Seit wann gibt es eigentlich Musik- und Tanzlokale und wie haben sich denn die Neustädter um die Jahrhundertwende amüsiert? Man ging spazieren, Tanzen, hörte Musikkapellen beim Spiel zu, damals wie heute.

Wenn Sie von Hannover kommend auf der B6 fast die Abfahrt nach Neustadt erreicht haben, haben Sie es schon verpasst: Die Stelle an der einst das so beliebte Parkhaus stand, das ungefähr von 1894 bis 1930 betrieben wurde. Am Beispiel des Parkhauses wollen wir einen Blick auf das historische, gesellschaftliche Neustadt am Rübenberge werfen und anhand der Geschichte des Parkhauses einen Einblick einen Teil der Freizeitgestaltung der Bürger Neustadts werfen.

 

Das Parkhaus Neustadt am Rübenberge - Ausflugs- und Gartenlokal

Das Parkhaus Neustadt am Rübenberge – Ausflugs- und Gartenlokal

 

Vom Parkhaus wissen nur noch ganz alte Neustädter oder jene, die Neustädter Chroniken gelesen haben.

Das Parkhaus war ein Restaurant östlich der B6 gelegen, etwa halbwegs zwischen der Stadt und dem Dammkrug (dem heutigen Damhirsch). Ein Leinebogen führte auf der anderen Straßenseite, also westlich der B6, fast an die Strasse heran. Zwischen etwa 1897 und den 20iger Jahren des 20.Jh.war es ein beliebtes Ausflugslokal der Neustädter. Es lud zum Tanzen, zu Teekränzchen, Streichkonzerten und sogar zum Rudern auf der Leine ein. Hier kamen nicht nur Ausflügler aus der Umgebung her sondern auch die eingesessenen Neustädter spazierten durch die Apfelallee die Leine herunter und genossen am Parkhaus einen entspannten Nachmittag. Hier konnten auch durchreisende Pferdegespanne pausieren. Der Autoverkehr der damaligen Reichsstrasse wird sich in Grenzen gehalten haben, wurde in Neustadt doch der erste „Düwelswagen“ erst 1895 gesichtet.

 

Stadtplan von 1951 zeigt die Lage des Parkhauses

Stadtplan von 1951 zeigt die Lage des Parkhauses

 

Als erster Besitzer des Parkhauses ist Fritz Starwing bekannt. Der aus Gandersheim stammende Vater Karl Starwing betrieb schon 1894 eine Gast- und Schankwirtschaft in der Leinstrasse Nr.8. die er von Heinrich Nülle erworben hatte.

1897 erhält Fritz Starwing als „Restaurateur“ die „Konzession zum Betriebe der Schankwirtschaft in einem von demselben auf seinem links an der Hannoverschen Chaussee belegenen Grundstücks zu erbauenden Gebäude“. [1]

Foto der Konzession hier klicken

Fast gleichzeitig stellt der Zimmermeister August Rischbieth den Bauantrag mit „Entwurf zu einer Sommerwirtschaft für Herrn Fr. Starwing zu Neustadt a. Rbge“. Die Baupläne zeigen einen schlichten Bau : Zwei unterschiedlich große Säle, 50 bzw 70 qm groß, eine Küche, ein Buffett. „Für Herren“ und „Für Damen“ waren von außen zugänglich. Unter der Küche gab es einen weniger als 2 m tiefen Keller, Für private Zwecke war möglicherweise die Stube gedacht. Das Gebäude war mit einem flachgeneigtem Dach gedeckt. [2]

Foto des Bauplans von 1897 hier klicken

 

Postkarte des Parkhauses in Neustadt - ein Tanz- und Gartenlokal im historischen Neustadt

Postkarte von ca. 1897 des Parkhauses in Neustadt – ein Tanz- und Gartenlokal im historischen Neustadt

 

Die Postkarte mit „Gruss vom Parkhaus“ zeigt eine Vorderansicht der Sommerwirtschaft, seine Gartenanlagen, auch ein doppelstöckiges massives Gebäude mit einem offensichtlich ziegelgedeckten Satteldach. Im Giebel ist der Schriftzug “ Fr. Starwings Restaurant“ erkennbar. Offen ist somit, ob das Restaurant schon früher bestand und betrieben wurde und die Sommerwirtschaft erst als Anbau etwa 1897 hinzukam. 1901 jedenfalls beantragt Gustav Meyer die Konzession „für die dort seit 1897 bestehende und im Betriebe befindliche unbeschränkte Schankwirtschaft“.

Die Postkarte vermittelt durchaus den Eindruck eines freundlichen Ausflugs- und Gartenlokals. Man konnte hier Ruderboote mieten, da die Leine ganz dicht an der anderen Straßenseite erreichbar war. Die Promenade der Apfelallee lud zu einem Spaziergang mit Ausblick auf die Leine und den Wasserfall ein.

 

Aus Winkel: Aufnahme des Parkhauses in Neustadt

Aus Winkel: Aufnahme des Parkhauses in Neustadt

 

Es paßt auch die Nachricht dazu, daß der bereits 1896 gegründete Neustädter „Verschönerungsverein“ außerhalb der Stadt gelegene, alte, beliebte Spazierwege in Ordnung hielt und eine Reihe Ruhebänke aufstellen liess [5]. Dazu gehörte vorrangig die heutige Apfelallee, an deren Ende die Erholung im Parkhaus winkte.

Ob das Parkhaus wirtschaftlich auskömmlich zu betreiben war, ist wohl fraglich, wechselten wohl Zehn mal in kurzen Abständen die Eigentümer.

Bereits 1898 ging die Schankkonzession an H. Dittmar. In einer Annonce in der Leinezeitung am 6. Mai 1900 warb er um zahlreichen Zuspruch zum Unterhaltungskonzert und dem anschließend folgendem „Kränzchen“.

 

Unterhaltungskonzert mit anschließendem Kränzchen

Unterhaltungskonzert mit anschließendem Kränzchen

 

1901 übernahm für wenige Monate G. Ebrecht die Restauration.

Im gleichen Jahr erklärt der aus Linden stammende 49 Jahre alte „Particulier“ Gustav Meyer, daß „Das hierselbst an der Hannoverschen Landstrasse gelegene Grundstück (Parkhaus) in meinen Besitz übergegangen“ sei. Auch er erhält die Schankkonzession „für die Schankwirtschaft in dem Parkhause an der Frielinger Chaussee 2“ und warb für eine musikalische Unterhaltung im Parkhaus. (Tatsächlich wechselte in dieser Zeit die Adresse zwischen „Frielinger Chaussee 2“ und „Hannoverscher Strasse 10“.)

 

Auch der Wirt Gustav Meyer warb mit musikalischer Unterhaltung.

Auch der Wirt Gustav Meyer warb mit musikalischer Unterhaltung.

 

Von 1903 an noch 6 Jahre betrieb der 1861 in Bodenwerder geborene frühere Maurermeister Wilhelm Lohrberg das Lokal. Von ihm stammt ebenfalls eine Postkarte. Diese belegt, daß sich das Aussehen der Gebäude durch An- und Ausbauten immer mal wieder geändert hat.

 

Postkarte des Parkhauses etwa 1903

Postkarte des Parkhauses etwa 1903

 

Die Postkarte vermittelt den Eindruck, dass neben Musik und Kaffeekranz insbesondere das Flanieren, also sehen und gesehen werden eine wichtige Rolle um die Jahrhundertwende gespiel haben könnte.

1909 hat Gustav Söffker das Anwesen für 29.000 Mark gekauft.

1911 bereits wurde W. Allerdings Eigentümer und erhielt die Schankkonzession.(“ Die vorliegende Wirtschaft ist hauptsächlich eine Sommerwirtschaft außerhalb der Stadt (an der Hannoverschen Strasse belegen“)).

8.5.1912: Landwirt Heinrich Nolting verkauft dem Restaurateur Max Hoppe den im Grundbuch Neustadt Blatt 397 eingetragenen Grundbesitz (Parkhaus) für 28.000 Mark. 1912 hat aber offensichtlich auch eine Zwangsversteigerung des Parkhauses stattgefunden.

1913: auf Emil Raddatz folgte als Grundstückseigentümerin die Witwe Mathilde Pape, geb. Schütte.

1916: August Rieke übernimmt das Anwesen. Für ihn stellt 1920 der Maurermeister Wilhelm Sievers den Antrag für „den Ausbau des kleinen Saales auf dem Parkhause zu Wohnräumen für Herrn Gastwirt Aug. Ricke hierselbst Hannoversche Strasse N 10“ und fügt einen Plan Maßstab 1:100 bei.6 Aus dem 50 qm großen „Kleinen Saal“ entstanden ein Wohnzimmer und eine Schlafstube , die durch die Küche erreichbar war.

Wie sein Vorgänger bemühte sich August Rieke , das Parkhaus ganzjährig mit Leben zu füllen und lud z. B. 1919 in der Leinezeitung zu einem Tanzkränzchen, ein anderes Mal zu einem Streich- Konzert ein.

 

Für nur 40 Pfennig kann man sich ein Großes Streichkonzert im Parkhaus anhören

Für nur 40 Pfennig kann man sich ein Großes Streichkonzert im Parkhaus anhören

 

 

Hier wird für ein Tanzkränzchen im Parkhaus geworben

Hier wird für ein Tanzkränzchen im Parkhaus geworben

 

In derartigen Zeitungsannoncen lud August Rieke 1909 zu verschiedenen Veranstaltungen ein [7]. Tanzkränzchen, Streichkonzert und Musikalische Unterhaltung sollten Gäste für 40 Pfennig in die Wirtschaft bringen. Um die Veranstaltung attraktiver zu machen zahlen Militärs nur 30 Pfennig, Kinder waren für 20 Pfennig ebenfalls gerne gesehen. Man sah sich, zeigte sich und nahm so am örtlichen Geschehen teil. Leider läßt sich heute nicht mehr nachvollziehen, ob die damaligen Markteting Konzepte aufgingen.

1922 beantragte Friedrich Kronenberg eine Schankkonzession. Er habe das Grundstück gekauft. Er war vielleicht der Letzte, der sich um eine Betriebs- und Schankerlaubnis bemühte. Die Sache hat sich aber zerschlagen.

In einer „Nachweisung über die in Neustadt a/ Rbge vorhandenen Gast- und Schankwirtschaften“ von 1930 ist ein Restaurationsbetrieb an der Hannoverschen Strasse schon nicht mehr aufgeführt, das „Parkhaus“ hatte aufgehört, Gäste zu bewirten.[8]

Spätestens 1937 kommt der Maurer Heinrich Eickhoff ins Spiel. Er ist jetzt Eigentümer. Ausweislich einer Meldung für „Veränderungen des Nebenkatasters durch die Landwirtschaftliche und Brandkasse“ hat sich das Anwesen gegenüber den Ursprüngen durch Anbauten und Nebengebäude erheblich vergrössert, u.a. verbunden mit einer „kleinen Landwirtschaft“ [9]

In späteren Jahren wurden die Gebäude wegen des 4-spurigen Ausbaus der B6 abgebrochen, ebenso wie noch einige weitere direkt an der Strasse gelegenen Häuser.

Heute rauscht der Verkehr der autobahnähnlichen Strasse vorbei, an das früher so bekannte Parkhaus erinnert nichts mehr.

[HD Juli 2010]

  • [1 ]Aus dem Archiv der Region Hannover, Neustadt am Rübenberge, KA NRÜ 1433
  • [2] ]Aus dem Archiv der Region Hannover, Neustadt am Rübenberge, KA NRÜ1287
  • [3] Winkel, Geschichte der Stadt Neustadt 1966, S. 365
  • [4] Aus Neustadt am Rübenberge in alten Ansichten, Hrg Philetalisten- Club Neustadt a. Rbge 1996
  • [5] Chronik Klages 1950, S. 176
  • [6] Aus dem Archiv der Region Hannover, Neustadt am Rübenberge, KA NRÜ II 1287
  • [7] Leinezeitungen 1909
  • [8] Aus dem Archiv der Region Hannover, Neustadt am Rübenberge, KA II 144
  • [9] Aus dem Archiv der Region Hannover, Neustadt am Rübenberge, KA II 1287

 

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