1. Anfänge
2. Eigentümer, Pächter, Verhandlungen
3. Verwaltungssachen- Von der Gutsgemeinde Grossmoor bis zur Eingemeindung.
4. Die Bewohner in GroßMoor -Lebensumstände und Schicksale im Moor
5. Über Arbeitsbedingungen – Torfarbeiter, Tarife und Baracken
6. Kriegsgefangene im 1. Weltkrieg -Arbeit im Moor
7. Zwischen den Kriegen – Baracken weichen Gebäuden mitten im Moor
8. Die Holländer -Gastarbeiter zum Torf stechen
9. 1939 bis 1945 – Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene
10. Nach dem Krieg – Grossmoor ist bis mindestens 1966 noch bewohnt
11. Das Moor brennt -Das Großfeuer vom 15. Okt. 1959- mehr als 1 Mio DM Schaden
12. Totes Moor 1960 bis heute -Ausflügler im Moor, Eintrittsgelder und Danksagungen

Bereits 1871 wurde Großmoor zu einem Gutsbezirk erklärt. Das lässt darauf schliessen, dass hier lange Zeit Leute dauerhaft in Baracken o.ä. gewohnt haben. Die Situation der Siedlung GroßMoor war für die Stadt Neustadt Grund genug, sich 1928 für eine Eingemeindung einzusetzen.

Auch die Kirche war am Wohlergehen der Bewohner interessiert, wie uns die Kirchenchronik von Barby ausführlich schildert :

1928: Seit mehreren Jahren bleiben die Arbeiter auch im Winter über in Gross- Moor. Auch sind neben den Baracken nunmehr feste Häuser für sie gebaut, die Siedlung ist also eine Dauersiedlung geworden. Daraufhin beantragte der Kirchenvorstand zum Zwecke der Wahrung kirchlicher Belange beim Landratsamt die Veranlassung eines Antrages der Firma Dyckerhoff auf Ansiedlungsgenehmigung. In Ansehung der Lage des Gutsbezirkes zu den umliegenden Kirchengemeinden erscheint seine Einpfarrung nach Neustadt wohl das Gegebenste.

Die Eingemeindung liess noch auf sich warten (Quelle siehe oben):

Pastoriert werden seit 15-20 Jahren (seit 1908 oder 1913? Anmerkung des Verfassers) von hier aus auch die Einwohner der von den Torffabriken in Poggenhagen aus gegründeten Industrie-Siedlung Gross- Moor in den früher selbständigen fiskalischen Gutsbezirk gleichen Namens, der seit vorigem Herbst mit der Stadtgemeinde verbunden ist. Eine Einpfarrung der Siedlung hat aber bisher nicht stattgefunden. Sie wird erst möglich sein, nachdem eine Siedlungsgeneh migung erteilt ist und die öffentlich rechtlichenVerhältnisse geklärt sind.
In Neustadt ist ein katholisches Pfarramt und eine Synagoge. Es wohnen hier 146 Katholiken und 59 Juden; in Gross- Moor ausserdem 10 Katholiken. An sektiererischen Gemeinden sind hier eine adventistische und eine neuapostolische vorhanden
Es sind 4 dissidentische Familien hier vorhanden. Separatistische oder kirchenfeindliche Erscheinungen sind nicht hervorgetreten.

Den Umfang der Gemeinde, also mindestens 8 Häuser oder Baracken, schildert auch folgende Notiz:

Groß- Moor. 10. Oktober 1929.
Eine Liste der festangesiedelten evangelischen Einwohnerschaft von Groß- Moor nennt folgende Wohngebäude:

Baracke I., Barracke II., Barracke III., Barracke IV, Barracke V., Am Mittelgraben 1, Am Mittelgraben 2, Am Grenzgraben1

Es gibt insgesamt 70 ev.- luth. Personen dort, dazu kommen noch 31 unkonfirmierte Kinder. Das ergibt eine Gesamtzahl von 101 Personen.
(Quelle: KA Neu Altreg Fasz 1)

Über die hygienischen Verhältnisse, Elt- oder Wasserversorgung, Wegeverhältnisse usw wissen wir wenig. Vom Oktober 1928 stammt ein Bauantrag der Fa „Torfverwertung Poggenmoor“ für den „Neubau einer Waschküche mit Aborten , Grosses Moor“. Darin ist ein massives Gebäude von 3 x 5 m dargestellt, die Baupolizei (in Nienburg) machte zur Auflage: „Abortgruben in 10m Abstand von dem Brunnen anlegen“.
Leider ist nicht ersichtlich, wo diese Anlage erstellt wurde.

Dabei macht sich die Kirche auch Gedanken über die finanziellen Nebenwirkungen der Einpfarrung, indem sie einen Ausgleich in Geld errechnet: (Aus der Kirchenchronik Barby, Zitat v 11.Oktober 1930)

„Das Hinzukommen der Siedlung stellt eine bedeutsame Änderung der Verhältnisse der Kirchengemeinde dar, die sich namentlich in einer Neuordnung der pfarramtlichen Geschäfte ausgewirkt hat.
Gross Moor ist 4- 5 km von Neustadt entfernt. Es ist damit der am weitesten abgelegene Aussenort. Zudem bereitet der mangelhafte, bei schlechtem Wetter und im Winter nur mit Wagen passierbare Weg Fuhrkosten. Die Regelung der kirchlichen Verhältnisse würde somit in einer Abgeltung der Aufwendungen bestehen, die der Kirchengemeinde aus der Siedlung erwachsen. Zu berechnen wäre die Höhe der Abfindung nach dem Verhältnis der Zahl der ev.- luth. Einwohner der Siedlung zu der Zahl der Mitglieder der Kirchengemeinde. Angesiedelt sind in Gross Moor gegenwärtig 101 ev.- luth. Personen. Die Kirchengemeinde (ohne Gross Moor) zählt 2 947 Mitglieder. Das ergibt ein Verhältnis von rund 1:30. Die kirchlichen Lasten betragen nach dem Haushaltsanschlage der Kirchengemeinde 8 200 RM.
Davon entfiele 1/30 = rund 270 RM jährlich auf die Siedlung. Diese Summe wäre mit dem Zwanzigfachen (5%) zu kapitalisieren, so das sich eine Abgeltungssumme von 5 400 RM ergib. Diese Forderung dürfte um so mehr berechtigt sein, als die Kirchengemeinde bisher schon über 20 Jahre lang die Siedlungsbewohner freiwillig pfarramtlich versorgt (s oben, seit 1910 ?) hat, ohne je auch einen Pfennig dafür zu bekommen und auch nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Siedlungsbewohner in Zukunft nicht anzunehmen ist, das sie selber je so leistungsfähig werden um an den Lasten der Kirchengemeinde teilnehmen zu können. […] Die gegenwärtig angesiedelten 101 ev.-luth. Siedlungsbewohner verteilen sich abgesehen von zwei alleinstehenden Siedlern auf 30 Haushaltungen. Sollte die Siedlung in Zukunft wachsen, so behält sich der Kirchenvorstand eine Neuregelung auf obiger Grundlage […] vor, […].

(Quelle: KA Neu Altreg Fasz 1)

Die Kirche rechnet also mit einem weiteren Anwachsen der Gemeinde GroßMoor.Die Herkunft der Bewohner erklärt sich die Kirche wie folgt:

Das sittliche Leben mag wohl unter mangelhaften Wohnverhältnissen ab und zu etwas leiden, gibt aber zu großen Klagen keinen Anlaß. Nur die Wohnverhältnisse in den Moorsiedlungen Gross- Moor und dem zu Neustadt gehörenden Rischbieths Moor sind nicht nur sehr ungesund, sondern auch sittlich bedenklich. Von den vielen dort getrauten Brautpaaren war nur ein einziges in Ehren. Dafür gibt es aber andere Gründe. Die Arbeiter sind fast sämtlich, ob männlich oder weiblich, junge deutschstämmige polnische Untertanen, die vor den Polen geflüchtet sind. Die Männer sind in Polen militärpflichtig und dürfen deshalb ihre Heimat nicht mehr betreten. Darüber hinaus machen die polnischen Behörden oft Jahre lange Schwierigkeiten mit der zur Heirat notwendigen Bescheinigungen. Es kann nicht wundern, daß die jungen, verlobten, in engen Baracken ohne Aufsicht dicht zusammenwohnenden Leute derweilen in wilder Ehe leben. Nachdem eine große Anzahl inzwischen zu Heirat und Trauung gelangt ist, nunmehr auch feste Häuser in der Siedlung gebaut sind, kann man mit einer Besserung dieses Problems rechnen.

Feuerschutzkarte Totes Moor Neustadt am Rübenberge

Feuerschutzkarte von 1931 Totes Moor Neustadt am Rübenberge

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