Konkurrenz im 18. Jahrhundert

Teil 1: Über das alte Rathaus, den Ratskeller und seine Wirte
Teil 2:  Der Ratskeller im 19. und 20. Jahrhundert
Teil 3: Pflichten des Kellerwirts im 17. Jahrhundert
Teil 4: Über den Ratskeller, Wirthe, Konkurrenz und Wappen

Die Bürger selbst hatten das größte Interesse daran, daß ihre Kellerwirtschaft gedieh und daß sie tadellos geführt wurde. Und wer darum ein Wirtshaus aufsuchte, lenkte seine Schritte nach dem Ratskeller, wo die verschiedenen Stände in getrennten Zimmern stets eine anregende Gesellschaft fanden. Daß auch die Stadt Einkünfte aus dem Keller bezog, bedarf wohl keiner Erwägung und läßt sich wohl aus alten Stadtrechnungen nachweisen. [13]

Aber der Ratskeller war nicht konkurrenzlos. 1680 wird außer dem Ratskellerwirt Jobst Dangers nur ein Gastwirt genannt, Joachim Zedelius, der Sohn des Rektors, ferner ein Bierkrüger und der Wirt vor dem Löwentore Wentzel.14 Ein weiterer Hinweis erscheint 1715. Da vermelden die Kirchenbücher, daß „den 17ten Mart des Rosenkrügers Joh. Erich Aschens Frau mit einer Tochter niedergekommen“. Der Rosenkrug lag weit vor den Toren der Stadt und war den Stadtherren früh ein Dorn im Auge, weil damit ihre eigenen Einnahmen geschmälert wurden. Wir erfahren auch, daß der Rosenkrüger 1742 – 1743 Garben heißt. „1752 ist des hiesigen Rosenkrügers Tochter auch mit einem Hurenkinde niederkommen. Das Frauensmensch heisst Louise Wilhelmina Schweers […].“

Der Krug soll (lt Barby) im Jahre 1748 „Krug auf dem Ludewigschen Garten vor dem Lauentor“ geheißen haben. Die Pacht betrug jährlich 1 Taler und 18 Mariengroschen. Diese Wirtschaft ist nach Eröffnung der Eisenbahnlinie wegen mangelnden Verkehrs eingegangen.

1753 ist des hiesigen Rosenkrügers Johann Heinrich Schwehrs Sohn gestorben…

Seit 1726 ist als Gastwirt Christian Albrecht Jordans bekannt. 1740 ist des hiesigen Bürgers, Brauers und Gastwirths Zum Weißen Roß Johann Wilhlem Jordans Ehefrau mit einer Tochter niedergekommen […]“ [Anm.: Zum Weissen Ross: Heute Weinhandlung Kollmeyer vor der Kleinen Leinebrücke]

1720 und 1721 wird erwähnt: Conrad Fridrich Heidemann, Bürger, Brauer und Gastwirth hierselbst, nicht auszuschliessen ist, dass er auch Kellerwirt war. 1750 wird der hiesige Bürger und Gastwirth Bolmeyer angezeigt. Hier fehlt jedoch der Bezug zum Ratskeller, wie und wo sie als „Gastwirt“ tätig war, ist nicht ersichtlich.

1748 findet erstmalig der Gastwirt Zum Eilser Damm, Ohagen, Erwähnung (In der Kurhannoverschen Landesaufnahme von1771 ist der „Eylveser Damm auch Hüttenkrug“, eingetragen. Gemäss der Dorfchronik von Eilvese von 2008 wird seit 1718 der Betreiber der Krugwirtschaft Sebastian Ohagen genannt ,der auch die Zollstelle führt. Heute Gaststätte Schrader am Bahnhof. S auch Dorfchronik Eilvese von 2008)

Am 3. Dezember 1751 erhielt der Postverwalter Dettmering die Erlaubnis, zur Bewirtung der Reisenden und Unterbringung der Pferde ein Wohn- und Stallgebäude am Fusse des Walles nahen dem Lauentore zu bauen und eine Wirtschaft einzurichten. Das ist der heutige Posthof.

Vor den Toren der Stadt entstand nach dem Rezess von 1753 am Frielinger Damm ein Wohnhaus für den Strassenaufseher Nebel. Hier behielt sich die Stadt das Recht vor, dort eine Schenke anzulegen und sie dem Bewohner des Hauses gegen mäßigen Krugzins in Pacht zu geben, wogegen er wiederum angehalten sein soll das zu verstellende Getränke an Wein, Bier und Branntwein jedes Mal aus der Neustadt zu nehmen“.15 Daraus entstand der „Dammkrug“, heute „Zum Damhirsch“ an der B6.

Nach ähnlichem Hintergrund entstand 1753 der Moorkrug des Moorvogts an der Wunstorfer Strasse als herrschaftliche Wohnung. Die Entscheidung, ob in ihm eine Schenke anzulegen sei, stand deshalb dem Amte zu. Das Amt hat sie aber nicht ohne Zustimmung der Stadt genehmigt Die Stadt war sich aber wohl nicht zu schade, ausser dem Ratskeller innerhalb der Stadt weitere Lizenzen zu vergeben. Aus diesem Grunde beschwert sich 1753 der Superintendent Wöldeken.

Denn neben der Superintendentur ist eine „Krug Nahrung“, wie es auch genannt wird, vom Nachbarn des Superintendenten, Johann Heinrich Jordan angepachtet worden. Dieser stammte vermutlich aus jener Familie, die über das Bier- und Wein- Consortium ohnehin über den Ratskeller mit verfügten. Diesem „Nebenkrug“ lag die Schule gegenüber. Superintendent Wöldecken kommt nicht mehr zu Ruhe. In mehreren Schreiben, auch pro memoria, wendet er sich an Bürgermeister Schreiber und die Stadtkämmerei.

20. Februar 1753:

Von der hiesigen Stadt Cämmerey ist am vergangenen Freytag ein Nebenkrug oder Wirtschafft an einen hiesigen Bürger und Einwohner verpachtet, welcher mein Nachbar ist und sein Schild nahe an der Superintendens Wohnung ausgehängt hat. Heute hat sich eine Anzahl von allerley Leuten versammelt, welche geschrien, gesoffen, getanzt, gespielt oder Musik gehabt. Nun will ich nicht mal anführen das diese Bosheiten zu meiner Beschimpfung gerufen und ich solches stillschweygend billigen müßen, sondern ich will nur so viel begehren, daß durch dergleichen lärmen, als rufen, schreyen, pralen und unanständige Aufführung, ich nicht in meiner Arbeit gänzlich gestöret und behindert werde.

Am 10ten und 11ten Mart: 1753 beherbergte Johan Heinrich Jordan einen Juden, der seine Ehefrau bei sich hatte. Dieses unvernünftige Weib fing besonders in der Nacht ein so entsetzliches Geschrei an, es erhob sich wiederholten male und ich davon die Nacht nicht schlafen konnte, wo ich doch Sonnabend und Sonntag meine volle Arbeit hatte und dennoch in meiner Ruhe gestört wurde.

Den 14ten Mart: 1753 war in diesem Wirthshause des abends von 7 Uhr biß halb 11 Uhr ein lermen, schlagen und poltern, dergestalt das ich in meinem Studium gänzlich behindert wurde und als ich mich zurRuhe verfügen wollte, wurde ich in meinem Schlafe also so gestört daß ich aus Verdruß wieder aufstand und den Nachtwächter Prinzhorn beordnen mußte, daß er in mein Nachbarhaus gehe und den Leuten Stille anzuordnen, wiewohl man sich wenig daran gekehrt. (Quelle: Einige Beschwerden des Sup. Wöldecken KA Neu Rep 3, 203)

1825 wurde von der Regierung in Hannover dem Gastwirt Bergmann die Genehmigung zum Betriebe einer Wirtschaft vor dem Leintor verliehen. Diese Wirtschaft hatte vorher die Leutnantin Beling besessen. Bergmann wurde verpflichtet, das Haus und die Stallungen so einzurichten, dass auch Honorarionen und Reisende höheren Standes daselbst Unterkunft und Verpflegung bekommen konnten. Es ist anzunehmen, dass es sich hier auch um das obenerwähnte „Weisse Ross“ handelt, der späteren Kollmeyerschen Wirtschaft vor der Kleinen Leinebrücke. Die Wirtschaft ist eingegangen, Unter dem Namen Kollmeyer wird hier aber jetzt noch Wein und Sekt angeboten. [16]

Das Wappen von Neustadt am Rübenberge

Historische Wappen von Neustadt am Rübenberge bis 1727, nach der Gestaltung von Herzog Erich II aus dem Jahr 1573.

Historische Wappen von Neustadt am Rübenberge bis 1727, nach der Gestaltung von Herzog Erich II aus dem Jahr 1573.

In einem schematischen Plan der Stadt von vor dem großen Brand von 1727 befinden sich zwei Wappen 17. Davon steht das linke für das Amt, also dem Herzogtum Calenberg, welches vom Schloss aus vertreten ist. Das rechte Wappen zeigt in vereinfachter Form das der Stadt Neustadt a. Rbge.

Seit 1547 ist das Wappen im Wesentlichen unverändert geblieben. Der Gewerbelehrer Fritz R. Sackewitz hat es 1954 zeichnerisch neu gestaltet. Seit wann es den Eingang zu den im Obergeschoss liegenden „offiziellen“ Räumen des Rathauses ziert, ist unbekannt. Der blaue Löwe ist das Wappentier der Herzöge von Lüneburg. Die rote Zinnenmauer dürfte weniger eine real vorhandene Stadtmauer darstellen als vielmehr das Symbol der Grenze zwischen „städtischer Freiheit“ und „ländlicher Unfreiheit“ sein. Das offenen Tor symbolisiert, dass dem Landesherren der Zutritt nicht verwehrt werden darf .

Wappen über der Eingangstür im Obergeschoss

Wappen über der Eingangstür im Obergeschoss

Das Wappen über dem Eingang zu den ehemaligen Ratsräumen im Obergeschoss ist 1847 in Zinn gegossen worden. Als Stadtfarben haben die städtischen Gremien die Farben weiss und blau gewählt. Dieses waren die Farben der ehemaligen Grafschaft Wölpe 1887. [16]

Die Treppe des Rathauses

Die Außentreppe ist ein Ort historischer lokaler Bräuche. An erster Stelle steht das traditionelle Schützenfest, von dessen Ablauf an anderer Stelle berichtet wird. Es soll hier jedoch erzählt werden, daß an jedem Schützenfest-Morgen die Schützenoffiziere ihre Bataillionsfahnen, welche im Rathaus aufgehoben werden, nach feststehendem Brauch und in feierlichen Zeremonien abholen. Auf der Treppe werden die Fahnen unter Beifall großer Kreise der Bevölkerung zur Ansicht geschwenkt, um dann im Schützenumzug mitgeführt zu werden. Abends werden sie ebenso feierlich über die Treppe wieder eingeholt.

Lange Zeit bis 1987 wurde auf dieser Treppe der neue Schützenkönig inmitten der Kranzdamen fotografiert – das sind die zumeist jungen Mädchen, die die Gewinner des Schützenfestes Sonntagsnachmittag am Ausmarsch begleiten. Lange Zeit wurden die Fotos vor der gegenüberliegenden Kirche gemacht, heut beim Freizeitheim.

KraKranzdamen des Schützenfests 1934 [18]

Kranzdamen des Schützenfests 1934 [18

Es hat sich auch der Brauch eingebürgert, dass junge Männer und Frauen, die an ihrem 30sten Geburtstag noch nicht verheiratet sind, die Treppe fegen müssen. Zum Gaudi der Begleitung fegen sie so lange, bis eine Jungfrau sie mit einem Kuss von ihrer Aufgabe erlöst.

Überhaupt sind der Ratskeller und auch die gegenüberstehende „Alte Wache“ Mittelpunkt der vieler Neustädter Feste, ob Schützenfest, Stadtfest oder Wochenmarkt. Hier feiert Neustadt!

Hexenverbrennungen vor dem Rathaus

Das Rathaus ist Zeuge vieler Ereignisse, der Vorgängerbau hat jedoch besonders grausame Dinge gesehen. Herzog Erich II führte einige Prozesse gegen vermeintliche Hexen, wobei Ehestreitigkeiten mit seiner Gemahlin Sidonia um Macht und Geld eine Rolle spielten.

Das erste Ereignis war am 11. Februar 1572, als Gesche Role- und wahrscheinlich noch weitere Frauen- „justifiziert“ wurden, das heißt sie wurde auf dem Markt in Neustadt, also vor dem damaligen Rathaus, einem peinlichen Halsgericht unterstellt und zum Tode durchs Feuer, verschärft durch vorheriges Reissen mit glühenden Zangen verurteilt.

Am 28. März waren drei von den Geringeren (Nicht- Adligen) unter den Angeschuldigten: die Lange, die Herbst, die Rotschröder wiederum vor dem Rathaus am Markt zu Neustadt einem peinlichen Halsgericht unterworfen und zum Feuertode verurteilt. Das Urteil fand wieder im unmittelbaren Anschluß an das peinliche Halsgericht seine Vollstreckung auf dem Scheiterhaufen.

Insgesamt sollen in Neustadt 41 Frauen so ums Leben gebracht worden sein. Der Verfasser hält es übrigens nicht für erwiesen, daß die letzte Stufe der Prozesse, die Verbrennungen, direkt vor dem Rathaus auf dem Marktplatz stattgefunden haben können. Es stand nur ein relativ kleiner Platz von 25 x 25 m zur Verfügung und die Gefahr des Funkenfluges und Brandgefahr in dieser mittelalterlichen Stadt mit ihren wahrscheinlich noch strohgedeckten hölzernen Fachwerkhäusern war doch zu groß. Man wird einen anderen Platz dafür gewählt haben.[19]

Vorabendstimmung am Alten Rathaus

Vorabendstimmung am Alten Rathaus

So einladend stellt sich der historische Ratskeller heute dar. [HD März /Mai 2010]

Teil 1: Über das alte Rathaus, den Ratskeller und seine Wirte
Teil 2:  Der Ratskeller im 19. und 20. Jahrhundert
Teil 3: Pflichten des Kellerwirts im 17. Jahrhundert
Teil 4: Über den Ratskeller, Wirthe, Konkurrenz und Wappen

Quellen:

  • [1] Titelblatt der Grundsatzbroschüre zur Stadterneuerung, 1981, Herausgeber Stadt Neustadt am Rübenberge
  • [2] Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen Kreis Neustadt am Rübenberge 1958
  • [3] Klages: unveröffentlichte, maschinengeschriebene Chronik , 1952
  • [4] Leinezeitungen vom 30.4.1980 und 3.10.1980
  • [5] Klages, S 11
  • [6] Quelle: Regionsarchiv
  • [7] Quelle: Regionsarchiv
  • [8] Vogt von Neustadt im Dienste Herzog Albrechts
  • [9] Lt Barby
  • [10] Zitat Barby Unveröffentlichte Kirchenchronik der Kirchengemeinde Neustadt a. Rbge
  • [11] Quelle: Regionsarchiv
  • [12] Zitat aus Klages
  • [13] Zitat Klages S 11
  • [14] Aus Barby 1680
  • [15] Quelle :Regionsarchiv
  • 16] Teilweise aus Barby zitiert
  • [17] Aus Kunze „Leben und Bauten Herzog Erich II von Braunschweig – Lüneburg“ , Ausstellungskatalog von 1993
  • [18] Aus „Chronik der Schützenfeste“ ,H. J. Naujoks, 1993, Hrg: Neustädter Schützengesellschaft
  • [19] Siehe unseren Artikel: Hexenverbrennungen im Zentrum von Neustadt a. Rbge?[101] Reg Arch KA NRÜ 143
  • [102] Reg Arch NRÜ II 1440
  • [103] Reg Arch KA NRÜ 1434
  • [104] Reg Arch KA NRÜ 1436
  • [105] Reg Archiv NRÜ II 1440
  • [106] Winkel 1966

 

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