dem Kriege lebte er zumindest zeitweilig in London.

  • Walter Meinrath  * 22.9.1901 in Neustadt

Bruder von Otto Meinrath, Reisender

Verzog am 3.3.1935 nach Osnabrück. Spätere Emigration nach Sao Paulo /Brasilien. Lebte in den 80er Jahren in der Gemeinde Garmisch Partenkirchen.

  • Jenny Meinrath, geb. Lehmann , * 7.8.1875 in Ahrensburg

Witwe, Mutter von Otto und Walter Meinrath, Lederhandel, eigenes Geschäft. Emigrierte am 22. 3. 2939 nach Sao Paulo /Brasilien

(Quelle: Brieden 1992, Juden in Neustadt am Rübenberge)

 

Zeichnung des Neustädter Malers Sackewitz: "Zwischen den Brücken"

Zeichnung des Neustädter Malers Sackewitz: „Zwischen den Brücken“

Otto Meinrath wurde noch 1937 Gemeindevorsteher der jüdischen Gemeinde. Er musste in der Progromnacht erleben, wie der jüdische Leichenwagen, mit Thorarollen umwickelt, Zwischen den Brücken abgestellt und am folgenden Tag verbrannt wurde. Das waren 3 von 45 schweren Schicksalen jüdischer Einwohner Neustadts. Die näheren Umstände der Vertreibung und Enteignung – selbst nach hundertjähriger Ansässigkeit und Respektierung als offiziell eingetragene ehrbare Neustädter Bürger- werden im „Historischen Handbuch der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen“ dargestellt. Alle drei haben sich in bessere Zeiten retten können. Von Jenny Meinrath existiert noch ein Schreiben aus der Nachkriegszeit aus Brasilien an einen Neustädter Bürger, in dem sie sich unter anderem nach dem Befinden alter Freunde und Nachbarn erkundigt.

Spätere Eigentümer waren seit 1939 Fritz Kollmeyer, der 1943 85jährig starb, danach Luise Kollmeyer, die Gründer und Eigentümer der auch noch heute berühmten  Neustädter Sektkellerei Dupres. Familie Kollmeyer war mit den Meinraths freundschaftlich verbunden.

Im Adressbuch von 1949 sind Alfred Stünkel, Zwischen den Brücken 1 sowie mindestens vier weitere Familien aufgenommen. Es wird berichtet, dass in den Nachkriegsjahren, als alles zusammenrücken musste, in diesem Hause bis zu sechzehn Personen gelebt haben.

Das Kreisadressbuch von 1958 verzeichnet  als Eigentümerin noch „Kollmeyer, Luise, Marktstraße 22“. Bewohner waren außer immer noch mindestens zwei weiteren Familien, eine davon war die Familie des Kellermeisters Alfred Stünkel. Er war in Neustadt als Kellermeister bekannt und wichtiger Mitarbeiter der Firma Wein-Kollmeyer, der den auch damals schon hervorragenden Neustädter Sekt mit pflegte.

Frau Luise Kollmeyer hat das Haus aufgrund seiner Verdienste in ihrem Geschäft ihrem Mitarbeiter, dem Kellermeister Alfred Stünkel überlassen. Für den Sohn ließ sich das Anwesen angesichts des hohen Alters und der schwierigen Erhaltung nicht länger bewirtschaften, es wurde daher 2005 verkauft.

 

" Zwischen den Brücken" In einem Vermessungsplan von 1959

“ Zwischen den Brücken“ In einem Vermessungsplan von 1959

 

"Zwischen den Brücken" in einem Plan von circa 2000, jetzt mit Herzog- Erich- Allee und neuer Brücke über die Kleine Leine.

„Zwischen den Brücken“ in einem Plan von circa 2000, jetzt mit Herzog- Erich- Allee und neuer Brücke über die Kleine Leine.

„Neustadt am Rübenberge – Kleine Leinebrücke“, mit dem Blick auf das Gebiet zwischen den Brücken. Ölbild von Dyck, 2011

Ausblick

Die Häuser Zwischen Den Brücken stehen an einer besonders exponierten Stelle zwischen Haupt- und Nebenarm der Leine. Bei manchem Hochwasser hatten die dortigen Bewohner ihre liebe Not gehabt, standen doch die Kellerräume gelegentlich unter Wasser. Besonders galt dieses für den 10. Febr. 1946, Klages beschreibt in seiner Chronik sehr ausführlich die Gefährdungen und Schäden an Brücken, Straßen, Gebäuden, Gärten und Wiesen.  Auch später noch hat es immer wieder, wenn auch nicht in diesem Ausmaße, Hochwasser gegeben. Der jetzt entstandene Bau hat mit dem historischen Vorgängerhaus nicht mehr viel gemeinsam. Er ist nur teils aus Resten des Vorgängers entstanden und hochwasserfrei angelegt. Mit der heutigen Fassade nach dem Wiederaufbau wird jedoch das Bemühen um den Erhalt des historischen Stadtbildes erkennbar.

Das Haus auf dem historischen Grundstück "Zwischen den Brücken 1" (Foto: Dyck, Dez 2017)

Das Haus auf dem historischen Grundstück „Zwischen den Brücken 1“ (Foto: Dyck, Dez 2017)

Die Straße Zwischen den Brücken ist nun Teil der Fußgängerzone und von Autoverkehr unbelastet. Auf der Abgrenzungsmauer zum anliegenden Parkplatz hat jetzt ein Bronzelöwe Platz gefunden.

(H.D.  Januar 2018)

Quellen:

  • Akte des Wasserbauamtes Celle
  • Klages, Eduard, maschinengeschriebene „Chronik der Stadt Neustadt a. Rbge“, 1950.
  • Regionsarchiv Hannover, Sammlung Hotes
  • Regionsarchiv Hannover NRÜ I- 502, NRÜ I-29, NRÜ II-1339/18, NRÜ II- 954 d
  • Kirchenarchiv, KA Neu KR VI 9, Armenbelege
  • Familienbuch des Landesrabbinats Teil II , Landdrostei Hannover, Amt Neustadt a. Rbge.
  • Brieden, Hubert,  1992, Juden in Neustadt a.Rbge

 


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