Ein Bagger zur Reinigung der Leine- Schleuse 1752: Über die historische Mudde- Mühle
Für die Leineschifffahrt in den früheren Jahrhunderten war die Gesteinsbarre bei Neustadt von jeher ärgerlich. Die großen Lastenkähne, auch Böcke oder Bullen genannt, wurden teils entleert mit Hilfe von Winden über das Wehr gezogen oder überwanden den Höhenunterschied zwischen Leinefluss und Mühlenkanal über eine „Sandschleuse“ an der Mühle vorbei. Diese natürlichen Hindernisse mussten umgangen werden. Darum wurde nach vieljähriger Arbeit und hohen Kosten 1752 eine neue Schleuse in Betrieb genommen. Damit ging auch eine Belebung der Schifffahrt einher. Dennoch stellte sich bald ein neue Problem heraus: der Mühlenkanal und die Schleuse versandeten schnell so sehr, dass die Schleuse ständig gereinigt werden musste und Schiffe im Mühlenkanal stecken bleiben konnten.
Auch früher schon gab es kluge Köpfe: Der Hilfsschleusenmeister Dammert aus Hameln nahm sich 1756, nur 4 Jahre nach Fertigstellung der Schleuse, dieser Sache an und wollte das Problem mit Hilfe einer Maschine beheben. Der Begriff „Bagger“ war offenbar noch nicht geläufig. Er dachte deshalb an eine „Mudde- Mühle“, die zu Reinigungszwecken eingesetzt werden sollte.
Vorbild für die gedachte Neustädter „Reinigungsmaschine“ sollte ein Gerät sein, wie es offenbar bereits in der Hamelner Schleuse in Betrieb war. Herr Dammert stellte sich das so vor:
Zwischen zwei ca. 1,5 m schmalen Kähnen (1) sollte an eine Welle (4) ein Schaufelrad (6) konstruiert werden. Von einer Arbeitsbühne (2) aus sollten billige Arbeitskräfte die Welle von Hand in Bewegung setzen. Durch Übertragung auf ein Kammrad (7) wurde das Schaufelrad in Bewegung gesetzt, der Sand und die Mudde sollten aufgenommen und über eine Rinne (21) in eine seitlich liegende Schute entleert (22) werden. Erleichtert würde der Vorgang, weil die Schleuse mit einem festen, mit Platten versehenen Untergrund versehen war. Gleichzeitig war das Gefährt mit einem Anker (20) verbunden, ein Haspel mit Sperrrad und Seil (17, 18, 19) zog es gleichzeitig voran.
Dennoch: Die Breite der Schleuse reichte für ein solches Gerät mit drei nebeneinander liegende Kähnen nicht aus, es konnte so auch nicht die volle Breite geräumt werden. Die Schleusenkammer war nur 5,2 m breit, die Konstruktion aber wohl fast 5 m. Man überwies das Projekt 1756 an einen Gutachter. Darauf wurde Dammerts Plan zur Sanierung des Neustädter Schiffshebewerks zu den Akten gelegt.
Das Problem der Reinigung der Schleuse blieb bis ins 20ste Jahrhundert bestehen. Die letzten an der Schleuse arbeitenden Mitarbeiter der Wasserschifffahrtsverwaltung berichten, dass sie per Handarbeit regelmäßig und oft geräumt werden musste, wenn die Schleusentore geöffnet werden sollten. Bis heute wurde noch kein Mittel gefunden oder erfunden, diese Arbeit zu erleichtern. So kommt es, dass alle Bemühungen, der Schleuse ihre Funktion zurückzugeben, gescheitert sind.
Die saubere und verständliche Zeichnung des Herrn Dammert verdient noch heute große Anerkennung und Lob, seine Erfindung kann man eigentlich noch heute bewundern.
(HD Dez 2014)
Quellen:
- Unter der Verwendung des Nachlasses Hans Ehlich (im Museum), teilweise zitiert. Zeichnung : Hann HStA Hann 88 5277 f
- Über die Leineschleuse in Neustadt a. Rbge , www. ruebenberge.de
Erläuterungen der Aufrisszeichnung (aus dem Originaldokument)
Aufris von einer neuen Modde=Mühle
- Zwei Schiffe worauf
- Das Haus stehet
- Der Wellensthul, worauf das Modde und Kam= Rast, kann hoch und niedrig gelassen werden
- Die Welle
- Die Arme, welche auf der Welle befestiget, und woran
- Das Modde=Radt u.
- Das Kam= Rast geschroben
- Die Treff= Bank, welche an- und abgeschoben werden kann
- Der Krum= Zapfe an der
- Winde, welcher durch den
- Boden kommt, woselbst die Machine durch Menschen beweget wird
- Das Getriebe, so an der Winde befestiget
- Das Gestelle zur Winde
- Der Schieber, so an den Kum= Zapfen gehänget und in den
- Arm trit, und diesen hin und her beweget
- Die Welle worin der Arm befestiget, und worin
- 2 Eiserne Klincken befindlich, so das
- Schieberadt und
- die Schiebewinde bewegen, woran die Linie mit dem Anker in
- den Sand geworfen wird, wodurch, falls die Winde 10 durch Menschen gedrehet wird die gantze Machine sich nach dem Anker hinziehet
- Die Rinne worin Sand und Modde fällt, aus dieser fliest solches in
- Das Schiff , welches, nachdem es voll wieder ausgeleeret sein muss
- 23, Höchster Stand von Modde und Sand, welcher mit einem Pfluge erst etwas abgesetzte werden kann, damit die 2 Schiffe Nro 1 etwas leichter darüber arbeiten
- Zeiget wie nach getaner Arbeit die Machine kann auseinandergenommen und an die Seite gebracht werden
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