Über das historische „Hotel zum Stern“
Über ein historisches Gebäude und ehemals weithin bekanntes Hotel
Möchten Sie ein Hotel in Neustadt am Rübenberge buchen? Buchungen nahm das ehemalige Hotel zum Stern, einst eines der Spitzenhotels in Neustadt, schon lange nicht mehr entgegen. Zum Ende war es eine Ruine. Am 7. und 8. Februar fiel das historische Gebäude den Baggern zum Opfer und weicht einer geplanten Seniorenunterkunft.
Der Fachwerkbau, aus dem 19. Jahrhundert lag an der Hannoverschen Strasse. Er wurde um 1930 erweitert und umgebaut, konnte aber den Ansprüchen moderneren Zeiten nicht mehr genügen und wurde dem Verfall preis gegeben, bevor die Bagger kamen. Dabei haben dieses Haus, seine Bewohner, seine Wirte und Gäste eine lange und interessante Geschichte, die es wert ist, aufgezeichnet zu werden. Daher widmen wir diesen Artikel dem einstigen Hotel zum Stern, in alten Zeiten ein wichtiges Hotel mit gehobener Gastronomie – und nach der Hotel Ära bekannt für die Kneipe „Bei Charlie“.
Die ersten bekannten Anfänge verbinden sich mit einer eher makabren Angelegenheit: Als der Kirchhof in der Stadt, welcher sich damals um die Kirche herumbefand, „vor Leichen überquelle“, wurde im Jahre 1757 vor dem Leintor – also östlich der Grossen Leinebrücke – an der Chaussee nach Hannover ein neuer Friedhof angelegt. Bis 1765 sind dort 30 Leichen bestattet worden. Um diesen, wohl auch halb illegalen Friedhof gab es oft und lange Streit, doch das ist eine andere Geschichte. Aber hier kommt erstmals der Krugwirt Balthasar Buchholz ins Spiel. Dieser zog kurzerhand eine Strasse von seinem Krughause über den Friedhof zur Chaussee nach Hannover, um eine bessere Anbindung zu derselben zu schaffen.
Balthasar Buchholz war als Schiffer, Schleusenmeister, Gemeinheitsmeister, sogar als Brauer und Krugwirt ein in der Stadt geachteter Mann, der sich solche Eigenmächtigkeit wohl leisten konnte.
Die Existenz seines Anwesens an dieser Stelle belegt der „Plan der Stadt Neustadt“ von 1769 , worin auch die von Buchholz angelegte „Abkürzung“ deutlich erkennbar ist. Im Plan von Prätorius aus dem Jahre 1770 ist hier auch der „Hof Buchholtz“ bezeichnet
Am 26. Mai 1810 wurden alle Beamten auf dem Schloss auf den König von Westfalen vereidigt. Der König soll daher in Neustadt anwesend gewesen sein. Den geladenen Geistlichen wurde daher befohlen: „Sie haben sich am Mittwoch früh bei Tagesanbruch in Neustadt bei der Frau Leutnanten Behling vor Neustadt einzufinden. Sie sollen in Schuhen und Strümpfen kommen, möglichst einen Degentragen und die westfälische Kokarde nicht Vergessen“ (Quelle Barbe).
Es bot sich ja geradezu an, vor den Toren der Stadt für Reisende aus Hannover einen Krug, vielleicht auch einen Ausspann für Pferde einzurichten, lag doch der „Dammkrug“ , auch der „Posthof“ noch weit entfernt .
In den Annalen ist jetzt eine grosse Lücke. Bei Barby wird, leider ohne Quellenangabe, 1825 der Gastwirt Bergmann erwähnt. Er habe von der Regierung in Hannover die Genehmigung zum Betriebe einer Wirtschaft vor dem Leintore erhalten. Diese Wirtschaft habe vorher die Leutnantin Behling besessen. Bergmann wurde demnach verpflichtet, das Haus und die Stallungen so herzurichten, dass auch Honoratioren und Reisende höheren Standes daselbst Unterkunft und Verpflegung bekommen konnten.
Wir springen in das Jahr 1864, in dem Albrecht Stünkels Anwesen für die Versicherung geschätzt wurde. Albrecht Stünkel betreibt 1880 eine Gastwirtschaft mit 2 Logierzimmern und 4 Betten, Er kann im Winter 10 Pferde, im Sommer 25 Pferde im geräumigen Hofraum unterbringen. Pläne von 1887 und 1895 zeugen von reger Anbautätigkeit und den nicht geringen Umfang seines Anwesens.
Der MTV – Männerturnverein-, turnte in seinen Anfängen noch im Saal des Gastwirts Stünkel, bevor man 1880 in das Eckhardt‘ sche Gasthaus umzog. Für 1904 ist eine freiliegende Kegelbahn nachgewiesen. „Stünkels Gasthof“ war den Neustädtern lange ein feststehender Begriff, wie aus heimatlicher Literatur, aber auch der Unterschrift zu folgender schönen Zeichnung zu entnehmen ist.
Auf Stünkel folgt kurzfristig Heinrich Böttcher, Ihm verdanken wir eine Zustandsbeschreibung der Wirtschaft: Neustadt hatte um 1905 2257 Einwohner, 14 Wirtschaften einschl. Dammkrug und Parkhaus, wobei die nächste 500 bis 600 m entfernt lag, Das Haus verfügte über 20 Räume. Davon 6 für die Wohnung und 8 für die Wirtschaft. 6 Schlafzimmer für Fremde waren ausgestattet mit Betten, Stühlen (und, aus heutiger Sicht unverständlich: Webstühlen). Sitzenden Gästen wurden in den Gastzimmern von 42 qm Grösse „Sopha“, Stühle und Tische angeboten. Der Bauzustand entsprach behördlichen Vorschriften. Im 10 m entfernten, mit Krippen und Raufen versehenen Pferdestall konnten 30 Pferde untergebracht werden. Die Wasserversorgung wurde über den Brunnen sichergestellt, der 6 m vom Hause, 5 m vom Stall und 7 m von der Dunggrube entfernt war.
Nach kurzem Zwischenspiel 1905 mit August Rohe. wird 1906 Wilhelm Meyer nach einer Zwangsversteigerung Eigentümer. Er hat sofort investiert z. B. in neue Schweineställe. Besonders wurde schon 1906 durch den Unternehmer Rahlfs an den schon vorhandenen grossen Saal eine Bühne mit angrenzenden Umkleideräumen angebaut. Theater- und Kinovorführungen wurden vom Publikum damals sicher gern angenommen.
Am 28. Februar 1912 ereilte den Gastwirt Meyer ein Unglück: Zwei Scheunen mit Erntevorräten, Stallungen etc. fielen einem zerstörenden Brand zum Opfer. Der Brandschaden betrug 12.654 Mark für Gebäude, 5362 Mark für Mobiliar. Meyer hatte wiederum Pech, als seine Scheune 1914 abermals abbrannte, der Schaden betrug nunmehr 6.900 Mark.
1919 erhielt der Gastwirt Heinrich Zimmermann die Konzession zum Betriebe der Gast- und Schankwirtschaft.
Im ersten Weltkrieg, 1918, ist im Anbau des Fachwerkhauses das Geschäftszimmer der II. Ersatz-M.- G – K untergebracht. Gleichzeitig diente auch die Bürgerhalle als Kaserne. Für weitere Soldatenunterkünfte waren in unmittelbarer Nähe Baracken aufgestellt.
Seit 1922 jedoch wird das Haus von dem aus Hannover stammenden und dort wohnenden Ingenieur Franz Brüner geführt, Das Haus hat spätestens durch ihn den Namen „Zum Stern“ erhalten
Auch Brüner hat ständig Um- und Ausbauten vornehmen lassen. Zum Antrag aus 1931 für eine erweiterte Lizenz gehörte auch eine Lageplanskizze, aus welcher die Grösse des Betriebes hervorging : bemerkenswert der grosse Saal mit Bühne und Vorführraum. Seit den 30er Jahren bis nach 1958 ist die Familie Kerkhoff Pächter des Kinos.
Eine bemerkenswerte Episode ereignete sich 1927, als die Erlaubnis für eine Sondervorführung beantragt wurde. Gezeigt werden sollte ein (Aufklärungs-) Film von 1923 „Der Kreuzzug des Weibes“ mit erläuterndem Vortrag eines Dr. Hörnicke über den schon damals geltenden (Abtreibungs-) § 218 und seine sozialen Folgen. Der Antrag wurde jedoch in 4 Zeilen abgelehnt. Der Obrigkeit war das Publikum wohl für Aufklärung noch nicht moralisch gefestigt und geeignet.
1930 gab es in Neustadt 22 Gast- und Schankwirtschaften und Kleinhandlungen mit Spirituosen. Die nunmehr von Hermann Brüner geführte Wirtschaft hatte eine Betriebsgrösse von 217 qm, war nach „Stadt Hannover“ (später Calenberger Stuben, damals 590 qm-) und Hotel Nülle ( 289 qm, anstelle der heutigen Volksbank)- drittgrösstes Lokal.
Ausserdem wurde schon 1933 eine grosse Gartenwirtschaft betrieben. Noch nach dem Krieg soll Ehepaar Lücke dort Kaffee ausgegeben haben. Neben den Wohnräumen im Obergeschoss wurden 4 Fremdenzimmer angeboten.
Gemäss Adressbuch von 1949 wird die Gaststätte „Zum Stern“ von Gottfried Ruland geführt, einem Verwandten Brüners. Das Kino im gleichen Hause betrieb immer noch Hermann Kerkhoff, der immerhin tägliches Kino mit wöchentlich wechselndem Programm bei 385 Sitzplätzen anbot. Der „Filmtheaterbesitzer“ Kerkhoff betrieb zu der Zeit wohl das einzige Kino in Neustadt. Richtige Konkurrenz entstand ihm 1953 durch den Neubau des „Capitol“ am Erichsberg. Dieses und das aufkommende Fernsehen hat sein Kino unwirtschaftlich werden lassen.
In der rückwärtig auf dem Grundstück liegenden Scheune hatte Kurt Heinemann eine Hühnerfarm.
Nach dem Krieg wird das Gasthaus zunächst von den Besatzungsmächten in Beschlag genommen gewesen sein. Neben dem „Hotel Zum Stern“ lag die Tankstelle von Valentin Reichhardt. Reichhardt war – nach dem Krieg – angesehener Lokalpolitiker, er stammte aus Mecklenhorst, war Kfz- und Elektromeister und betrieb hier eine Autowerkstatt mit bis zu 15 Angestellten. Diese Tankstelle wurde nach dem Krieg für die amerikanischen Besatzungsmächte interessant. Auf dem Weg von Bremerhaven nach Süden war hier eine ideale Auftankstation. Hier hielten sich immer eine grosse Anzahl LKW auf und mancher Neustädter ergatterte sich eine Mitfahrgelegenheit nach Hannover. Von den vielen amerikanischen und englischen Besuchern hat das Hotel sicher so profitiert, dass es weiter betrieben werden konnte.
1952 tritt Kurt Klockemann auf den Plan. Kurt Klockemann war Ringer gewesen und führt das Lokal, wie der legendäre Ringerkollege Max Walloschke das seinige in Hannover, zu neuer Blüte und (über)- regionalem Ansehen. Er bot vor allem eine neue, vielseitige Küche an, besonders das prämierte von ihm kreierte „Schnitzel vom Rübenschwein“ (Besonderheit und ganz neue Idee: auf dem Schnitzel war gebackene Banane mit Ketschup platziert) und das etwas „feinere“ „Schnitzel vom Rübenberg“ (auf einem Riesenberg Waldorfsalat). Diese Sattmacher lockten Gäste von Nah und Fern, besonders auch ganze Busgesellschaften an. Der „Spiegelsaal“ für grössere Gesellschaften wurde gebaut. Klockemann konnte sich vieler prominenter Gäste rühmen, die während ihrer Gastspielreisen bei ihm logierten.
Auch die „Aera Klockemann“ ging zu Ende, das Ehepaar Klockemann baute den „Sonnenhof als Hotel garni, in dem in kleinerem Rahmen weiterhin Gäste bewirtet wurden. Das alte Haus verlor seine Bedeutung, zwischenzeitlich konnte dort Billard gespielt werden, hin und wieder wurde das Lokal von jungen Leuten für junge Leute weiter betrieben, bis auch das zu Ende ging. Das Haus verfällt zunehmend. Die Tankstelle Reichhardt gibt es schon lange nicht mehr, heute ist dort ein Pizzabetrieb. In dem Anbau hatte kurzfristig Herr Kaiser ein Geschäft für Sanitärartikel, er verstarb zu früh, um dem Anwesen noch zu neuem Ansehen verhelfen zu können.
Die Frontansicht des „Hotel Zum Stern“ ist den meisten Neustädtern noch bekannt. Anfang Februar 2015 aber kamen die Bagger.
Die Ansichten, wie das Areal künftig zu nutzen sei, gingen zwischen der Stadtverwaltung und dem Rat einerseits und
dem Verwalter der Anlage weit auseinander, lange sprach man nicht mehr miteinander. Eine Einigung über künftige Nutzungen war lange nicht in Sicht.
2014/15 fielen Entscheidungen. Die Neustädter Firma Rahlfs Immobilien konnte das Gelände von Frau Kayser erwerben und plant den Bau eines Seniorenheims. Am Wochenende vom 7. zum 8.Februar wurde es ernst. Der Bau fiel den Baggern zum Opfer.
HD 2/ 2011, Nov 14, Feb. 2015
Verwendete Quellen:
- Barby, Kirchenchronik
- Lageplan Fesca von 1764 mit der Bezeichnung „Lein Thor“ östlich der Leinebrücke
- Lageplan „Das Steinhuder Meer mit denen Umherliegenden Gegenden“ in „Das Steinhuder Meer“ von Curd Ochwadt“ 1967
- Lageplan 1769 Aus Kunze, Leben und Bauten Herzog Erich II Nds HstA Hannover 12 f
- Regionsarchiv in Neustadt a.Rbge, NRÜ II 1141, NRÜ II 1287, 1288, KA NRÜ 1383,1433, 1434, 1440
- „Neustadt am Rübenberge in alten Ansichten“, Hrg Philetalisten- Club Neustadt a. Rbge 1996
- Dietrich Redeker in „Das alte Neustadt in heiteren Bildern, o. D.
- Leinezeitung 12.12.2008 mit eingesandtem Foto von Hans- Erich Hergt
- Adressbuch 1949, 1958, 1966
- Private Auskünfte
Kretschmer on 13 Mrz 2013 at 10:32 #
Schade wieder ein Historisches Haus was wohl bald weichen muß.
Ein wahrzeichen von Neustadt.
Kretschmer on 15 Mrz 2013 at 20:45 #
Es ist eine Schande das wiedermal ein historisches Haus weichen muß manchmal zweifel ich an den Neustädter Ratsherren
jasmien on 12 Feb 2015 at 09:56 #
Es ist schade um das Gebäude
Mann hätte es neu renovieren können und daraus was machen können aber die stadt lässt es abreißen um dann ein alten Flege heim in zu bauen und das auch noch wo sehr viel Verkehr ist ich finde das scheisse die sollten mal ehr an uns Jugend liche denken für ne Diskotheken für jung und alt
Christian on 19 Jan 2017 at 07:36 #
Ihr solltet erstmal dran denken, vernünftige Bildung zu erlangen, bevor es in die Disco geht. Damit ist scheinbar nicht weit her, wenn ich den Kommentar lese.
Dieter on 10 Mai 2018 at 13:54 #
Manchmal, wenn ich am ehemaligen Standort des Hotels vorbei fahre, läuft mir noch immer das Wasser im Mund zusammen, Stichwort Schnitzel vom Rübenschwein oder Schnitzel vom Rübenberg. Leider sind offenbar die Rezepte dieser legendären Gerichte nicht überliefert, hätte sonst bestimmt schon jemand nachgekocht, schade eigentlich!
Heidi Koston on 26 Mai 2024 at 12:25 #
Ich kenne die Gaststätte noch aus meiner Kinderzeit! Wenn mein Vater sagte:wir gehen Essen zum Stern ! Oh man was haben wir uns gefreut! War das ein Schnitzel( oder Kotelett) genau kann ich es nicht sagen! Aber die leckere Banane war etwas ganz besonderes! Schade um das schöne Haus!